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08.04.2005 15:56

"Die Geheimnisse der Welt mit allen Sinnen begreifbar machen": Robert-Boyle-Medaille für Prof. Dr. Lutz Fiesser

Julia Boecker Hochschulkommunikation
Universität Flensburg

    Für besondere Verdienste um naturwissenschaftliches Arbeiten ist der Gründer der Flensburger Phänomenta und Leiter des Instituts für Physik und Chemie und ihre Didaktik an der Universität Flensburg ausgezeichnet worden: Der Deutsche Verein zur Förderung des mathematischen und naturwissenschaftlichen Unterrichts (MNU) hat Prof. Dr. Lutz Fiesser die Robert-Boyle-Medaille verliehen. Der Preisträger nahm die Ehrung im Rahmen des 96. MNU-Bundeskongresses im März an der Christian-Albrechts-Universität Kiel entgegen.

    "Wir ehren ihn für sein außerordentliches Engagement, kreative Möglichkeiten zu schaffen, die Geheimnisse der Welt mit allen Sinnen begreifbar und verstehbar zu machen", begründete Arnold a Campo, der Bundesvorsitzende des Fördervereins MNU, die Auszeichnung in seiner Laudatio. "Professor Fiesser möchte den Menschen den ursprünglichen sinnlichen Zugang zu den Naturwissenschaften öffnen und sie so zum Staunen, Nachdenken und zum ursprünglichen Erfahren bringen - und das ist ihm mehr als gelungen." Er führe junge Menschen an die experimentellen Methoden der Naturwissenschaften heran und motiviere sie nachhaltig zu eigenen Untersuchungen, so der Bundesvorsitzende weiter. Der Diplom-Physiker Lutz Fiesser ist der erste Wissenschaftler, dem diese vom MNU ins Leben gerufene Auszeichnung zuteil wurde. Benannt ist sie nach dem englischen Naturwissenschaftler Robert Boyle (1627 - 1692), einem Mitbegründer der modernen Chemie.

    Prof. Dr. Lutz Fiesser

    Begeistert von Technik und Naturwissenschaft war der Gründer des ersten Science Centers in Deutschland schon als Kind. "Ich war ein klassischer Schrauber", erinnert sich Lutz Fiesser, der am 26. März 1944 in Nordhausen im Harz geboren wurde. Die Grundlagen legte sein Vater, ein Diplom-Ingenieur. "Er ließ mich mit vier Jahren Schlepper fahren, als Achtjähriger durfte ich schon ans Steuer seines Autos." In der zweiten Klasse entdeckte Lutz Fiesser sein Lieblingshobby: den Bau von Modellflugzeugen. Seine "Vorliebe für das unmittelbare Handeln", ein Grundprinzip des pädagogischen Konzepts der Phänomenta, sie stamme aus diesen frühen Kinder- und Jugendjahren, ist der Vater von zwei Töchtern überzeugt.

    1967 schloss er sein Physikstudium ab - mit 23 Jahren als jüngster Diplom-Physiker, der bis dahin in Münster studiert hatte. Die Promotion in der Grundlagenforschung für Brennstoffzellen, die Lutz Fiesser am Institut für physikalische Chemie in Münster schrieb, hatte er im Alter von 26 Jahren in der Tasche. Zu dieser Zeit weckte seine spätere Frau Gabriele, Sonderschullehrerin für lern- und körperbehinderte Kinder, sein Interesse für Pädagogik. Und eröffnete ihm damit "neue, faszinierende Dimensionen", wie der Wissenschaftler sagt. Statt eine Stelle in der Wirtschaft oder der Industrie anzutreten, begann er, an der Pädagogischen Hochschule Wuppertal Didaktik der Physik zu unterrichten. Und war damit "völlig überfordert": "Dieser 'Schock von Wuppertal' brachte mich dazu, an Schulen zu unterrichten, um mir praktische Erfahrungen anzueignen."

    Parallel zu seiner Lehrtätigkeit an der Pädagogischen Hochschule Neuss, an die er 1970 gewechselt war, arbeitete Lutz Fiesser zunächst an Grundschulen, später auch an Realschulen und Gymnasien in Nordrhein-Westfalen. Mehr als zehn Jahre war er in der Lehrerfortbildung tätig und entwickelte Fächer übergreifende Lehrpläne. Seine Arbeit in Praxis und Wissenschaft brachte ihn zu der Erkenntnis, "dass der Unterricht an vielen Schulen in einem desolaten Zustand ist - vor allem im naturwissenschaftlichen Bereich. Spannende Themen werden mit der Kreide in der Hand an der Tafel abgehandelt, ohne Bezug zu den Vorstellungen der Schüler, oft allein zum Zweck der scheinbaren Erfüllung von Lehrplänen."
    Diesem Missstand abzuhelfen, "Schule von außen zu verändern, dadurch, dass Kindern wichtige Erlebnisse im Bereich Natur und Technik ermöglicht werden und so ein tragfähiges Fundament elementarer Erfahrungen entsteht", war und ist seit dem das Ziel von Lutz Fiesser. Die Chance dafür sah er 1980 gekommen, als er die Leitung des Instituts für Physik und Chemie und ihre Didaktik an der damaligen Pädagogischen Hochschule (PH, heute Universität) Flensburg übernahm. Im Freilandlabor der PH setzte er mit den Studenten erste physikalische Experimente in der Natur um - die Vorläufer der heutigen Phänomenta-Exponate.

    Zum "Schlüsselerlebnis" wurde Lutz Fiesser jedoch die Ausstellung "Phänomena", ein "Erfahrungsfeld zur Entfaltung der Sinne", das er 1984 in Zürich besuchte: "Kinder und Erwachsene widmeten sich mit leuchtenden Augen der Physik. Dort wurde mit einem einfachen Trick geschafft, was Schule nicht erreichte: Die Physik wurde wieder den Sinnen zurück gegeben!" Diese Erfahrung sowie der Wissensaustausch mit dem Pädagogen und Künstler Hugo Kükelhaus, dem Ideengeber der "Phänomena", brachte Fiesser auf die Idee, eigene interaktive Exponate anzufertigen. Mit seinem Mitarbeiter Gerhard Deubler-Gotthard entwickelte und baute er in den folgenden Jahren zahlreiche Experimentier-Stationen, die in der Pädagogischen Hochschule Flensburg aufgestellt und in der Lehrerbildung eingesetzt wurden. Die Sammlung, die den Namen "Phänomenta" bekam, wuchs stetig. Ab Ostern 1986 war sie auch der Öffentlichkeit zugänglich und zog immer mehr Publikum an. Dem 1990 gegründeten Trägerverein der Phänomenta stand Lutz Fiesser bis 1998 vor. Das damals wie heute gültige Ziel der Ausstellung umschreibt ihr Gründer wie folgt: "Wir möchten Menschen die Möglichkeit geben, selbstständig mit Naturphänomenen umzugehen und sie aus sich heraus zu verstehen."

    In den folgenden Jahren setzte Lutz Fiesser sich mit aller Kraft dafür ein, ein eigenes Gebäude für die Phänomenta zu finden. Bei seinen Bemühungen hatte er gegen einige Widerstände zu kämpfen. "Damals haben nur wenige Menschen meiner Idee eine Chance gegeben, andere Museen lachten über uns. Heute dagegen werden wir als pädagogische Einrichtung überall ernst genommen." Schließlich wurden seine Bemühungen von Erfolg gekrönt: Am 4. September 1995 konnte die Phänomenta in einem Gebäudekomplex am Flensburger Nordertor eröffnet werden. Bis heute erfreut sich das einzige Science Center in Schleswig-Holstein, das sich seit seiner Gründung aus eigenen Einnahmen finanziert, stetig wachsender Besucherzahlen.

    Auf die Initiative Lutz Fiessers geht auch die Mini-Phänomenta, der "mobile Ableger" des Science Centers, hervor: ein beispielloses Projekt, mit dem Kinder im Alter von sechs bis zehn Jahren spielerisch an die Faszination technischer Phänomene herangeführt werden. "Nachdem sie zuerst nur in Grundschulen in Schleswig-Holstein und Hamburg unterwegs war, werden die Exponate schon in fünf Bundesländern nachgebaut - und bald ist die Mini-Phänomenta deutschlandweit unterwegs", blickt Lutz Fiesser freudig in die Zukunft.

    Kontakt:

    Prof. Dr. Lutz Fiesser, Universität Flensburg, Institut für Physik und Chemie und ihre Didaktik, Tel.: 0461 - 805 2303, Email: fiesser@uni-flensburg.de

    Julia Boecker, Universität Flensburg, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Tel. 0461 - 1444916, Email: boecker@phaenomenta.com


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Mathematik, Pädagogik / Bildung, Physik / Astronomie
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft
    Deutsch


     

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