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19.04.2005 13:14

Aconcagua: TU-Studenten als Gipfelstürmer

Mag. Karin Peter PR und Marketing
Technische Universität Wien

    Wien (TU) Während chinesische Geowissenschaftler und Vermessungsexperten die wahre Höhe des Mount Everest erst ermitteln müssen, ist es Studenten der Technischen Universität Wien dank modernster GPS-Technologie und wissenschaftlicher Software gelungen, den Gipfel des Aconcagua - Amerikas höchsten Berg - mit 6962,97 Metern über Meeresniveau zu bestimmen. Eine exakte Höhenbestimmung ist sowohl vom wissenschaftlichen als auch vom touristischen Standpunkt aus, bedeutsam. Ganz Argentinien ist stolz auf "seinen" höchsten Gipfel der südlichen wie auch der westlichen Hemisphäre.

    Bedingt durch seine geografische Lage - die Nazca-Platte taucht an der chilenischen Küste unter die südamerikanische Platte - verfügt der Aconcagua über großes Veränderungspotenzial. Das heißt, dass sich die Höhe des Berges aufgrund der starken tektonischen Bewegungen, die dort stattfinden, relativ stark verändern kann. Das konnte jedoch bis dato nicht festgestellt werden, da die Höhe des Aconcagua in den letzten 100 Jahren doch eher sehr unterschiedlich angegeben wurde. Waren die einen davon überzeugt, er sei 6950 Meter hoch, gingen die anderen davon aus, dass der Berggipfel auf 7010 Meter liegt.

    Alte und neue Technologie bisher nicht zufriedenstellend

    Die unterschiedlichen Angaben sind auf die mittlerweile veraltete Messtechnologie der Höhenbestimmungen von Bergen zurückzuführen. Die frühere Winkelmessung beruht nämlich darauf, dass der Berg aus großer Entfernung und nur von unten, d.h. vom Fuß des Berges aus, vermessen wurde, was zu einer großen Unsicherheit führte.

    Selbst der Einsatz von GPS im Jahr 2001 hat keine ausreichende Lösung des Problems geboten. Damals wurde der Aconcagua nur vom Gipfel aus vermessen. Wie man sich vorstellen kann, liegt aber genau darin der große Schwachpunkt: die Bergsteiger, die ja gleichzeitig auch die Vermesser sind, können sich am Gipfel wegen der Belastung und der dünnen Luft nur für kurze Dauer aufhalten. Für eine exakte Positionsbestimmung benötigt man aber mehrere Stunden - viel zu lange für eine GPS-Messung rein vom Gipfel aus. Deshalb ist die von der italienischen Expedition 2001 ermittelte Höhe auch wieder verhältnismäßig ungenau.

    Mit Basislager und wissenschaftlicher Software zum Erfolg

    "Meinen Studenten ist es nicht nur gelungen, die Höhe des Aconcagua mit 6962,97 Metern exakt zu bestimmen sondern sie haben den höchsten Punkt exakt markiert, damit er wiederauffindbar ist. So kann man in Zukunft sehr gut beobachten, wie sich der Aconcagua über die Jahre verändert. Die starken tektonischen Bewegungen, die in dem Gebiet vorkommen, und die Erosion setzen dem Aconcagua stark zu und können ihn über die Jahre wachsen oder schrumpfen lassen," streicht Harald Schuh, Vorstand des Instituts für Geodäsie und Geophysik der Technischen Universität Wien die Bedeutung der Leistung der Studenten hervor.

    Die wahre Höhe des Aconcagua konnte im wesentlichen aus zwei Gründen bestimmt werden. Einerseits wurden die Messdaten diesmal mit einem wissenschaftlichen Softwarepaket ausgewertet, andererseits erfolgte die Vermessung des Berggipfels relativ zu einer im Basislager auf 4370 Metern aufgestellten Referenzstation. Vor Ort im Basislager mussten die Studenten ihr Können zeigen, denn statt des erwarteten Stromgenerators, der für ausreichend Strom hätte sorgen sollen, mussten die Studenten statt dessen in kürzester Zeit einen Solarkollektor umbauen, um damit den GPS-Empfänger zu betreiben.

    Aconcagua-Gipfel leicht zu orten

    Zu aller erst haben die Studenten im Basislager "Plaza de Mulas" mittels GPS dessen genaue Position in einem globalen Koordinatensystem bestimmt. Mit diesem Wissen ausgestattet, machten sich die jungen Wissenschafter auf den Weg, den Aconcagua zu bezwingen. Der Aufstieg vom Basislager zum Gipfel dauerte insgesamt 3 Tage, am 17. Februar 2005 war es dann so weit. Der höchste Punkt des Aconcagua wurde markiert und in einer zweistündigen GPS-Messung bestimmt.

    Die Vermessung am Gipfel war dann relativ einfach: das Gerät wurde in Betrieb genommen, die Signale vom Satelliten empfangen und auf der Speicherkarte gesammelt. Zurück im Basislager wurde die Karte ausgelesen und die Daten gesichtet. Eine erste Auswertung der Daten erfolgte 2 Wochen später an der TU Wien. Ein sehr interessantes Detail sei hier erwähnt: während die zuerst zu berechnende, sehr exakte Höhe in einem durch die GPS-Satelliten vorgegebenen Koordinatensystem mit 6995,13 m nur knapp an dem Siebentausender vorbeischrammte, liegt die daraus ermittelte Meereshöhe von 6962,97 m doch ein ganzes Stück unter der "magischen Grenze".

    Vom Wetter begünstigt

    Die Studenten hatten bei ihrer insgesamt dreiwöchigen Expedition großes Glück. Nicht nur, dass ihnen die einzig wirklich exakte Höhenbestimmung des Aconcagua seit 100 Jahren gelungen ist, hat auch das stabile Wetter maßgeblich zum Erfolg beigetragen. Immerhin scheitern rund 60% aller Bergsteiger bei ihrem Wunsch, den Aconcagua zu bezwingen, am Wetter. Windspitzen mit bis zu 240 km/h sind keine Seltenheit.

    Lust und Muss sinnvoll kombiniert

    Ein leidenschaftlicher und ein wissenschaftlicher Grund waren Triebfeder für die aufwändige Bergtour auf den Aconcagua für das Studententeam aus Österreich und Chile. Das Team, das waren Boris Bogensberger, Student der Geodäsie (Vermessungswesen) an der TU Wien, der gerade in Concepcion/Chile an der Station TIGO (transportable Station für geodätische Weltraumverfahren) an seiner Diplomarbeit schreibt, Reinhard Demberger, ebenfalls von der TU Wien und Geodäsie-Student im vierten Studienjahr, Andreas Drexel, Universität für Bodenkultur, Filipo Lisandro Castillo Fuentes, Geologie-Student aus Chile und passionierter "Bergfex" sowie Gerhard Summer, der dritte im Bunde der Geodäsie-Studenten der TU Wien. Er schreibt gerade in Australien an seiner Diplomarbeit.

    Die Idee zum Aconcagua-Projekt kam den beiden TU-Studenten Gerhard Summer und Boris Bogensberger bei einem Glas Rotwein nach einem Open-air-Kinobesuch in Wien. Gerhard Summer erzählte Boris Bogensberger von einem Berg namens Aconcagua, der angeblich in einigen Atlanten über 7000 m ist. Bogensberger konnte das aus Prinzip nicht gleich glauben. Beide wussten damals auch noch nicht, dass der Gipfel nicht in Chile liegt. Als die beiden herausgefunden hatten, dass es bereits 2001 eine italienische Expedition gegeben hat, war für die beiden klar: sie wollten herausfinden, ob sich die Anden heben, und wenn ja wie schnell.

    Rückfragehinweis:
    Univ.Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Harald Schuh
    Technische Universität Wien
    Institut für Geodäsie und Geophysik
    Gußhausstraße 25-29, A-1040 Wien
    Tel.: +43-1-58801x12860
    Fax: +43-1-58801x12896
    Mail: harald.schuh@tuwien.ac.at


    Weitere Informationen:

    http://www.aconcagua2005.tk/ Die gesamte Bilddokumentation der Aconcagua-Besteigung und -Vermessung im Februar 2005 findet sich unter dieser Web-Adresse


    Bilder

    Gipfelstürmer G. Summer mit Septentrio Receiver am Ziel eines langen schweren Aufstieges.
    Gipfelstürmer G. Summer mit Septentrio Receiver am Ziel eines langen schweren Aufstieges.
    TU Wien, Institut für Geodäsie und Geophysik
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geowissenschaften, Informationstechnik
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Gipfelstürmer G. Summer mit Septentrio Receiver am Ziel eines langen schweren Aufstieges.


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