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05.05.1999 14:44

Neue Erfindung: Die "Intelligente Schleifscheibe" verspricht der Industrie hohe Kosteneinsparungen

Kai Uwe Bohn Hochschulkommunikation und -marketing
Universität Bremen

    ---> Möglichkeit der Prozeßkontrolle übertrifft alle Fertigungsweisen dieser Art
    ---> Integrierte Sensorik ermöglicht Messungen direkt am Kontaktpunkt
    ---> Kein Ausschuß mehr: Ziel ist ein Beitrag zur "Null-Fehler-Produktion"

    Produktionstechniker und Mikrosystem-Spezialisten der Universität Bremen haben jetzt eine "Intelligente Schleifscheibe" entwickelt. Die zum Patent angemeldete Erfindung übertrifft durch die Möglichkeit der Prozeßkontrolle alle bisherigen Fertigungsweisen dieser Art. Die Erfindung verspricht der Industrie hohe Kosteneinsparungen und eröffnet völlig neue Möglichkeiten beim Schleifen von Werkstücken. Erreicht wird dies durch eine Integration der Sensorik in das Schleifwerkzeug. Ziel der Bremer Wissenschaftler ist, für die Industrie einen Beitrag zur "Null-Fehler-Produktion" zu leisten.

    Der Hintergrund: In der industriellen Produktion wird täglich eine Vielzahl von Bauteilen geschliffen - Wellen, Bolzen, Kugellager und mehr. Doch oft gibt es Ausschuß: Beim Schleifprozeß wirken immense Kräfte, Temperaturen und Schwingungen auf das Werkstück, das dabei verändert oder zerstört werden kann. Das böse Erwachen kommt bei der Nachkontrolle, wenn Maße oder Rauhigkeiten nicht stimmen. Zwar stecken in manchen Schleifzellen Sensoren, doch diese arbeiten ungenau und sind noch zu weit von der eigentlichen Bearbeitungsstelle entfernt. So war es bisher unmöglich, die genaue Temperatur am Kontaktpunkt zwischen Schleifscheibe und Werkstück zu bestimmen. Doch ein Fehler bei der Bearbeitung, etwa eine zu hohe Temperatur beim Schleifen, kann alles zunichte machen. Auch die Schleifscheibe selbst kann Schaden nehmen. Ein "Scheiben-Crash" heißt: Teurer Maschinenstillstand und Produktionsausfall.

    Die Lösung für dieses Problem kommt aus der Universität Bremen. Fertigungs- und Mikrosystemtechniker entwickelten im "Forschungsverbund Materialwissenschaften" fachübergreifend die "Intelligente Scheifscheibe": Ein Werkzeug, das bereits während des Bearbeitungsprozesses alle Kräfte, Temperaturen und Schwingungen exakt am Kontaktpunkt mißt und so eine "Selbststeuerung" der Maschine ermöglicht. Dies gelingt dank der Sensoren, die in die Schleifscheibe integriert sind. Je nach Meßergebnis entscheidet die Maschine über die Schnittgeschwindigkeit oder die Menge des Kühlschmierstoffes, der zugeführt wird. Sie merkt sofort, ob sich das Werkstück "zusetzt", und kann darauf reagieren. Und wenn das Schleifwerkzeug zu stumpf wird, kann die Maschine sogar die "Abrichtung" - also das Nachschärfen und Profilieren durch einen Diamanten - veranlassen.

    Die Daten, die die integrierten Sensoren aufnehmen, werden drahtlos an einen wenige Millimeter neben der Schleifscheibe angebrachten Empfänger weitergegeben. Ebenfalls drahtlos erfolgt die Energieversorgung des kleinen Senders, der an der Schleifscheibe angebracht ist. Angestrent ist, die gesamte Sensorik auf die Größe eines Daumennagels zu reduzieren. Die Auswertung der Daten und die Maschinensteuerung erfolgt rechnergestützt.

    Die Bremer Wissenschaftler haben sich auf die harten, äußerst teuren CBN-Schleifscheiben (CBN = Cubic Boron Nitride, zu deutsch: Kubisch-Bornitrid) konzentriert, die vor allem in der Massenproduktion eingesetzt werden. Diese Werkzeuge kosten schnell mehrere tausend Mark. Die Integration der Sensorik in die Schleifscheibe ist kostengünstig, die Ausgabe macht sich schnell bezahlt. Das liegt auch daran, daß die Sensoren dank der Methoden der Mikrosystemtechnik winzig klein sind. Sie werden zwischen den einzelnen Segmenten der Schleifscheibe plaziert. Das Besondere ist, daß der Sensor von oben abgeschliffen wird, sich also teilweise selbst zerstört. Dank seines Aufbaus liefert er trotzdem über die gesamte Lebensdauer der Scheibe exakte Daten.

    Die "Intelligente Schleifscheibe" hat viele Vorteile. Daß genau am Bearbeitungspunkt gemessen wird, ist ein echter Durchbruch. Außerdem wird die Maschinenumgebung nicht mehr beeinträchtigt: Es müssen keine Sensoren mehr in der Schleifzelle angebracht werden, weil sie sich bereits in der Scheibe befinden. Zudem sind diese Sensoren völlig unabhängig von Werkstück. Ob nun flache oder runde Werkstücke geschliffen werden, ist dem integrierten Sensor egal. Eine Anpassung ist nicht mehr nötig. Und die neuentwickelte Sensorik ist sehr robust, während die bisherigen Meßaufnehmer gegenüber Kühlschmierstoffen oder hohen Temperaturen anfällig waren.

    Diese völlig neue Generation von Schleifscheiben eröffnet große Freiheiten in der Werkstück-Bearbeitung. Ein Maschinenführer kann beispielsweise entscheiden, daß er ein selbstgewähltes Temperaturniveau nicht überschreiten will. Ebenso kann er auch andere Vorgaben einfach per Knopfdruck machen. Solchen Möglichkeiten waren in der Branche bislang unbekannt.

    Weitere Informationen bei:
    Christian Böhm
    Universität Bremen / Forschungsverbund Materialwissenschaften
    Tel.: 0421/218-2347
    e-mail: boehm@iwt.uni-bremen.de


    Bilder

    Mikrosystem-Spezialisten und Fertigungstechniker der Universität Bremen integrieren winzige Meßsensoren in die "Intelligente Schleifscheibe". Die Neuerfindung bietet eine Prozeßkontrolle direkt am Kontaktpunkt von Werkstück und Schleifmaschine.
    Mikrosystem-Spezialisten und Fertigungstechniker der Universität Bremen integrieren winzige Meßsenso ...

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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Elektrotechnik, Energie, Maschinenbau, Mathematik, Physik / Astronomie, Werkstoffwissenschaften
    überregional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

    Mikrosystem-Spezialisten und Fertigungstechniker der Universität Bremen integrieren winzige Meßsensoren in die "Intelligente Schleifscheibe". Die Neuerfindung bietet eine Prozeßkontrolle direkt am Kontaktpunkt von Werkstück und Schleifmaschine.


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