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29.04.2005 10:45

Deutlich mehr als Darwin - Haeckels Briefe

Stefanie Hahn Abteilung Hochschulkommunikation/Bereich Presse und Information
Friedrich-Schiller-Universität Jena

    Wissenschaftshistoriker der Universität Jena legen Katalog der Haeckel-Korrespondenz vor

    Jena (29.04.05) Charles Darwins Hypothesen von der gemeinsamen Abstammung, der allmählichen Veränderung der Arten und dem Überleben des am besten Angepassten stellte seinerzeit das herrschende Weltbild auf den Kopf. Der deutsche Zoologe Ernst Haeckel gilt als die zentrale Figur des Darwinismus auf dem europäischen Kontinent. Seine wissenschaftliche, kulturelle und weltanschauliche Wirkung spiegelt sich nicht zuletzt in seiner breitgefächerten Korrespondenz wider, die im Archiv des Ernst-Haeckel-Hauses der Universität Jena lagert. Zwei Wissenschaftshistoriker der Friedrich-Schiller-Universität haben jetzt einen 812 Seiten umfassenden Band der Schriftenreihe "Ernst-Haeckel-Haus-Studien" vorgelegt, in dem der gesamte in Jena vorhandene Bestand von 39.220 Briefen dokumentiert ist.

    "Bisher waren nur Teile der Korrespondenz veröffentlicht worden, ein Gesamtüberblick fehlte", sagt PD Dr. Uwe Hoßfeld, der gemeinsam mit Prof. Dr. Dr. Olaf Breidbach den neuen Katalog erarbeitet und herausgebracht hat. "Mit unserer Edition wird nun zugleich ein Stück Zoologie und europäische Wissenschaftsgeschichte aus einem bisher unbekannten Blickwinkel fassbar", erklärt der Wissenschaftshistoriker. "Denn neben Stellungnahmen zu Publikationen, Aussagen über Forschungsarbeiten und Material zu seinen Reisen enthalten Haeckels Briefe auch weltanschauliche, philosophische Gedanken. Zudem machen die Briefe an Adressaten in 72 Ländern das dichte Netz seiner interkulturellen Kontakte und somit Haeckels Bedeutung für die weitreichende Popularisierung und Ideologisierung der Biowissenschaften um 1900 sichtbar. Sie zeigen einmal mehr, dass seine Wirkung keineswegs nur auf den deutschen Raum beschränkt ist.

    "Mit dem Verlust der eindeutigen weltanschaulichen Orientierung, vermittelt durch Religion oder politisch soziale Hierarchien, erlangt um 1900 die Naturwissenschaft auch im soziokulturellen Bereich eine immense Bedeutung", erklärt Prof. Breidbach. Haeckel, der die neue Evolutionslehre von vornherein konsequent auch als weltanschauliche Position vertritt, wird somit eingebunden in die Dispute um den Sozialdarwinismus oder die Formierung einer Eugenik. Er initiiert den modernen Biologismus, ist einer der zentralen Verfechter der neuen philosophischen Strömung des Monismus, wirkt auf den Jugendstil und die seinerzeit avantgardistische Literatur. "Die Erschließung der Archivalien, insbesondere der Briefe, ist daher für eine Reihe von Fachdisziplinen bedeutsam", so Hoßfeld.

    Im Gegensatz zu Großbritannien, wo seit 1979 in dem Darwin-Correspondence-Programm eine umfassende Materialaufarbeitung erfolgt, steht die umfassende Bearbeitung für den "deutschen Darwin" noch aus. "Vorarbeiten, wie der Katalogband bilden das notwendige Grundgerüst für neue originäre Arbeiten auf wissenschaftshistorischem Gebiet", verdeutlicht er die Bedeutung des nun vorliegenden Bandes. Akribische Kleinarbeit war nötig, um die Haeckel-Korrespondenz zu erschließen, die übrigens viermal mehr Briefe zählt, als in Darwins Fall vorlagen.

    Der Jenaer Bestand unterteilt sich in zwei große Kategorien: die Familienbriefe (3.887 an und 1.824 von Haeckel) und die sonstigen Briefe (3.1645 an und 1.864 von ihm). Die Schriftstücke stammen von 9.312 Korrespondenten aus 72 Ländern und liegen in sieben verschiedenen Sprachen als Kopie oder im Original, in verschiedenen Handschriften vor. Allein die Entzifferung der Daten, Absender sowie Adressaten nahm bei den Vorarbeiten zur Katalogisierung viel Zeit in Anspruch. Nun sind die Briefe nach den modernsten Bearbeitungsstandards (RNA-Richtlinien) der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) erschlossen und alphabetisch nach Absendern und chronologisch aufgelistet. Das umfangreiche Erschließungsprojekt startete 1998. Es war für zwei Jahre von der DFG gefördert worden und konnte nur dank der finanziellen Unterstützung des Fördervereins Ernst-Haeckel-Haus e. V. abgeschlossen werden. Ab Mitte Juni zeigt das Ernst-Haeckel-Haus eine neue Sonderausstellung zum Briefbestand des Archivs.

    Bibliographische Angaben:
    Uwe Hoßfeld & Olaf Breidbach "Haeckel-Korrespondenz: Übersicht über den Briefbestand des Ernst-Haeckel-Archivs", VWB -Verlag für Wissenschaft und Bildung, Berlin 2005, XXII+812 S. ISBN 3-86135-489-6, 98,00 Euro.

    Kontakt:
    PD Dr. Uwe Hoßfeld und Prof. Dr. Dr. Olaf Breidbach
    Institut für Geschichte der Medizin, Naturwissenschaft und Technik -
    Ernst-Haeckel-Haus - an der Universität Jena
    Berggasse 7, 07743 Jena
    Tel.: 03641 / 949505 od. 949500
    E-Mail: uwe.hossfeld@uni-jena.de / olaf.breidbach@uni-jena.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Geschichte / Archäologie, Informationstechnik, Philosophie / Ethik, Religion
    überregional
    Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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