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02.05.2005 10:50

Deutsche Filmtitel oft reißerischer als die englischen Originale

Robert Emmerich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Julius-Maximilians-Universität Würzburg

    "Nine to Five", so heißt ein US-Film aus dem Jahr 1980. In Deutschland jedoch kam der Streifen unter diesem Titel in die Kinos: "Warum eigentlich ... bringen wir den Chef nicht um?" Ganz schön frei übersetzt, möchte man da meinen. Und tatsächlich kommen bei der Eindeutschung englischer Filmtitel oft sprachliche Mittel zum Einsatz, die völlig andere Akzente setzen als das Original, wie der Anglist Christoph Schubert von der Uni Würzburg sagt. Grund für die häufig "reißerischen" deutschen Titel sei deren gesteigerte Werbewirksamkeit.

    Weiteres Beispiel: Aus "Key Largo" (USA 1948) wurde im Deutschen "Hafen des Lasters". Denkt ein Amerikaner bei Key Largo sofort an das Urlaubs- und Tauchzentrum in Florida, so dürfte ein Deutscher eher ratlos vor diesem Ortsnamen stehen. Also titelte man um und gab dem Film damit noch einen leicht sündhaften Anstrich - ein wenig reißerischer eben als das "langweilige" Original.

    Wie englische Filmtitel übersetzt werden, das hat Christoph Schubert gründlich untersucht. Der wissenschaftliche Assistent am Lehrstuhl von Professor Ernst Burgschmidt verglich 1.486 Titel. Mit dabei waren alle 1.178 englischsprachigen Werke aus der "Chronik des Films" von 1944 bis 1993. Hinzu kamen aus den Jahren 1994 bis 2002 alle Oscar-Gewinner und -Nominierungen sowie die zehn jährlich erfolgreichsten Filme in den USA - insgesamt 308 Filme.

    Auf diesem Streifzug durch die Filmgeschichte konnte der Würzburger Sprachwissenschaftler klare Trends erkennen. So hat die wörtliche Übersetzung der Titel in den vergangenen 50 Jahren stetig abgenommen. Das muss nicht immer von Nachteil sein, denn es besteht dabei auch die Gefahr, dass die ursprüngliche Aussage nicht erkannt wird - etwa bei der Übersetzung von "Born on the Fourth of July" (USA 1989) zu "Geboren am 4. Juli". Wer in Europa nicht weiß, welch hohen Stellenwert der 4. Juli als Unabhängigkeitstag für die Amerikaner hat, für den handelt es sich bei diesem Tag nur noch um ein beliebiges Datum im Sommer - und um einen relativ nichtssagenden Filmtitel.

    Dagegen kam es im untersuchten Zeitraum immer öfter vor, dass den Titeln bei der Übersetzung Informationen oder Untertitel hinzugefügt werden: "Damit sollen sie zum einen verständlicher werden, zum anderen auch mehr Interesse und Neugier wecken", erklärt Schubert. So wurde aus "The Thing" (USA 1951) "Das Ding aus einer anderen Welt", aus "Babe" (USA 1995) "Ein Schweinchen namens Babe" oder aus "Blind Date" (USA 1986) "Blind Date - Verabredung mit einer Unbekannten".

    Was besonders stark zugenommen hat: Englischer und deutscher Titel sind identisch. Nicht übersetzt oder ersetzt werden zum Beispiel Eigennamen wie "Titanic" oder "Spider-Man". Keine Verständnisprobleme treten auch bei Titeln wie "Gladiator" oder "Psycho" auf. Und Filmnamen wie "Men in Black" oder "Speed" bereiten auch Menschen mit geringen Englisch-Kenntnissen keine Probleme.

    Zwischen 1944 und 1953 hatten nur neun Prozent der untersuchten 218 Filme identische Titel. Im Zeitraum von 1994 bis 2002 waren es dann schon 47 Prozent (bei 308 Filmen). In diesen Zahlen spiegle sich die Globalisierung wider, so Schubert, und auch die zunehmende Verbreitung englischsprachiger Ausdrücke. Besonders schön lässt sich das an diesem Beispiel zeigen: Ein 1960 verfilmter Roman von Herbert G. Wells kam damals als "Die Zeitmaschine" in die deutschen Kinos. Die Neuverfilmung von 2002 lief dann unter dem Titel "The Time Machine".

    Schuberts Arbeit "Die Appellwirkung englischer Filmtitel und ihrer deutschen Neutitel: Techniken interkulturellen Transfers" wurde publiziert in den "Arbeiten aus Anglistik und Amerikanistik" (AAA), Band 29 (2004), Heft 2, im Gunter-Narr-Verlag Tübingen. Derzeit arbeitet der 34-jährige an seiner Habilitation zum Thema "Blickführung durch Sprache". Wie wird der innere Blick, das Vorstellungsvermögen des Lesers, durch sprachliche Mittel in einem Text gelenkt? Das untersucht der Wissenschaftler an Romanen, in denen Landschaften beschrieben werden, aber auch an Reiseführern oder Reiseberichten.

    Weitere Informationen: Dr. Christoph Schubert, T und Fax (0931) 888-5677, E-Mail: christoph.schubert@mail.uni-wuerzburg.de


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    Mit der Eindeutschung englischer Filmtitel hat sich der Anglist Christoph Schubert befasst. Ein Ergebnis: Immer öfter werden die Titel gar nicht übersetzt.
    Mit der Eindeutschung englischer Filmtitel hat sich der Anglist Christoph Schubert befasst. Ein Erge ...
    Foto: Robert Emmerich
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Kunst / Design, Medien- und Kommunikationswissenschaften, Musik / Theater, Sprache / Literatur
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Mit der Eindeutschung englischer Filmtitel hat sich der Anglist Christoph Schubert befasst. Ein Ergebnis: Immer öfter werden die Titel gar nicht übersetzt.


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