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10.05.1999 11:31

Globalisierung der Wirtschaft - Modernisierungsdruck auch für die Politik

Gerhard Schmuecker Hochschulkommunikation
Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen

    - Bundesfachtagung für Volkswirte vom 5.-7. Mai 1999 an der Fachhochschule Nürtingen -

    NÜRTINGEN. (schm) Welcher Reformbedarf ergibt sich aus der fortschreitenden Globalisierung der Wirtschaft für die nationale Wirtschaftspolitik? Dieses hochaktuelle und brisante Thema der Wirt-schaftspolitik stand im Mittelpunkt der Bundesfach-tagung für Volkswirte an Fach- und Gesamthochschulen, zur der vom 5.-7. Mai an der Fachhochschule Nürtingen rund 80 Professorinnen und Professoren der Volkswirtschaftslehre aus dem ganzen Bundesge-biet zusammengekommen waren. Sie informierten sich zugleich über die neuen Studiengänge Volkswirtschaftslehre an Fachhochschulen, wurde doch der erste dieser Studiengänge im Wintersemester 1996/97 an der Fachhochschule Nürtingen eingerichtet und vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft bereits mit einem Preis als "modellhafte Initiative zur Reform von Studium und Lehre" ausgezeichnet.

    In seiner Begrüßung betonte der Rektor der Fachhochschule Nürtingen, Prof. Dr. Eduard Mändle, daß die Volkswirtschaft auch für die Unternehmensführung eine wichtige Rolle spiele. In Zeiten, in denen sich längst die strategische Führung von Unternehmen durchgesetzt habe, seie es von zentraler Bedeutung geworden, externe Faktoren und Strukturveränderungen frühzeitig zu erkennen. Die Volkswirtschaftslehre biete dafür das notwendige Instrumentarium. Aus diesem Grund habe sich die Fachhochschule Nürtingen als erste Fachhochschule entschieden einen praxisnahen Studiengang Volkswirtschaft einzurichten. Letztlich sei dies auch eine Reaktion der Hochschule auf die Globalisierung der Wirtschaft gewesen. Nach dem Grußwort einer Vertreterin der Stadt Nürtingen eröffnete der Staatssekretär im Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg, Dr. Horst Mehrländer, die Tagung. Er plädierte nachdrücklich dafür, die Globalisierung nicht als Gefahr zu begreifen, sondern als historische Chance. Entscheidend für das Abschneiden im globalen Wettbewerb sei die Bereitschaft zu Innovationen - in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, Wissenschaft und Bildung. Als vielversprechende Innovation betrachte er gerade auch die neuen Studiengänge Volkswirtschaftslehre an Fachhochschulen, die er mit hohen Erwartungen verfolge und unterstütze.

    Wie sich die Vorstellungen zur Rolle des Staates in Marktwirtschaften gewandelt haben, zeigte Prof. Dr. Eva Lang, Universität der Bundeswehr in München, auf. Zuächst habe man den Staat als Garanten gegen Marktversagen gesehen, dann als Verursacher von Marktversagen (Staatsversagen). Diese Alternativen seien mittlerweile überholt. Es komme darauf an, intelligente Lösungen für das Zusammenwirken von Staat und Wirtschaft zu finden. Dazu müsse der Staat umgebaut werden - von der Staatsmaschinerie zu einem lebendigen System.

    Die Reformzwänge, die von der Globalisierung der Wirtschaft auf den Staat ausgehen, wurden von Klaus-Dieter Schmidt, Institut für Weltwirtschaft in Kiel, näher erläutert. Die Globalisierung ermögliche die Abwanderung - hin zu vorteilhafteren wirtschaftlichen Gegebenheiten und wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen. In der Folge müßten sich nationale Regierungen, ebenso wie Unternehmen, dem internationalen Standortwettbewerb stellen. Zu einem Minimalstaat komme es dadurch nicht, wohl aber zu einer Machtverschiebung zwischen Staat und Wirtschaft. Das erzwinge eine kostengünstigere, wirksamere und bürgernähere Politik - wenn der politi-sche Wettbewerb nicht unangemessen durch internationale Vereinbarungen beschränkt werde.

    Mit den internationalen Vereinbarungen für den politischen Wettbewerb befaßte sich Prof. Dr. Eckart Koch, Fachhochschule München. Die Globalisierung erfordere immer mehr verbindliche weltweite Absprachen gegen Wettbewerbsverzerrungen - zum einen aufgrund von Marktzugangs- und Wettbewerbsbeschränkungen international tätiger Unternehmen, zum andern aufgrund von Unterschieden in überkommenen nationalstaatlichen Vorgaben (etwa in der Verbraucher-, Gesundheits-, Umwelt- und Sozialpolitik). Zur tragenden Säule einer künftigen internationalen Wirtschaftsordnung könne sich die Welthandelsorganisation (WTO) entwickeln, in deren Rahmen schon heute weit mehr als die Liberalisierung des Handels geregelt werde. Ergänzend bedürfe es einer internationalen politischen Ordnung, deren Kern eine internationale Sicherheitsarchitektur sein müsse.

    Über die europäischen Handlungsstrategien im steuer- und sozialpolitischen Wettbewerb berichtete Dr. Hans Dietrich von Loeffelholz, Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung in Essen. In der Europäischen Union (EU) hätten sich im Verlauf der letzten Jahrzehnte die Steuer- und Sozialsysteme derart angenähert, daß unvertretbare Wettbewerbsverzerrungen heute im allgemeinen kaum mehr bestünden. Ursache dieser Entwicklungen sei keine zentral geplante Harmonisierung nach dem Muster einer Steuer- oder Sozialunion gewesen, sondern eine Vielzahl nationaler Anpassungen im politischen Wettbewerb. Dies könne vielerorts als Modell dienen, obwohl es sich um keine Patentlösung handle. Gerade auch in der EU bedürfe es in Teilbereichen vermehrt einheitlicher Regeln, etwa bei der Besteuerung von Gewinn- und Zinseinkünften.

    Die Konsequenzen für die staatliche Wirtschaftspolitik erörterte Prof. Dr. Johann Eekhoff, Universität zu Köln und ehemaliger Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium. Die nationalen Regierungen müßten sich auf die Globalisierung und auf die veränderten Verhaltensweisen von Unternehmen und Arbeitgebern einstellen. Es komme weder zu einer vollständigen Regionalisierung der Politik noch zu einer umfassenden überstaatlichen Koordinierung. Nach wie vor könne eine Vielzahl dringender Aufgaben weder von den internationalen Organisationen noch vom Bundesverfassungsgericht oder vom Bundesfinanzhof gelöst werden, sondern nur von der nationalen Politik.

    Studiengänge Volkswirtschaftslehre an Fachhochschulen gibt es mittlerweile nicht nur in Nürtingen (Leitung: Prof. Dr. Margot Körber-Weik), sondern auch in Bremen (Leitung: Prof. Dr. Karl-Marten Barfuß) und Schmalkalden (Leitung: Prof. Dr. Robert Richert). Sie alle unterscheiden sich von den traditionellen universitären Studiengängen vor allem in der Anwendungsorientierung - sichtbar an Pflichtveranstaltungen zur empirischen Wirtschaftsforschung, integrierten Praxissemestern und enger Zusammenarbeit mit der Praxis. Charakteristisch sind außerdem Vertiefungsmöglichkeiten in Fachrichtungen mit guten Berufschancen, beispielsweise internationale Wirtschaftsbeziehungen und Non-Profit-Organisationen. Hohes Gewicht hat außerdem die Förderung von Schlüsselqualifikationen im Studium.

    Die vollständigen Kurzfassungen und weitere Informationen zur Tagung finden Sie im Internet unter www.fh-nuertingen.de/~vwbund.

    Nähere Auskünfte: Prof. Dr. Margot Körber-Weik, Leiterin des Studiengangs VWL, e-mail: koerber-weik@fh-nuertingen.de, Tel. 07022/929-239 und 07121/240584.


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Wirtschaft
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

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