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06.03.1998 00:00

Erste papierfreie Intensivstation Bayerns

Adolf Kaeser Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Julius-Maximilians-Universität Würzburg

    Interessenten aus ganz Deutschland informieren sich in Wuerzburg

    Eine Vorreiterrolle fuer Bayern hat die Klinik fuer Anaesthesiologie der Universitaet Wuerzburg uebernommen: Sie betreibt die erste "papierfreie Intensivstation" im Freistaat. Ein Patientendaten-Management, das ausschliesslich ueber Computer abgewickelt wird, macht dies moeglich.

    Dieses System ist eine der Neuerungen, die im Verlauf eines fast zwoelf Monate dauernden Umbaus Einzug in die anaesthesiologische Intensivstation hielten. Offiziell wurde die renovierte Station am gestrigen Donnerstag, 5. Maerz, mit einem Empfang eingeweiht. Zuvor hatten der Direktor der Klinik fuer Anaesthesiologie, Prof. Dr. Norbert Roewer, und Oberarzt Dr. Wolfram Engelhardt die Neuerungen bei einem Gespraech mit Vertretern der Medien vorgestellt.

    Insgesamt vier Millionen Mark sind in die bauliche Instandsetzung und technische Verbesserung der Ausstattung geflossen. Da bislang nur einige wenige deutsche Kliniken ein "papierfreies " Patientendaten-Managementsystem besitzen, wird die Universitaet Wuerzburg diesbezueglich zu einem Referenzzentrum. Das heisst: Mediziner und andere Interessenten aus der gesamten Bundesrepublik werden sich hier ueber die zum Teil umwaelzend neuen technischen Moeglichkeiten bei der UEberwachung und Behandlung von schwerstkranken oder schwerstverletzten Menschen informieren. Vor allem folgende Neuerungen in der anaesthesiologischen Intensivstation sind hervorzuheben:

    Neben jedem der zwoelf Betten der Station befindet sich ein Terminal des vernetzten, elektronischen Patientendaten-Managementsystems. Der Arzt kann auf platzsparenden 20-Zoll-Flachbildschirmen alle lebenswichtigen Funktionen ueberwachen. Unter anderem sind auf dem Monitor dargestellt: Elektrokardiogramm, Blutdruck und andere wichtige Kreislaufmessgroessen, Sauerstoffsaettigung des Blutes, Kohlendioxid in der Ausatemluft. Das System dokumentiert nicht nur die Vitalfunktionen des Patienten, sondern auch die Behandlung und Pflege weitgehend automatisch und "papierfrei".

    Messwerte, zum Beispiel der Blutdruck, mussten frueher auf Papier notiert werden - in den meisten Intensivstationen Deutschlands ist das heute noch die Regel. Dabei kann es zu UEbertragungsfehlern oder Unsicherheiten kommen, etwa durch eine schlecht lesbare Handschrift. Das neue System schaltet diese Fehlerquellen aus.

    Zudem bietet das Managementsystem Vorteile bei der UEbermittlung der Ergebnisse einer Blutuntersuchung - denn diese gelangen vom Labor direkt und gut lesbar auf den Bildschirm am Krankenbett. Informationen ueber Blutbild, Blutzucker oder Gerinnungswerte landen so schneller und zuverlaessiger beim Arzt, der bei der Behandlung eines Notfalls moeglicherweise auf jede Sekunde Zeitersparnis angewiesen ist.

    Geradezu revolutionaer mutet die Moeglichkeit an, wichtige Laboruntersuchungen mit kleinsten Blutproben direkt am Krankenbett durchfuehren zu koennen. Ein Pieks in den Finger, ein Troepfchen Blut, das in einen Mikrochip gefuellt und mit diesem in ein Bauteil des "papierfreien Systems" gesteckt wird - und nach zwei Minuten liegen Ergebnisse am Bildschirm vor. Ergebnisse, fuer die man frueher den Weg ins Labor haette antreten, eine Assistentin mit den Analysen beauftragen und sich spaeter vielleicht wegen einer schlecht lesbaren Handschrift per Telefon ueber die Werte vergewissern muessen. Der neue "Schnelltest" soll in Faellen zum Einsatz kommen, bei denen die Anwesenheit des UEberwachungspersonals am Patientenbett unverzichtbar ist.

    Mit elektronisch gesteuerten Spritzenpumpen werden Medikamente in geringsten Mengen verabreicht, und zwar kontinuierlich und exakt dosiert. Statt dass ein Arzt stuendlich jeweils zwei Milliliter eines Medikaments gibt, sorgen die Spritzenpumpen dafuer, dass diese zwei Milliliter im Verlauf einer Stunde gleichmaessig in den Patienten gelangen - ein konstanter Wirkstoffspiegel stellt sich ein. Solche Pumpen sind Standard in Intensivstationen. Die Wuerzburger Besonderheit: UEber eine spezielle Halterung liefern die Pumpen Daten zum Terminal am Bett: So kann der Arzt mit einem Blick auf den Bildschirm erfassen, welches Medikament dem Patienten gerade in welcher Dosierung verabreicht wird.

    In der Klinik fuer Anaesthesiologie sind alle gaengigen Beatmungstechniken einschliesslich der Hochfrequenzbeatmung verfuegbar. Letztere ist in Intensivstationen selten vertreten. Sie wird bei schwerem Lungenversagen eingesetzt und bewirkt sozusagen einen permanenten Dehnungszustand der Atmungsorgane. So wird verhindert, dass die Lungenfluegel zu stark in sich "zusammenfallen".

    Die bildgebende Diagnostik und UEberwachung des Herzens erfolgt mit neuartigen Ultraschallsonden. Diese werden durch die Speiseroehre bis in die Naehe des Herzens gefuehrt. Die Sonden sind so stark miniaturisiert, dass sie durch die Nase statt durch den Mund eingeschoben werden koennen. Dieses Verfahren schont zum einen den Patienten und kann zum anderen auch bei Faellen eingesetzt werden, bei denen es beispielsweise wegen einer Verletzung des Kiefergelenks nicht moeglich ist, die Sonde ueber den Mund einzufuehren.

    UEberdurchschnittlich ist die Summe der Verfahren, die den AErzten in der anaesthesiologischen Intensivstation zur Verfuegung stehen, um die Hirnfunktionen bei Patienten mit Schaedel-Hirn-Verletzung zu ueberwachen: Moeglich sind die Messung der Sauerstoffsaettigung mit einer Sonde direkt im Hirngewebe, Druckmessung im Schaedelinneren und Messung der hirnelektrischen Aktivitaet.

    In einem Ausbildungszentrum fuer Narkose- und Notfallaerzte ("Wuerzburger Anaesthesie- und Notfallsimulator) koennen intensiv- und notfallmedizinische Situationen realitaetsnah trainiert werden.

    Alle Verfahren der kontinuierlichen Nierenersatztherapie (Dialyse) stehen zur Verfuegung.

    Zur Einweihung der Intensivstation hiess Klinikdirektor Prof. Roewer die Gaeste willkommen. "Der Zuwachs an Apparatemedizin auf unserer Intensivstation bedeutet keineswegs einen Verlust direkter Zuwendung fuer die Patienten, sondern schafft im Gegenteil durch die automatische Dokumentation und effizienteres Arbeiten einen Zeitgewinn fuer meine Mitarbeiter, der unseren schwerkranken Patienten in Form von mehr menschlicher Zuwendung zugute kommen wird", betonte der Professor.

    Kontakt: Prof. Dr. Norbert Roewer, Telefon (0931) 201-5120 oder 201-5121 (Sekretariat), Fax (0931) 201-3444, E-Mail: nroewer@anaesthesie.uni-wuerzburg.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Informationstechnik, Medizin
    überregional
    Es wurden keine Arten angegeben
    Deutsch


     

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