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17.05.1999 09:35

Demokratie- und Verfassungsverständnis: Annäherung von Ost und West

Birgit Berg Pressestelle
Technische Universität Dresden

    "Einstellungen zu Demokratie und Grundgesetz"

    Am 23. Mai 1949 wurde das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verkündet. Doch kann heute wirklich der 50. Geburtstag des Grundgesetzes gefeiert werden? Ist es nicht angebrachter, 40 + 10 Jahre zu feiern? Folgt man den repräsentativen empirischen Umfragen des Instituts für Demoskopie Allensbach, so unterscheiden sich die Einstellungen der Ostdeutschen zur Demokratie und zur Verfassung deutlich von jenen der Westdeutschen. Ob dies auch für die jüngere Generation zutrifft, die einen sehr großen Teil ihres Lebens bereits im vereinten Deutschland verbracht hat, untersucht die präsentierte Studie. Abgefragt wurden die Einstellungen zu Demokratie und Grundgesetz bei Studierenden der Politikwissenschaft in Dresden, Mainz und Erlangen.
    Das zentrale Ergebnis der Studie lautet, daß sich die Einstellungen der ost- und westdeutschen Studierenden annähern. Die Unterschiede in den abgefragten Einstellungen sind in dieser Altersgruppe weitaus niedriger als im Bevölkerungsdurchschnitt. Dies betrifft in der evaluativen und kognitiven Dimension die Akzeptanz und Wertschätzung der zentralen normativen Prinzipien von Demokratie wie Presse- und Meinungsfreiheit, Gleichheit vor dem Gesetz und Mitwirkung an politischen Entscheidungen. In der affektiven Dimension bestehen nur geringe Unterschiede hinsichtlich der Wertschätzung und emotionalen Verbundenheit mit dem Grundgesetz.

    Im Rahmen dieser allgemeinen Annäherung existieren trotzdem noch signifikante Unterschiede zwischen Ost und West:
    1.Am bedeutendsten sind die Differenzen in der Schätzung des tatsächlichen Funktionierens der Demokratie in der Bundesrepublik. Während ca. 70% der Weststudierenden mit dem Funktionieren zufrieden oder sehr zufrieden sind, behaupten dies nur ca. 36% der Dresdner StudentInnen. Dies geht jedoch nicht mit starker Unzufriedenheit unter den Studierenden einher. Vielmehr wird die Leistungsfähigkeit der Demokratie von den Dresdner Studierenden fast mehrheitlich (47%) als befriedigend bewertet.
    2. Die rechtsstaatlichen Prinzipien (unabhängige Justiz, Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz) werden im Westen als auch im Osten als wichtiger eingeschätzt als demokratische Prinzipien wie die Mitwirkung an politischen Entscheidungen. Dies könnte auf die Formel "Rechtsstaat vor Demokratie" gebracht werden. Dies zeigt sich auch hinsichtlich des Institutionenvertrauens: Das Bundesverfassungsgericht sowie die unabhängigen Gerichte genießen in Ost und West weitaus mehr Vertrauen als die "demokratischen" Institutionen Bundesregierung und politische Partien. Auch die Institutionen des Rechtsstaates werden im Vergleich zu den demokratischen Institutionen als wichtiger bewertet.
    3. Eine wichtige Differenz besteht in der Frage der Bewertung des Grundgesetzes: Über 50% der Befragten im Westen antworteten, daß sich das Grundgesetz sehr gut bewährt habe, während dies nur 21% der Befragten in Dresden sagten. Daß sich das Grundgesetz "gut" bewährt hat, stand für 60 % der Dresdner Befragten außer Frage, aber nur für 27,8% der Westdeutschen. Die Antworten sind in der Summe ungefähr identisch, gleichwohl zeigt dieses Beispiel, daß Detailverschiebungen zwischen den Antwortgruppen "sehr gut" und "gut" vorliegen, die in dieser Form typisch sind für das unterschiedliche Antwortverhalten von ost- und westdeutschen Studenten in unserer Studie: Die ostdeutschen Studierenden sind insgesamt "zurückhaltender" in ihren Einstellungen und nehmen häufiger als ihre westlichen Kommilitonen moderate "Mittelpositionen" ein.
    4. Die materielle Kenntnis des Grundgesetzes ist im Osten schlechter als im Westen - gerade die sozialstaatlichen Komponenten des GG sind im Osten eher unbekannt, obwohl allgemein Gleichheit und sozialstaatlichen Prinzipien im Osten eine höhere Wertschätzung erfahren als im Westen.
    5. Große Unterschiede existieren hinsichtlich der Frage, ob sich die Bundesrepublik 1990 eine neue, vom Volk ratifizierte Verfassung hätte geben sollen. Während 53% der Dresdner Studierenden für eine neue Verfassung plädieren, tun dies nur 37% der Westdeutschen.

    Die Ergebnisse dieser Umfrage werden am 18. Mai, von 9.20 - 11.00 Uhr im Seminargebäude in der August-Bebel-Straße, Hörsaal 01, von Prof. Dr. Hans Vorländer präsentiert.

    Der Fragebogen, die Rohdaten der Umfrage, zusammenfassende Grafiken sowie ein umfangreichere schriftliche Auswertung der Daten sind am Lehrstuhl für Politische Theorie und Ideengeschichte / Sonderforschungsbereich 537, Projekt I, TU Dresden, 01062 Dresden - Prof. Hans Vorländer, Telefon (03 51) 4 63-58 11, e-mail: vorlaend@Rcs1.urz.tu-dresden.de oder Dr. Gary S. Schaal, Telefon (03 51) 4 63-57 23, e-mail: schaal@rcs.urz.tu-dresden.de - erhältlich.


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Politik, Recht
    überregional
    Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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