Jenaer Universitätsbibliothek eröffnet am 19. Mai neue Ausstellung zu christlichen Weltchroniken
Jena (18.05.05) Wer heute den Anfang der Erde beschreiben will, beginnt mit Staub im Weltall, der zur Planetenentstehung führt. Im Mittelalter begann die Geschichte der Welt ganz anders: Da gab es einen göttlichen Schöpfungsakt, bei dem die Erde und ihre Bewohner geschaffen wurden und sich entwickelten. Dennoch sind auch christliche Weltgeschichten vielfältig - und wunderbar gestaltet, wie eine neue Ausstellung in der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) beweist. Die Handschriftenabteilung der ThULB hat erneut ihre Schatzkammer geöffnet und präsentiert vom 19. Mai bis zum 30. Juli die Ausstellung "Welt-Zeit. Christliche Weltchronistik aus zwei Jahrtausenden in Beständen der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena". Die Ausstellung im Zimelienraum der ThULB (Bibliotheksplatz 2) ist Montag, Mittwoch, Freitag von 11-16 Uhr, Donnerstag von 15-18 Uhr und Samstag von 10-17 Uhr geöffnet; der Eintritt ist frei. Führungen finden samstags um 15 Uhr statt.
Zur Ausstellungseröffnung am 19. Mai um 19.00 Uhr spricht Prof. Dr. Hans-Werner Goetz (Universität Hamburg) im Vortragssaal der ThULB über "Der Umgang mit der Geschichte bei Otto von Freising und in der mittelalterlichen Weltchronistik".
Prof. Goetz weist damit auf eines der wichtigsten und wertvollsten Exponate der Ausstellung: Otto von Freisings (ca. 1112-1158) Weltchronik. "Sie gilt als eine der bedeutendsten chronographischen Handschriften des Mittelalters", unterstreicht der Leiter der Handschriftenabteilung der ThULB Dr. Joachim Ott. In acht Büchern stellt Otto die Geschichte der Menschheit von ihrer Erschaffung bis in die Mitte des 12. Jahrhunderts dar. Während das achte Buch vom Jüngsten Gericht, also dem Ende der Welt, und der ewigen Gottesschau berichtet, behandeln die ersten sieben Bücher des voluminösen Werkes die irdische Geschichte. In das biblische Gerüst wird eigene Geschichte und ihr Verständnis integriert. Dies verdichtet sich in der damaligen Gegenwart. "Dies liegt am Bestreben Ottos, den Status seiner Zeit innerhalb des Heilsplanes zu ermitteln", sagt Prof. Dr. Martin Wallraff. "Otto sieht das Ende der Zeiten in der unmittelbaren Zukunft vor sich", so der Kirchenhistoriker von der Universität Jena weiter. Er hat gemeinsam mit Dr. Ott das Konzept zur Ausstellung entwickelt und leitet parallel - vom 19.-21. Mai - die internationale Tagung über "Iulius Africanus und die Tradition der christlichen Weltchronik" in Eisenach. Wallraff gibt auch den Begleitband zur Ausstellung heraus, der pünktlich zur Eröffnung im Walter de Gruyter-Verlag erscheinen wird (Berlin 2005, 150 S., 19,95 Euro).
Iulius Africanus schuf im 3. Jahrhundert die bisher älteste christliche Weltchronik. Das Werk sollte Ende des 19. Jahrhunderts von dem Jenaer Philologen Heinrich Gelzer ediert werden. Die Arbeiten waren weit fortgeschritten, doch sind sie nie abgeschlossen worden, da Gelzer über der Arbeit starb. Nach seinem Tod galt das Manuskript als verschollen, bis es vor kurzem in der ThULB entdeckt wurde. Das faszinierende Dokument, das ebenfalls in der Ausstellung zu sehen sein wird, eröffnet einen Einblick zugleich in den regen Wissenschaftsbetrieb an der Universität Jena vor 100 Jahren und in die Anfänge der christlichen Weltchronistik in der Antike.
Neben diesem Werk und Otto von Freisings reich bebilderter Weltchronik, die die einzige bekannte zeitgenössische bildliche Darstellung des Gangs nach Canossa enthält, werden rund 30 mittelalterliche Handschriften und Drucke teilweise erstmals öffentlich präsentiert. "Manche der Exponate sind an anderen Orten besser bekannt als in Jena", beschreibt Dr. Ott, "da sie permanent für wichtige Ausstellungen angefragt werden". Umso mehr freut sich der Bücherbewahrer, nun auch in Jena diese begehrten Werke den Besuchern vorführen zu können. Dazu gehört auch die Weltchronik Frutolfs von Bamberg, die im 12. Jahrhundert von Ekkehard von Aura weitergeführt und bearbeitet wurde. So tilgt Ekkehard im Jahresbericht von 1098 - der in der Ausstellung aufgeschlagen sein wird - Frutolfs Ausführungen zum Teil und ersetzt sie durch einen in leidenschaftlicher Anteilnahme geschriebenen Bericht über den ersten Kreuzzug, den er selbst miterlebt hat.
Weiteres Highlight der Präsentation sind vier Chroniken von Hartmann von Schedel aus dem Jahr 1493. Im Besitz der ThULB befinden sich handkolorierte Ausgaben in deutscher und lateinischer Sprache. "Wenn eine Bibliothek auch nur einen einzigen Schedel hat, ist sie gut bedient", beschreibt Ott zurückhaltend die Bedeutung des Jenaer Besitzes.
Doch neben den Topp-Exponaten ermöglichen auch die anderen Werke nicht nur faszinierende bibliophile Erlebnisse, sondern manch kleine Entdeckungen. Da gibt es riesige Folianten, deren Seiten fein säuberlich, eng beschrieben und aufwändig bebildert sind - und plötzlich eine leere Seite enthalten. Kein Fehler oder Zufall, der Verfasser wollte dem Leser die Gelegenheit geben, seine Weltsicht einzuarbeiten und eigene Notizen zur Geschichte der Welt aufzuführen. So wurden die "Geschichtslexika des Mittelalters" um individuelle Zeitzeugenberichte bereichert und präsentieren Wissenschaftlern wie interessierten Besuchern besondere Einblicke in die längst vergangene Zeit einer Welt, die glücklicherweise viel älter geworden ist, als Otto von Freising erwartet hat.
http://www.uni-jena.de/Welt_Zeit.html
Otto von Freisings Weltchronik aus der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts mit dem berühmten Motiv des Ga ...
Foto: ThULB
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Lateinische Bibel vom Anfang des 13. Jahrhunderts mit einer Darstellung des Propheten Daniel in der ...
Foto: ThULB
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Geschichte / Archäologie, Philosophie / Ethik, Religion, Sprache / Literatur
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Wissenschaftliche Tagungen
Deutsch
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