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27.01.1998 00:00

Fortschritt im Kampf gegen Malaria

Adolf Kaeser Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Julius-Maximilians-Universität Würzburg

    Malaria ist mit zwei bis drei Millionen Todesfaellen im Jahr eine der bedrohlichsten Krankheiten unserer Zeit. Die zunehmende Resistenzbildung der Erreger gegen die bisherigen Medikamente fuehrt zu einer verstaerkten Ausbreitung und zu einem Wiederaufleben dieser Krankheit. An der Universitaet Wuerzburg ist es der Forschergruppe um Dr. Michael Lanzer gelungen, bei der Aufklaerung des Resistenzmechanismus einen entscheidenden Schritt voranzukommen.

    Dr. Lanzer, der am Zentrum fuer Infektionsforschung der Universitaet Wuerzburg eine Nachwuchsgruppe leitet, und seine Mitarbeiter Dr. Cecilia Sanchez und Dr. Stefan Wuensch stellten die Ergebnisse am Dienstag, 27. Januar, bei einer Pressekonferenz im Senatssaal der Universitaet am Sanderring vor.

    300 bis 500 Millionen Menschen werden jedes Jahr weltweit mit Malaria infiziert. Nach Schaetzung der Welt-Gesundheits-Organisation (WHO) sterben jaehrlich etwa 1,5 bis 2,5 Millionen Menschen an den Folgen des Sumpffiebers, wie die Malaria auch genannt wird - davon sind hauptsaechlich Kinder betroffen. Das bedeutet, dass jede Stunde 200 bis 300 Kinder der Malaria zum Opfer fallen. Somit gehoert Malaria, zusammen mit Tuberkulose, Durchfallerkrankungen, Atemwegserkrankungen und AIDS, zu den wichtigsten Verursachern von krankheitsbedingten Todesfaellen.

    Zu einer weiteren stark gefaehrdeten Risikogruppe gehoeren neben schwangeren Frauen, Fluechtlingen und Wanderarbeitern auch Reisende. Weltweit sind jaehrlich etwa 20 Millionen westliche Reisende betroffen. Etwa 1.000 Deutsche, meist Urlauber, werden jedes Jahr in Tropengebieten mit Malaria infiziert, Tendenz steigend (alle Zahlen stammen von der WHO, Stand Oktober 1997).

    Die Anpassungsfaehigkeit der Parasiten und der Anophelesmuecke, dem UEbertraeger der menschlichen Malaria, hat die Versuche, die Erkrankung auszurotten, immer wieder unterlaufen. Besonders in Afrika nehmen die Faelle mit Malaria drastisch zu. Fuer die Rueckkehr dieser Krankheit gibt es vielfaeltige Gruende: Das Bevoelkerungswachstum hat die Bewohner zunehmend in Malariagebiete gedraengt, Bewaesserungsprojekte und Strassenbau schaffen Tuempel, in denen sich die Muecken vermehren koennen. Dadurch gelingt es der Malaria immer staerker, in neue Gebiete vorzudringen, wie zum Beispiel in die Tuerkei und den Mittleren Osten. In Aserbaidschan zum Beispiel galt die Malaria bis 1960 als ausgerottet - doch seit 1995 wird sie wieder gehaeuft (3.000 Faelle) im ganzen Land beobachtet. Den entscheidenden Beitrag zur epidemiemaessigen Verbreitung leistet allerdings die zunehmende Resistenz der Muecken gegen Pestizide und die Resistenz der Malariaerreger gegen die gaengigsten Antimalaria-Mittel. In diesem Zusammenhang spielen die unkontrollierte Verteilung und Einnahme von Antimalaria-Mitteln eine wichtige Rolle.

    Ein Schwerpunkt der Wuerzburger Arbeitsgruppe ist die Erforschung der Chloroquin-Resistenz bei dem Malaria-Erreger Plasmodium falciparum. Das Medikament Chloroquin ist seit seiner Einfuehrung in den fruehen 40er Jahren aufgrund seiner positiven Eigenschaften - geringe Nebenwirkungen und guenstige Produktionskosten von etwa 20 Pfennigen pro Tablette - immer noch ein Standbein der Chemotherapie der Malaria.

    Doch durch die Resistenzentwicklung der Erreger, die sich in den roten Blutkoerperchen des Menschen verschanzen und vermehren, wird die Zahl der noch wirksamen Medikamente zunehmend geringer - es muss auf immer teurere, fuer den Menschen durch ihre Nebenwirkungen schlechter geeignete Praeparate umgestiegen werden. Durch die Aufklaerung des Resistenzmechanimus koennten neue, dringend benoetigte Medikamente entwickelt werden.

    Ein entscheidendes Problem ist, dass die Wirkungsweise und der Aufnahmemechanismus von Chloroquin trotz intensiver Forschung bis heute nicht vollstaendig aufgeklaert ist. Zwar war seit langem bekannt, dass die Resistenz gegen Chloroquin mit einer Verminderung der Chloroquinkonzentration im Inneren der Malaria-Erreger verbunden ist. Entscheidende Durchbrueche aber, die zur Aufklaerung dieses Mechanismus fuehrten, gelangen erst vor kurzem in Wuerzburg (Sanchez et al., J. Biol. Chem. 1997).

    Dabei haben die Wissenschaftler gezeigt, dass Chloroquin nicht, wie bisher angenommen, durch passive Diffusion in den Parasiten gelangt und dort angereichert wird, sondern durch einen Aufnahmemechanismus - den Natrium/Wasserstoff (Na+/H+)-Austauscher des Erregers. Dieser Austauscher sitzt in der Plasmamembran des Parasiten und ist unter anderem fuer die Regulation des cytoplasmatischen pH-Werts verantwortlich. Durch intrazellulaere pH-Messungen an lebenden Parasiten haben die Wissenschaftler gezeigt, dass Chloroquin nur waehrend einer bestimmten Phase aufgenommen wird, die das Medikament selbst in Gang setzt. Ist das Chloroquin erst einmal in dem Parasiten, kann es seine toedliche Wirkung entfalten. Dieser Austauscher ist bei den resistenten Parasiten veraendert - sie nehmen also weniger Chloroquin auf.

    Mit physiologischen und biochemischen Experimenten haben die Wuerzburger Forscher erstmals bewiesen, dass der fuer die Aufnahme des Antimalaria-Medikaments verantwortliche Austauscher bei Chloroquin-resistenten Staemmen nicht mehr durch das Antimalaria-Mittel stimuliert werden kann, weil er durch noch unbekannte Prozesse bereits aktiviert ist. Hinzu kommt, dass Chloroquin-resistente Staemme eine geringere Bindungsaffinitaet fuer Chloroquin besitzen und somit nicht in der Lage sind, dieselbe Menge an Chloroquin aufzunehmen wie Chloroquin-empfindliche Staemme. Dass dies ein generell auftretender Mechanimus ist, konnten die Wissenschaftler zeigen, indem sie Erreger aus verschiedenen Malariagebieten (Afrika, Asien, Papua Neuguinea) untersuchten und immer zu demselben Ergebnis kamen.

    Diese Ergebnisse sprechen dafuer, dass eine Reduktion der Chloroquinaufnahme die Grundlage der Chloroquinresistenz ist (Sanchez et al., J. Biol. Chem. 272: 2652-2658, 1997; Wuensch et al., J. Cell Biol., 140, 1998). Unterstuetzt wird diese voellig neue Sichtweise der Chloroquin-Resistenz durch die erst kuerzlich erschienene Arbeit einer amerikanischen Forschergruppe (Su et al., Cell 91:593-603, 1997), die das fuer die Chloroquin-Resistenz verantwortliche Gen von P. falciparum identifiziert hat. Das von dieser Gruppe beschriebene Genprodukt zeigt in verschiedenen Bereichen strukturelle AEhnlichkeiten mit den Sequenzen von Na+/H+-Austauscher-Proteinen.

    Ein wichtiger medizinischer Aspekt dieser Arbeiten ist, dass der Na+/H+-Austauscher eine neue Zielstruktur fuer neue Medikamente darstellt.

    Hemmstoffe des Na+/H+-Austauschers toeten sowohl Chloroquin-sensitive als auch Chloroquin-resistente Plasmodium falciparum-Staemme ab. In Zusammenarbeit mit der Firma Hoechst Marion Roussel sollen auf der Basis von Hemmstoffen des Na+/H+-Austauschers neue und verbesserte Medikamente gegen die Erreger der Malaria entwickelt werden. Diese koennten dann einen entscheidenden Beitrag zur Bekaempfung der Malaria in Resistenzgebieten leisten.

    Kontakt: Dr. Michael Lanzer, Telefon (0931) 31-2151 oder 31-2629 (Labor), Fax (0931) 31-2578, E-Mail: michael.lanzer@mail.uni-wuerzburg.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Informationstechnik, Medizin
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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