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25.05.2005 14:23

Hartz IV: Gespaltene Wahrnehmung durch die Bürger - Ergebnisse einer bundesweiten repräsentativen Umfrage an der TU Ilmenau

Wilfried Nax M.A. Pressestelle
Technische Universität Ilmenau

    Einige Monate nach Einführung der Arbeitsmarktreform Hartz IV haben sich die Deutschen leidlich damit arrangiert. Allerdings gehen die Einstellungen dazu je nach Betroffenheit sehr stark ausein-ander: Die Gruppen derer, die weitergehende Reformen fordern und derjenigen, denen sie bereits deutlich zu weit gehen, halten sich in etwa die Waage. Allerdings lässt sich auch feststellen, dass die Hartz IV-Proteste zumindest zeitweise die politische Partizipation der Deutschen angeregt haben.
    Die hier zusammengefassten Ergebnisse stammen aus einer bevölkerungsrepräsentativen Umfrage des Instituts für Medien- und Kommunikationswissenschaft der TU Ilmenau, die im Frühjahr 2005 durchgeführt wurde (Details am Ende dieser Mitteilung).

    Betroffenheit von Hartz IV
    Es gibt praktisch niemanden mehr in Deutschland, der noch nicht von Hartz IV gehört hat, nur et-wa 2 Prozent der Befragten sagte der Begriff nichts. Etwa 10 Prozent aller Befragten gaben an, selbst oder mittelbar über ein Haushaltsmitglied von Hartz IV betroffen zu sein. 45 Prozent dieser Betroffenen meinten, dass sich ihr Leben dadurch stark verändert hat, 21 Prozent, dass es sich in einem mittleren Maße verändert hat und 34 Prozent, dass es sich eher schwach verändert hat.

    Was halten die Deutschen für die Wurzel des Problems?
    Zum Zeitpunkt der Befragung, noch vor der im April begonnenen Debatte um Münteferings Kapita-lismuskritik, gaben die meisten Befragten (34 Prozent) dem internationalen Wettbewerb die Schuld an der hohen Arbeitslosigkeit. An zweiter Stelle folgt dann allerdings bereits mit etwa 29 Prozent die Regierungspolitik (Die Befragten hatten die Wahl zwischen "Arbeitgeber", "Gewerkschaften", "Regierung" und "internationaler Wettbewerb").

    Interessant ist dabei, dass die Mehrheit der Befragten trotz allem der Meinung ist, dass die Hartz-IV-Reform hauptsächlich der Regierung nützt (45 Prozent). Dagegen meinen etwa 33 Prozent der Befragten, dass die Reform gut für "uns alle" ist. Nur 7 Prozent sind der Meinung, dass die neue Reform hauptsächlich den Arbeitslosen zugute kommt (Wahl zwischen "uns allen", "den Arbeitslo-sen", "den Arbeitgebern", "der Regierung" und "anderen").

    Zufriedenheit mit Hartz IV
    Die Deutschen sind sich offensichtlich uneins darüber, wie die Hartz-IV-Reform zu bewerten ist. Einigkeit herrscht höchstens darüber, dass die Reform in der vorliegenden Form als ungeeignet empfunden wird, insgesamt halten sie 83 Prozent der Befragten für nicht oder nur teilweise richtig. Bei der Frage, ob die Reform weiter gehen müsste oder bereits zu weit geht, zeigt sich keine eindeutige Präferenz, jeweils ein Drittel der Befragten unterstützt eine der beiden gegensätzlichen Positionen.

    Überfordert Hartz IV die Medien?
    Die Debatte über Hartz IV dominierte monatelang die Politikberichterstattung der Medien. Fragt man nun die Bundesbürger danach, wie zufrieden sie mit dem Informationsangebot der Medien (konkret wurden Fernsehen, Zeitung und Internet genannt) zum Thema Hartz IV waren, so fällt das Ergebnis insgesamt weit gehend positiv aus: fast zwei Drittel fühlen sich eher gut oder sehr gut durch die Medien informiert. Unterscheidet man hier jedoch zwischen den durch Hartz IV Betroffenen (9,6 Prozent, 152 Personen in der Stichprobe) und den nicht Betroffenen (1419 Befragte), differenziert sich das Bild etwas: Die (relativ wenigen) Betroffenen beurteilen die Berichterstattung nämlich überwiegend als eher nicht ausreichend. Während also die Berichterstattung über die politischen Entscheidungen durchaus als angemessen wahrgenommen wurde, scheint die Aufklärung über die Details und konkreten Folgen der Reform für den Einzelnen etwas über die Möglichkeiten der Medien hinauszugehen.

    Politische Aktivierung durch Hartz IV?
    Den massiven Protesten gegen Hartz IV könnte man auch etwas Positives abgewinnen, wenn sie zu einer politischen Mobilisierung der Bevölkerung mit demokratischen Mitteln führen würden. Zur Klärung dieser Frage wurde in der Umfrage erhoben, welche Mittel politischer Partizipation die Menschen für geeignet hielten, um Einfluss auf Reformen wie Hartz IV zu nehmen, sowie welche Aktivitäten sie selbst überhaupt in der letzten Zeit unternommen haben.
    Für die demokratische Kultur in Deutschland spricht, dass illegale Aktivitäten wie das Besetzen öffentlicher Gebäude, das Lahmlegen von Internetservern bzw. das Beschädigen öffentlichen Eigentums weitgehend als ungeeignet eingeschätzt wurden. Die größte Wirksamkeit wird dagegen öffentlichen Protesten auf Demonstrationen (von 74 Prozent als "gut" oder "etwas geeignet" eingestuft) und Versammlungen zugesprochen (72 Prozent). Interessanterweise wird auch einer neuen politischen Option eine hohe Wirksamkeit (62 Prozent) zugesprochen, nämlich dem Anbieten einer eigenen Homepage im Internet; dies steht allerdings in einem krassen Missverhältnis zur tatsächlichen Nutzung dieser Möglichkeit, nur 7 Prozent der Deutschen haben bis jetzt eine solche eigene Website.
    Betrachtet man die von den Reformen betroffenen Personen getrennt von denen, die nicht direkt betroffen sind, so zeigt sich, dass die Betroffenen die Mehrzahl der Aktivitäten generell für geeigneter halten, um politisch Einfluss zu nehmen und diese auch deutlich häufiger ausüben. Dies ist ein Beleg dafür, dass die persönliche Betroffenheit ein ganz wesentlicher Faktor bei der politischen Mobilisierung der Bevölkerung darstellt.

    Methode
    Die vorliegenden Ergebnisse basieren auf Daten einer bundesweiten Telefonbefragung an der TU Ilmenau im Februar 2005. Der Datensatz umfasst die Antworten von 1.662 Befragten und ist repräsentativ für die deutschsprachige Wohnbevölkerung der Bundesrepublik ab 16 Jahren mit Telefonanschluss. Darin enthalten sind 1.226 Personen aus einem langfristigen Befragungspanel sowie 436 Personen, die 2005 zum ersten Mal befragt wurden (Ausschöpfung des Panels: 79,3 Prozent, Ausschöpfung der Stichprobe 2005: 44,2 Prozent).
    Ein Team um Prof. Dr. Vowe untersucht am Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaft bereits seit 2001 den Einfluss des Internets auf die politische Kommunikation der Bürger (Informationen zu diesem Projekt: http://www.tu-ilmenau.de/fakmn/befragung.html. Im Rahmen dieser Langzeitstudie wurden zu Beginn des Jahres 2005 einmalig auch Fragen zum Thema Hartz IV gestellt.

    Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an:

    Prof. Dr. Gerhard Vowe
    vowe@uni-duesseldorf.de
    Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
    Sozialwissenschaftliches Institut
    Universitätsstrasse 1
    40225 Düsseldorf
    Tel.: 0211-81-14014

    Dr. Martin Emmer
    martin.emmer@tu-ilmenau.de
    Technische Universität Ilmenau
    Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaft
    PF 100565
    98684 Ilmenau
    Tel.: 03677-69-4673

    Markus Seifert
    markus.seifert@tu-ilmenau.de


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Medien- und Kommunikationswissenschaften, Politik, Recht, Wirtschaft
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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