Mit körpereigenen Wachstumsfaktoren läßt sich in der Kulturschale die Neubildung von Knochengewebe anregen. An Patienten werden diese Faktoren bislang jedoch nur im Rahmen begrenzter Studien erprobt. Manche Probleme, die die Forscher bislang bei der Knochenzüchtung haben, lassen sich möglicherweise in der Zukunft durch eine Genübertragung überwinden. Erste Experimente an Versuchstieren präsentieren Experten von der medizinischen Hochschule Hannover dazu auf dem 49. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie und der Schweizerischen Gesellschaft für Kiefer- und Gesichtschirurgie.
Schon seit einigen Jahren werden bei Patienten verschiedene gentechnisch erzeugte, menschliche Wachstumsfaktoren eingesetzt. Die Substanz Erythropoetin stimuliert beispielsweise die Vermehrung von roten Blutkörperchen, verschiedene Kolonie-stimulierende Faktoren regen die Teilung von Abwehrzellen an.
Auch das Knochenwachstum wird von körpereigenen Wachstumsfaktoren gesteuert. Diese Faktoren werden kurz BMPs (Bone-morphogenic Proteins) genannt. In der Kulturschale funktionieren diese gentechnisch produzierten Faktoren auch. Sie sorgen dafür, daß die gezüchteten Zellen verstärkt Knochengrundsubstanz bilden und Mineralsalze einlagern. Im Vergleich zu anderen Methoden der Knochenregeneration versprechen sich die Experten von den BMPs darum eine höhere Zuverlässigkeit und einen größeren Knochengewinn einerseits sowie einen geringeren technischen Aufwand andererseits.
Doch an Patienten werden die BMPs zur Zeit nur im Rahmen von begrenzten klinischen Vorstudien eingesetzt. Der Grund: "Damit diese Substanzen kontrolliert freigesetzt werden können, müssen sie auf Trägermaterialien aufgebracht werden", weiß PD Dr. Dr. Henning Schliephake von der Medizinischen Hochschule Hannover. Bei der Entwicklung dieser Trägersubstanzen gibt es jedoch erhebliche Probleme.
Da es sich bei den BMPs um hitzeempfindliche Eiweißstoffe handelt, können sie nicht auf Trägermaterialien aus Keramiken aufgebracht werden, wenn diese produziert werden. Denn dieser Prozess spielt sich bei mehr als 1000 Grad Celsius ab. Möglich ist bislang nur, die BMPs aufzutropfen. Konsequenz, so Schliephake: "Die BMPs werden im Gewebe sehr schnell wirkungslos, weil sie rasch freigesetzt und ausgewaschen werden."
Hoffnung setzen die Experten daher inzwischen auf Polymerkörper als Trägerstoffe. "Diese können bei niedrigeren Temperaturen produziert werden", erklärt der Hannoveraner MKG-Chirurg. Allerdings kann auch dann noch die Knochenbildung behindert werden, wenn sich die Polymere - wie gewünscht - im Verlauf der Knochenbildung zu rasch auflösen und dabei zu viele saure Abbauprodukte entstehen.
Steuern BMPs alleine das Knochenwachstum?
Die Experten wissen auch noch wenig darüber, wie die BMPs in mehreren Stufen die Entwicklung von Knochenzellen aus Vorläuferzellen steuern. "Darüber hinaus ist unklar", so Schliephake weiter, "in welchem Ausmaß BMPs alleine für die Knochenbildung verantwortlich sind." Es gibt nämlich Hinweise, daß bei der Differenzierung von Knochengewebe auch noch andere Proteine im Körper, sogenannte hedgehog-Proteine, aktiv sind.
So lange unklar ist, wie die BMPs am besten appliziert werden, wie sie genau wirken und wo ihre therapeutischen Grenzen liegen, werden sie auch nicht als Arzneimittel zugelassen. "Die Prognosen für die Zulassung solcher Substanzen reichen von zwei Jahren bis 'open end'", sagt Schliephake.
Gebwezüchtung im Reagenzglas
Noch in den Anfägen steckt auch die Züchtung von Knochengewebe in der Kulturschale. Hierzu isolieren Forscher Stammzellen für Knochen aus dem Knochen-mark von Patienten. Um möglichst viele Zellen für eine Versuchs-Transplantation an Tieren zu erhalten, müssen die Forscher das Wachstum und die Differenzierung gezielt steuern.
Darüber hinaus müssen die Zellen immer wieder auf neue Kulturflaschen umgesetzt werden, um ihr Absterben zu verhinden. Allerdings ist die Zahl dieser sogenannten Passagen begrenzt - und damit bislang die Zahl von Zellen, die für eine Transplantation gewonnen werden können. "An eine Verwendung von embryonalen Stammzellen denken wir jedoch nicht", erklärt Schliephake, "da unsere bisherigen Erfahrungen mit Knochenmark-Stammzellen vielversprechend sind."
Ausweg Genübertragung?
Allerdings mußten die Forscher bei Untersuchungen an Tieren auch feststellen, daß solche in-vitro gezüchteten Vorläufer-Knochenzellen nach ihrer Transplantation allenfalls Knorpel-, aber nur wenig differenziertes Knochengewebe bilden. Darum schleußte das Team von Schliephake, in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern der Gesellschaft für biotechnologische Forschung (GBF) in Braunschweig, mit Hilfe von speziell konstruierten viralen Genfähren (Adenoviren) das Gen für einen bestimmten Knochenwachstumsfaktor, BMP-2, in Vorläuferzellen ein.
Danach besiedelten die Forscher ein Vlies mit diesen genetisch vorprogrammierten Zellen und transplantierten den Trägerstoff in das Muskelgewebe von Ratten. Resultat: Sowohl bei in-vitro-Tests als auch bei den transplantierten Tieren produ-zierten diese Zellen deutlich mehr Knochen als andere Zellen, die zu Kontroll-zwecken ausschließlich mit verschiedenen Wachstumsfaktoren behandelt worden waren. "Unsere Experimente legen den Schluß nahe", so Schliephake, "daß die Genübertragung nach der Transplantation eine Neubildung von Knochengewebe fördert."
Rückfragen an:
PD Dr. Dr. Henning Schliephake
Klinik und Poliklinik für Mund-,
Kiefer- und Gesichtschirurgie
Med. Hochschule Hannover
Carl-Neuberg-Straße 1
D-30625 Hannover
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Tagungen
Deutsch
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