Ob in der Liebe oder in der Politik, ob im Familien- oder Geschäftsleben, immer
spielt das Vertrauen eine wichtige Rolle. Wissenschafter der Universität Zürich haben
jetzt neurobiologische Determinanten dieses menschlichen Verhaltens entdeckt.
Ihre Forschungsergebnisse werden in der kommenden Ausgabe der Wissenschaftszeitschrift
Nature publiziert.
Ohne Vertrauen wäre der private, gesellschaftliche und politische Alltag nicht denkbar. So
erfordert ein funktionierender Markt Vertrauen, denn wenn wir unseren Geschäftspartnern
nicht ein Minimum an Vertrauen entgegenbringen, kommt kein Geschäft mehr zustande.
Auch für die Demokratie gilt: wenn das Vertrauen in die politische Führung und die politischen
Institutionen verloren geht, dann bricht die politische Legitimation zusammen. Der
Gewinn, den wir aus unserem sozialen Verhalten ziehen können, hängt daher zu einem
hohen Grad auch davon ab, wie stark unsere Fähigkeit ausgebildet ist, anderen zu vertrauen.
Ohne Vertrauen wäre das Zusammenleben unerträglich.
Zahlreiche Forschungsergebnisse aus der Psychologie, den Rechtswissenschaften und der
Ökonomie zeigen, wie wichtig soziale und institutionelle Randbedingungen für die Existenz
von Vertrauen sind. So stärken etwa das Vertragsrecht und unabhängige Gerichte das
Vertrauen in Geschäftsabschlüsse, indem sie für die Vollstreckung freiwilliger Vereinbarungen
sorgen.
Vertrauensförderndes Hormon
Wenig weiss man hingegen noch über die Biologie des Vertrauens. Welche biologischen
und psychologischen Voraussetzungen ermöglichen Menschen, Vertrauen auszubilden?
Welche neurobiologischen Grundlagen tragen dazu bei, dass wir auch völlig Fremden unser
Vertrauen schenken?
Ein Forschungsteam der Universität Zürich mit den Wirtschaftswissenschaftlern Ernst
Fehr, Michael Kosfeld (beide Institut für Empirische Wirtschaftsforschung) und dem Psychologen
Markus Heinrichs (Psychologisches Institut) konnte jetzt zeigen, dass das Hormon
Oxytocin eine wichtige Rolle für das menschliche Vertrauen spielt. Probanden, denen
Oxytocin durch die Nase verabreicht wurde, haben ein signifikant grösseres Vertrauen in
andere Menschen als Probanden, denen ein Placebo verabreicht wurde. Dieser Einfluss von
Oxytocin auf das Vertrauen ist jedoch nicht einfach eine Folge einer allgemein angestiegenen
Risikobereitschaft. Wie die Experimente der Zürcher Wissenschafter vielmehr deutlich
machen, beeinflusst das Hormon spezifisch die individuelle Bereitschaft für soziale Risiken
im Umgang mit anderen Menschen. "Mit unserer Studie haben wir die ersten Bausteine
der biologischen Basis von Vertrauen entdeckt", erläutert Mitautor Michael Kosfeld.
"Unsere Ergebnisse eröffnen die aufregende Aussicht, bald noch weitere Bausteine der
Biologie des prosozialen Verhaltens zu finden."
Die Forschungsresultate stimmen mit den Ergebnissen aus der Forschung an Tieren überein,
die auf die entscheidende Rolle von Oxytocin für prosoziales Verhalten hingewiesen
haben. Bei nichtmenschlichen Säugetieren besitzt das Oxytocin eine Schlüsselposition für
die Paarbindung, die mütterliche Fürsorge, das Sexualverhalten sowie die soziale Bindungsfähigkeit.
Ausserdem vermindert das Hormon Ängstlichkeit und die neuroendokrine
Antwort auf sozialen Stress. Männliche Präriewühlmäuse beispielsweise, die zahlreiche
Oxytocinrezeptoren in den Belohnungsarealen ihres Gehirns besitzen, sind monogam und
kümmern sich um ihren Nachwuchs. Die mit ihnen genetisch nahe verwandte Bergwühlmaus
hingegen, die kaum Oxytocinrezeptoren in den Belohnungszentren ihres Gehirns
besitzt, ist polygam und die Männchen zeigen keine elterliche Fürsorge.
Behandlung von sozialen Disfunktionen
Bei Menschen wird Oxytocin während des Stillens, der Geburt und während des Orgasmus
ausgeschüttet. Wie der Zürcher Psychologe Markus Heinrichs in einer früheren Studie gezeigt
hat, reduziert Oxytocin die Ängstlichkeit und steigert den stressausgleichenden Effekt,
den soziale Unterstützung hervorruft. "Unsere neuesten Ergebnisse könnten positive
Auswirkungen auf die Behandlung von Patienten mit psychischen Störungen im Bereich
des Sozialverhaltens haben. Zu diesen Störungen gehören etwa soziale Phobie und Autismus.
" Die soziale Phobie ist die dritthäufigste psychische Störung. Menschen mit sozialer
Phobie haben Angst in sozialen Situationen und vermeiden Kontakte. Die Wissenschaftler
gehen davon aus, dass Oxytocin die psychotherapeutische Behandlung sozialer Ängste
entscheidend ergänzen könnte.
Kontakte:
Ernst Fehr, Direktor des Instituts für Empirische Wirtschaftsforschung, Universität Zürich,
Telefon: +41 44 634 3709,
E-Mail: efehr@iew.unizh.ch
Markus Heinrichs, Psychologisches Institut, Abteilung Klinische Psychologie und Psychotherapie,
Universität Zürich, Telefon: +41 44 634 4457,
E-Mail: m.heinrichs@psychologie.unizh.ch
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Medizin, Psychologie, Wirtschaft
überregional
Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsergebnisse
Deutsch
Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.
Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).
Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.
Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).
Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).