DGPPN: In neuen Bundesländern medizinische Versorgung nicht mehr gewährleistet
Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) fordert bessere und eindeutigere Versorgungsstrukturen für die Therapie von Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen. "Unser bisheriges Versorgungssystem zeigt", so der Präsident der DGPPN, Professor Dr. Fritz Hohagen, in seiner Einschätzung der Lage, "entscheidende Mängel in der patientenorientierten Versorgung. Wir haben in Deutschland zwar eine große Anzahl von ärztlichen und psychologischen Psychotherapeuten zur Versorgung von i. d. R. leichter Erkrankten. Dagegen ist aber die Basis-Versorgung der Betroffenen mit schweren chronischen psychischen Erkrankungen völlig unzureichend." Zu diesen Krankheiten sind u.a. die Psychosen, die schweren Persönlichkeitsstörungen und die schweren Depressionen zu zählen.
Die Ursachen dafür liegen vor allem in einer viel zu geringen Anzahl von niedergelassenen Fachärzten für Psychiatrie und Psychotherapie sowie in der massiven Unterfinanzierung der psychiatrischen Basisversorgung. So stehen pro Arzt und Patient nur 40 Euro pro Quartal zur Verfügung, was real zwei Patientenkontakte in einem Vierteljahr erlaubt. Besonders schlecht ist die Versorgung in den neuen Bundesländern. Dort kommen auf einen Nervenarzt etwa 20.000 Patienten. Nach Auffassung der DGPPN ist damit eine flächendeckende psychiatrisch-psychotheraputische Versorgung der Bevölkerung nicht mehr gewährleistet.
Vor allem die Umsetzung der Reform der "Einheitlichen Bewertungsmaßstäbe (EBM)" wird nach Ansicht der DGPPN weiter zu der schlechten Versorgungssituation im Bereich der Fachärzte beigetragen. Professor Hohagen: "De facto ist heute eine Situation zu konstatieren, dass immer weniger Ärzte immer mehr Patienten in kürzerer Zeit zu behandeln haben. Besonders dramatisch wirkt diese Situation sich im Bereich der psychiatrischen Basisversorgung aus. Denn die jetzt geplante Art der Umsetzung des EBM erlaubt in keiner Weise mehr eine adäquate Versorgung von Menschen mit schweren psychiatrischen Störungsbildern."
Hintergrund dieser Forderung der DGPPN ist das aktuelle Gutachten des "Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklungen im Gesundheitswesen" sowie der vor wenigen Wochen erschienene DAK-Gesundheitsreport 2005. Sowohl das Gutachten des Sachverständigenrates als auch der DAK-Gesundheitsreport verweisen auf einen stetig ansteigenden Trend bei den psychischen Erkrankungen: Mittlerweile gehen fast zehn Prozent der Fehltage bei den aktiv Berufstätigen auf seelische Krankheitsursachen zurück. Alarmierend ist vor allem, dass in den jüngeren Altersgruppen ein überproportionaler Anstieg der psychischen Erkrankungen zu verzeichnen ist: Besonders stark betroffen ist die Altergruppe der 15-28 jährigen Frauen sowie der 15-34 jährigen Männer. Experten bezeichnen daher Angststörungen und Depressionen bereits heute als die Volkskrankheiten der Zukunft.
Für unsere Gesellschaft und unser Gesundheitssystem ebenfalls relevant ist die altersbedingte Zunahme bei den Demenz-Erkrankungen, etwa die so genante Alzheimer Krankheit. Der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Professor Jörg-Dietrich Hoppe, hat nicht zuletzt wegen dieser Fakten in einer Stellungnahme Demenz und psychische Erkrankungen als "prioritäre Probleme einer alternden Gesellschaft" hervorgehoben und angekündigt, dass der nächste Ärztetag sich eingehend mit diesen Problemen beschäftigen werde.
Fragt man nach den tiefer liegenden Ursachen dieser Zunahme von seelischen Erkrankungen in unserer Gesellschaft, so sind nach Ansicht der DGPPN eindimensionale Erklärungsmodelle kaum ausreichend. Vielmehr, so Professor Hohagen, ist es notwendig, in dem Verständnis und der Erklärung von Krankheitsursachen sowohl biologische als auch soziale und psychische Aspekte zu berücksichtigen. Allgemein verständlich ist, dass aktuelle Konflikte um so besser gelöst werden können, je positiver und ermutigender eine Kindheit verlaufen ist. Gibt es allerdings familiäre Häufungen von schweren psychischen Störungen, verläuft die Kindheit eventuell durch frühen Tod oder Verlust von Bezugspersonen belastet und kommen aktuelle und scheinbar nicht lösbare Lebenskonflikte und -probleme hinzu, etwa Arbeitslosigkeit oder Trennung vom Partner, dann können diese zu einem Auslöser von schwerwiegenden psychischen Erkrankungen werden. Ferner scheinen geschlechtsspezifische Aspekte im Hilfesuchverhalten ebenfalls eine Rolle zu spielen.
Mit Nachdruck setzt sich die DGPPN daher für integrierte und übergreifende Versorgungssysteme ein, in denen störungsspezifische Therapiemodelle im Vordergrund stehen. Dazu gehört auch die Entwicklung von entsprechenden Leitlinien zur Behandlung von psychischen Erkrankungen wie etwa der Depressionen oder Angststörungen.
Kontakt:
Prof. Dr. Fritz Hohagen
Präsident der DGPPN
Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie,
Psychotherapie und Nervenheilkunde
c/o Hauptgeschäftsstelle Berlin
Reinhardtstraße 14
D-10117 Berlin-Mitte
Tel. 030 - 2809 6601 /02
Fax 030 - 2809 3816
Mail: t.nesseler@dgppn.de
Internet: www.dgppn.de
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