idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
10.06.2005 18:08

"Was Kinder (und Eltern) brauchen"

Christel Lauterbach Presse, Kommunikation und Marketing
Justus-Liebig-Universität Gießen

    Schwerpunktheft der Zeitschrift "UNIVERSITAS" - Prof. Dr. Uta Meier fordert "öffentliche Verantwortung für das Aufwachsen von Kindern"

    Prof. Dr. Uta Meier, Professur für Wirtschaftslehre des Privathaushalts und Familienwisssenschaften an der Justus-Liebig-Universität Gießen, fordert im Schwerpunktheft "Was Kinder (und Eltern) brauchen" der Zeitschrift "UNIVERSITAS. Orientierung in der Wissenswelt" gute und verlässliche infrastrukturelle Angebote für Kinder und Eltern.

    Die bundesdeutsche Gesellschaft verfügt heute über das weltweit dichteste System einer technisch-apparativen Versorgung für schwangere Frauen mit einer ständig sich erhöhenden Anzahl von empfohlenen Kontrolluntersuchungen. Ärzte stufen inzwischen etwa 70 und 80 Prozent aller Schwangerschaften als "kontrollbedürftige Risikofälle" ein und überwachen damit selbst normal verlaufende Schwangerschaften immer intensiver.
    Demgegenüber sind infrastrukturelle Angebots- und Versorgungsstrukturen für Familien nach der Geburt von Kindern bisher völlig unterentwickelt: Die von der Arbeiterwohlfahrt in Auftrag gegebene Studie "Gute Kindheit - Schlechte Kindheit" belegt, dass 43 Prozent aller Kinder, die in mindestens zwei zentralen Lebensbereichen (Ernährung, kultureller und sozialer Bereich, Gesundheit) Defizite aufwiesen, keinerlei professionelle Unterstützung im Sinne einer gezielten Frühförderung erfahren hatten. Werden solche Unterversorgungslagen nicht bearbeitet, potenzieren sie sich tendenziell entlang des weiteren Lebensverlaufs. Gerade Kinder aus bildungsarmen Herkunftsfamilien sind bisher durch ein "Zuviel an Familie" und ein "Zuwenig an familien- und kindbezogenen Infrastrukturen" benachteiligt worden.
    Untersuchungen belegen die überproportionalen Kariesprävalenz- und Übergewichtsraten bei Grundschulkindern aus bildungs- und einkommensarmen Familienhaushalten, Entwicklungsverzögerungen im kognitiven, sprachlichen und motorischen Bereich, aber auch eine erhöhte Frühgeburtlichkeit und die unregelmäßige Inanspruchnahme von Vorsorgeuntersuchungen und Impfungen. Über 30 Prozent dieser Kinder werden deshalb nicht regulär eingeschult. Angesichts dieser Fakten - so Uta Meier-Gräwe - hilft es nicht weiter, gebetsmühlenartig an die Elternverantwortung zu appellieren, sondern das Kind muss in den Mittelpunkt gestellt werden. Hier sind Familienbildungs- und Kindertagesstätten, später Schulen und Horte von Nöten, in denen Kinderinteressen wahrgenommen werden müssen.

    Ganztagsangebote als erweiterte Bildungschance für Kinder und als Entlastungsfaktor familialer Lebensführung

    Professionell konzipierte Ganztagsschulen, bieten - wie Uta Meier-Gräwe in der UNIVERSITAS ausführt - sowohl für Eltern als auch für Kinder zahlreiche Chancen. Gerade für Kinder aus sozial benachteiligten Herkunftsmilieus können vielfältige und pädagogisch gut ausgestattete Ganztags-Betreuungsangebote einen elementar wichtigen Beitrag zur Chancengerechtigkeit bieten und damit etwa zum Durchbrechen des Teufelskreises von intergenerationeller Armut leisten. Allerdings setzt das voraus, sich von bestimmten "mittelschichtorientierten" Konzeptionen zu verabschieden, etwa nur dann bei der Erledigung der Hausaufgaben behilflich zu sein, wenn der betreffende Schüler/die Schülerin darum ersucht.
    Für Kinder mit Migrationshintergrund bieten Ganztags-Betreuungsangebote die Chance, gemeinsam mit deutschen Kindern ihren Alltag auch jenseits der Schulunterrichts vielfältig zu gestalten und das mit positiven Wirkungen für den Erwerb der deutschen Sprache und den Austausch zwischen unterschiedlichen Kulturen. Erfahrungsgemäß sind Kinder und Jugendliche als Akteure in ihren Herkunftsfamilien somit auch wieder diejenigen, die neue Erfahrungen und Anregungen in die familiale Alltagsgestaltung einbringen und damit zum "Austausch und der Assimilation von verschiedenen Kulturen" beitragen. Gefragt ist also ein intelligenter Umgang mit Differenz, anstatt diese Lern- und Lebensorte von Kindern vorschnell zu homogenisieren.
    Mit Blick auf unterschiedliche Familienformen sind verlässliche Ganztags-Betreuungsangebote besonders für alleinerziehende Mütter und Väter entlastend, indem Zeitstress abgebaut, eine Erwerbsbeteiligung möglich und soziale Isolation vermieden wird. Aber auch in anderen Familienkonstellationen eröffnen Ganztagsangebote eine verlässliche Zeitstrukturierung und eine befriedigende Work-Life-Balance für alle Familienangehörigen, so dass "Familienzeit", das heißt, die zeitgleiche Anwesenheit von Eltern und Kindern, auch de facto als gemeinsame Zeit genutzt werden kann. Zudem eröffnet sich dadurch insbesondere für Mütter die Möglichkeit, einer existenzsichernden Berufsarbeit nachzugehen, die ihrer Qualifikation entspricht. In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, dass die Qualität einer Mutter-Kind-Beziehung nicht von der Anwesenheitszeit der Mutter per se abhängt, sondern auch von der Zufriedenheit der Mutter mit ihrer Lebenssituation.
    Unerwünschte Nebenwirkungen werden nur dann eintreten, wenn die Qualität der Ganztagsangebote nicht an modernen Standards der Kindheits-, Familien- und Genderforschung orientiert wird, die fachliche Ausbildung nicht verbessert und erweitert wird oder wenn unter Hinweis auf die Finanzlage von Kommunen "Billiglösungen" gefahren werden, das heißt notwendige Investitionen für eine lebendige und vielfältige Bildungslandschaft ausbleiben.

    Außer dem Beitrag von Prof. Dr. Uta Meier umfasst das Schwerpunktheft "Was Kinder (und Eltern) brauchen" der UNIVERSITAS (5/2005) unter anderem folgende Beiträge:
    - Paul Nolte: Kinder brauchen Männer, Männer brauchen Kinder
    - Bernhard Bueb: Das Tor zur Freiheit - vom Recht der Jugend auf Disziplin
    - Reinhard Kahl: Die Kinder, das Humankapital und der Aufbruch in die Wissensgesellschaft
    - Uwe Bork: Das Ende der bürgerlichen Höflichkeit? Wider die Verachtung der guten Manieren
    - Katrin Müller-Walde: Lesen-Vorlesen - und was noch?

    Ein kostenloses unverbindliches Probeabonnement (zwei Hefte) kann beim Hirzel Verlag angefordert werden. Als kostenlose Beilage liegt der UNIVERSITAS alle zwei Monate eine kinderUNIVERSITAS, eine illustrierte Zeitschrift von Kindern für Kinder bei.

    Kontakt:

    Dirk Katzschmann
    Redaktion UNIVERSITAS
    Birkenwaldstraße 44
    70191 Stuttgart
    Tel.: 0711/2582-240
    E-Mail: Universitas@hirzel.de


    Weitere Informationen:

    http://www.hirzel.de/universitas
    http://www.kinderuniversitas.de


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    fachunabhängig
    überregional
    Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).