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11.06.1999 11:53

DFG richtet 15 neue Sonderforschungsbereiche ein

Dr. Eva-Maria Streier Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)

    Zum 1. Juli 1999 wird die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) 15 neue Sonderforschungsbereiche und fünf neue Transferbereiche einrichten. Dies beschloß der zuständige Bewilligungsausschuß in seiner Frühjahrssitzung. Insgesamt wird die DFG ab Juli 1999 282 Sonderforschungsbereiche an 59 Hochschulen fördern, für die rund 613 Millionen DM zur Verfügung stehen. In den Geistes- und Sozialwissenschaften sind fünf neue Sonderforschungsbereiche angesiedelt; vier neue Sonderforschungsbereiche werden in der Biologie/Medizin eingerichtet, zwei in den Natur- und vier in den Ingenieurwissenschaften. Die Zahl der Initiativen für das SFB-Progamm ist unverändert hoch. Die Verschärfung des Wettbewerbs führt zu einer ständig wachsenden Zahl von Ablehnungen.

    Sonderforschungsbereiche sind in der Regel auf zwölf Jahre angelegt und ermöglichen bei regelmäßiger strenger Begutachtung die Durchführung aufwendiger und langfristig konzipierter Forschungsvorhaben an Hochschulen. Die Wissenschaftler können mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen und auch mit der Wirtschaft kooperieren.

    Geistes- und Kulturwissenschaften

    "Umbrüche in afrikanischen Gesellschaften und ihre Bewältigung" ist Thema eines neuen Sonderforschungsbereichs an der Universität Hamburg. Seit Ende der Ost-West-Konfrontation durchläuft der Kontinent einschneidende Veränderungen überlieferter politischer, sozialer, ökonomischer, kultureller und religiöser Systeme bis hin zum Untergang und zur Neubildung von Staaten.
    Die gesellschaftlichen Umbrüche und ihre krisenhaften Zuspitzungen - ökonomische Verelendung, Destabilisierung und Entfremdung - haben dazu geführt, daß auf den Menschen in den betroffenen Regionen ein erheblicher Leidensdruck lastet, der konkrete Lösungen dringend macht.

    Der Sonderforschungsbereich "Judentum - Christentum: Konstituierung und Differenzierung in Antike und Gegenwart" an der Universität Bonn will das Verhältnis von Judentum und Christentum im weitgespannten Vergleich näher bestimmen. Dabei werden Identitätsbildungs- und Differenzierungsprozesse in der Antike thematisiert. In einem zweiten großen Themenkreis wird das Verhältnis der beiden Weltreligionen im Kontext der Shoa untersucht. Es wird gefragt, wie es zu dem gravierendsten Einschnitt in der Beziehung von Judentum und Christentum kommen konnte, welche Rückwirkungen die Shoa auf das Selbstverständnis der Religionen zeigt und welche Konsequenzen sich aus all dem für die Zukunft ergeben.

    Mit dem Wandel der Gesellschaft befaßt sich der neue Sonderforschungsbereich "Reflexive Modernisierung - Analysen zur (Selbst-)Transformation der industriellen Moderne" an der Universität München. Untersucht werden die Veränderung des Selbstverständnisses als Nationalstaatsgesellschaft durch die ökonomische, politische und kulturelle Differenzierung, die Erosion kollektiver Lebensmuster durch den seit den sechziger Jahren bestehenden Individualisierungsschub, die Veränderung der Rolle der Familie und der eingeschliffenen geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung, die Auswirkungen der sich abzeichnenden chronischen Unterbeschäftigung sowie die politische Dynamik einer als global wahrgenommenen ökologischen Krise, die das bisherige Naturkonzept in Frage stellt.

    "Mehrsprachigkeit", das Thema eines neuen Sonderforschungsbereichs an der Universität Hamburg, ist heute infolge von Migrationsprozessen weltweit zum Regelfall geworden. In Mikroanalysen sollen unterschiedliche Formen und Entwicklungen von Mehrsprachigkeit untersucht werden, wobei einerseits die Gemeinsamkeiten zwischen den verschiedenen Ausprägungen aufzudecken sind, andererseits differenzierende Faktoren identifiziert und ihre Bedeutung für das Gelingen von Mehrsprachigkeit, aber auch der damit verbundenen Probleme, ermittelt werden sollen. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse sollen in praktische Handlungsanleitungen münden, etwa in der Beratung, der Sprachausbildung oder durch wissenschaftliche Begleitung von Sprach- und Bildungsplanung in Deutschland und Europa.

    Im Sonderforschungsbereich "Umwelt und Region: Umweltanalyse und Umweltmanagementstrategien für eine nachhaltige Entwicklung im ländlichen Raum" an der Universität Trier soll am Beispiel der schwach strukturierten, ländlichen Region des Regierungsbezirks Trier eine Bewertung der Umweltqualität erfolgen und die weitere Entwicklung abgeschätzt werden, um entsprechende Maßnahmen zu entwickeln. Dabei werden ökologische, ökonomische und soziale Probleme berücksichtigt und ihre Ursachen in Wirtschaft, Gesellschaft, Politik, Recht und Kultur aufgedeckt.

    Biologie und Medizin

    Ziel des Sonderforschungsbereichs "Räumlich-zeitliche Interaktionen zellulärer Signalmoleküle" an der Universität des Saarlandes ist es, über die Analyse der Einzelstrukturen hinaus die Wechselwirkungen von Signalmolekülen in übergeordneten Funktionszusammenhängen und in Hinblick auf zell- und organspezifische Funktionen zu betrachten. So haben bestimmte Calciumkanäle, die in ganz unterschiedlichen Organen vorkommen, zwar einen fast identischen molekularen Aufbau, regulieren jedoch grundlegend verschiedene Funktionen, etwa im Muskel oder in zentralen Neuronen; entsprechend führen Mutationen zu schwerwiegenden neurologischen Symptomen.

    Der menschliche Organismus antwortet auf Infektionen oder Gewebeverletzungen mit akuten entzündlichen Reaktionen. Doch kann es auch zu Entzündungsreaktionen kommen, die chronische Erkrankungen hervorrufen. Eine ganze Reihe von Zellen sind in das Entzündungsgeschehen eingebunden, wobei die Signalübertragung zwischen den Zellen im wesentlichen durch sogenannte Zytokine erfolgt. Der Sonderforschungsbereich "Molekulare Mechanismen zytokingesteuerter Entzündungsprozesse: Signaltransduktion und pathophysiologische Konsequenzen" an der RWTH Aachen will zur Klärung der Pathobiochemie entzündlicher Erkrankungen auf molekularer Ebene beitragen und dabei vor allem die Prozesse untersuchen, an denen Zytokine beteiligt sind.

    Infektionskrankheiten stellen in tropischen Ländern die häufigste Todesursache dar. So werden jedes Jahr 500 Millionen Menschen allein von Malariaerregern infiziert. Die Resistenz von Erregern gegenüber Medikamenten und Insektiziden wächst, ein geeigneter Impfstoff fehlt, und die Akzeptanz bereits bestehender Kontrollmaßnahmen in der betroffenen Bevölkerung ist gering. Der Sonderforschungsbereich "Kontrolle tropischer Infektionskrankheiten" an der Universität Heidelberg vereint biomedizinische und sozialwissenschaftliche Ansätze und ist der Gesundheitssystemforschung zuzuordnen. Ziel ist es, wirksame Kontrollstrategien zu entwickeln und diese erfolgreich in die Bevölkerung tropischer Regionen einzubringen.

    Der Sonderforschungsbereich "Analyse und Modulation allergischer und autoimmunologischer Krankheiten" an der Universität Mainz vereint zwei durch immunologische Ungleichgewichte charakterisierte Krankheitsgruppen. Im Mittelpunkt stehen die zelluläre und molekulare Analyse allergischer und autoimmunologischer Krankheiten. Langfristig sollen Perspektiven für die Übertragung der experimentellen Befunde auf den Menschen und die Entwicklung neuer therapeutischer Strategien etwa durch den Einsatz spezifischer Immuntherapien eröffnet werden.

    Naturwissenschaften

    Die Erde ist wegen der hohen Temperatur in ihrem Kern einer dauernden Veränderung unterworfen. Abgesehen von Erdbeben und Vulkanausbrüchen laufen diese Vorgänge extrem langsam und im Erdinnern verborgen ab. Im neuen Sonderforschungsbereich "Rheologie der Erde - von der Oberkruste bis in die Subduktionszone" an der Ruhr-Universität Bochum wollen Geo- und Ingenieurwissenschaftler kooperieren, um die Rheologie der Gesteine, also ihr Verhalten unter nicht-statischen Bedingungen in den verschiedenen Stockwerken des Erdkörpers zu untersuchen. Welche Parameter bestimmen die Festigkeit der Oberkruste? Wie sind die Verhältnisse im Übergangsbereich von spröder Oberkruste und plastisch fließender Unterkruste? Wie ist der mechanische Zustand konvergenter Plattengrenzen? Wie unterscheidet sich das mechanische Verhalten mehrphasiger Gesteine von dem einphasiger Gesteine?

    Übergangsmetalloxide finden in vielen Bereichen Anwendungen: in Hochtemperatursupraleitern, in der nichtlinearen Optik, in der Biochemie und Katalyse. Im neuen Sonderforschungsbereich "Struktur, Dynamik und Reaktivität von Übergangsmetalloxid-Aggregaten" an der Humboldt-Universität zu Berlin sollen die Beziehungen aufgeklärt werden, die zwischen den Strukturen der verschiedenen Übergangsmetalloxid-Aggregate und ihren Funktionen bestehen. Dazu werden Gasphasen- und Oberflächenuntersuchungen gekoppelt: Zweiatomige Verbindungen sowie kleine Cluster von Übergangsmetalloxiden werden in der Gasphase erzeugt, charakterisiert und hinsichtlich ihrer Reaktivität untersucht.

    Ingenieurwissenschaften

    Während im Baugewerbe der Anteil von Neubauten vor zehn Jahren noch bei 70 Prozent lag, stehen heute Erhaltungsmaßnahmen und Veränderungen in der Nutzung eines Bauwerks im Vordergrund. Beispiele hierfür sind stillgelegte Fabriken, Postämter, Kasernen oder Bahnanlagen. Der neue Sonderforschungsbereich "Werkstoffe und Konstruktionen für die Revitalisierung von Bauwerken" an der Bauhaus-Universität Weimar will daher Modelle und Verfahren für ökologisch nachhaltiges Bauen und Bewirtschaften von Bauwerken zur Verfügung stellen. Dabei sollen auch Konzepte entwickelt werden, die zu einer entsprechenden Änderung in der Ausbildung von Bauingenieuren und Architekten beitragen.

    An der Technischen Universität Dresden wird der Sonderforschungsbereich "Textile Bewehrungen zur bautechnischen Verstärkung und Instandsetzung" eingerichtet. Ziel ist es, die Grundlagen für die Anwendungen neuartiger Verstärkungswerkstoffe, bestehend aus textilen Strukturen mit Glas-, Carbon- oder Kunststoffasern und Kunststoff- oder Betonmatrizes, zu schaffen. Geplant sind Untersuchungen zu den neuen Verbundwerkstoffen und ihre Verbindung mit dem alten Bauteil aus Beton oder Holz sowie Projekte zur bautechnischen Umsetzung und zur Sicherheit und Lebensdauer der zu verstärkenden Bauteile. Im Vordergrund steht eine schnelle Umsetzung der Erkenntnisse zur Sanierung bestehender Bauwerke.

    Im neuen Sonderforschungsbereich "Textilbewehrter Beton - Grundlagen für die Entwicklung einer neuartigen Technologie" an der RWTH Aachen stehen die Forschungsarbeiten an neuen Verbundwerkstoffen aus Glas-, Carbon- oder Kunststoffasertextilien im Vordergrund, die in eine Betonmatrix eingebettet sind. Mit diesem neuen Werkstoff soll es ermöglicht werden, dünnwandige und hochbelastete Bauteile mit guten mechanischen Eigenschaften in Serienfertigung zu produzieren. Im Mittelpunkt stehen die Auswahl und gezielte Weiterentwicklung der Rohstoffe für die Herstellung der Textilien und des Feinbetons, Untersuchungen zur chemischen und mechanischen Verträglichkeit im Verbund und die Zusammenhänge zwischen den Eigenschaften der Komponenten und dem Riß-, Verformungs- und Tragverhalten des Textilbetons.

    Mehrphasige fluide Reaktionssysteme zeichnen sich durch chemische Reaktionen in zwei oder mehreren miteinander in Kontakt stehenden Flüssigkeitsphasen aus und bestimmen das Verhalten einer großen Klasse von industriellen Prozessen. Das Verständnis kinetischer Phänomene und deren Zusammenwirken in einem mehrphasigen Reaktionssystem ist zur sicheren Auslegung von Apparaten in vielen Fällen jedoch noch nicht ausreichend. Im Sonderforschungsbereich "Modellgestützte experimentelle Analyse kinetischer Phänomene in mehrphasigen fluiden Reaktionssystemen" an der RWTH Aachen sollen die bisher weitgehend isoliert betrachteten Arbeitsschritte und Techniken zu einer möglichst allgemein anwendbaren Methodik zusammengeführt werden, wobei die methodischen Arbeiten in anwendungsorientierte Aufgabenstellungen eingebettet sind.

    Transferbereiche

    Zusätzlich wird die DFG im Rahmen bereits bestehender Sonderforschungsbereiche fünf Transferbereiche einrichten, um die Zusammenarbeit von Hochschulforschern mit Anwendern zu fördern. Ziel von Transferbereichen ist es, bei projektförmiger Konzeption prototypische Ergebnisse im vorwettbewerblichen Bereich zu erzielen; der kooperierende Anwender aus der Wirtschaft profitiert dabei vom Transfer wissenschaftlicher Neuerungen und kommt für die entstehenden Kosten selbst auf.

    Ziel des Transferprojekts "Internalisierung von heptahelikalen Rezeptoren und deren Liganden" an der Humboldt-Universität zu Berlin ist die Entwicklung von Liganden, mit denen Rezeptor tragende Tumoren des Magen-Darm-Traktes identifiziert und lokalisiert werden sollen. Die zum diagnostischen Einsatz der Tumoren vorgesehenen Liganden sollen sich durch hohe Spezifität und Verträglichkeit auszeichnen.

    Im Transferbereich "Operationales Prozeß- und Datenmanagement für Großprojekte im Anlagenbereich" an der Universität Erlangen-Nürnberg wird die Entwicklung und Erprobung eines Workflow-Management-Systems einschließlich einer Softwareinfrastruktur für den industriellen Anlagebau angestrebt. Die universitären Partner untersuchen dabei entwicklungstypische Aufgabenstellungen der Prozeß- und Datenintegration; die industriellen Anwender erwarten von der Zusammenarbeit eine wesentliche Verbesserung der Arbeitsabläufe.

    Der Transferbereich "Bau eines prototypischen ASIC-Chips zur Echtzeitbildanalyse" an der Universität Bochum geht aus einem Teilprojekt des Sonderforschungsbereichs "Neuronale Mechanismen des Sehens" hervor, in dessen Rahmen ein visuelles Modul zur stereoskopischen Tiefenmessung entwickelt wurde. Die Algorithmen zur Messung von Disparität von Stereobildern wurden softwaretechnisch implementiert, sie erlauben jedoch keine Realzeit-Analyse von Stereo-Videosignalen. Ziel des Transferbereichs ist es daher, eine Hardware-Einrichtung zur Ausführung des Algorithmus in Echtzeit zu entwickeln.

    Der Transferbereich "Prozeßintegrierte Qualitätsprüfung mit Qualitätsinformationssystem für metallische Bauteile des Maschinenbaus" an der Universität Hannover ist aus dem gleichnamigen Sonderforschungsbereich hervorgegangen und umfaßt vier Projekte: Ziel ist die Entwicklung von prozeßnahen Qualitätssicherungssystemen für das Plasmaschneiden, für das Unterwasser-Laserstrahlschneiden, für den Schleifprozeß bei Verzahnungen und für die Fertigung von Schmiedeteilen.

    Im Transferbereich "Volumenrekonstruktion und -visualisierung mittels Hardwarebeschleunigung" an der Universität Tübingen soll eine elektronische Steckkarte für PCs entwickelt werden, durch die es möglich sein wird, Volumendaten aus zweidimensionalen Projektionen mit hoher Geschwindigkeit zu rekonstruieren und anschließend zu visualisieren. Algorithmen für beide Aufgaben sind bekannt, allerdings sehr rechenintensiv. Der Transferbereich strebt daher durch die geplante Hardwareergänzung von PCs herkömmlicher Bauart eine höhere Bildqualität bei gleichzeitig verkürzter Rechenzeit gegenüber bisherigen, rein softwarebasierten Lösungen an.


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    fachunabhängig
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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