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30.06.2005 10:30

Gute Lage, schlechte Lage

Ramona Ehret Stabsstelle Kommunikation, Events und Alumni
Technische Universität Berlin

    Die Qualität der Lebenslagen von Berliner Sozialhilfeempfängern variieren geografisch

    Sozialhilfe ist in Hartz-Zeiten ein heißes Eisen. Zumal, wenn Medienberichte über "Florida-Rolf" und Co. mitunter arge Zweifel an der Rechtmäßigkeit finanzieller Ansprüche aufkommen lassen. Aber wie ist die Lebenslage von Sozialhilfeempfängern tatsächlich? Dieser Frage ging Kerstin Schmidtke in ihrer Magisterarbeit im Studiengang Gesundheitswissenschaften der TU Berlin nach - am Beispiel der Stadt Berlin.

    Als Grundlage diente ihr der Sozialhilfedatensatz der Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz - eine Stichtagserhebung vom 30. September 2003 mit rund 257.000 Fällen. Ziel war es, lebenslagenspezifische Differenzen innerhalb der Gruppe der Leistungsempfänger sowie zur Gesamtbevölkerung herauszustellen, und räumliche Unterschiede abzubilden. Dazu analysierte Schmidtke Daten über Schul- und Berufsbildung, Erwerbsstatus, Gesundheitszustand, Familienstand, soziales Netz, Einkommen und Wohnfläche (qm/Person) sowie Alter, Geschlecht, Dauer von Leistungsbezug und Arbeitslosigkeit und Kinderzahl.

    Fast 60 Prozent aller Sozialhilfeempfänger - Erwachsene wie Kinder und Jugendliche - leben in Berlin in defizitären Lebenslagen. "Generell kann man sagen: Je schlechter die Lebenslage, umso länger verbleiben die Menschen in der Sozialhilfe", erklärt Schmidkte. "Ebenso weist eine hohe Kinderanzahl einen Zusammenhang mit einer benachteiligten Lebenslage auf." Um soziale Problemknotenpunkte für das Berliner Stadtgebiet zu identifizieren, führte sie eine Faktoren- und Clusteranalyse durch.

    Eine sehr schlechte Lebenslage haben Sozialhilfeempfänger des westlichen Zent-rums (Kreuzberg, Wedding und Tiergarten). Hier leben überwiegend Migranten und kinderreiche Familien mit defizitärer Bildung, langer Bezugsdauer minimaler Wohnfläche (> 15qm) und benachteiligter Lebenslage. Im Norden und Nordosten (Spandau, Reinickendorf, Lichtenberg, Mahrzahn, Weißensee und Hohenschönhausen) sieht es besser aus. Hier leben überdurchschnittlich viele allein erziehende Mütter und arbeitslose Männer mit mittlerer Bildung, kurzer Bezugsdauer, durchschnittlicher Wohnfläche und ebensolcher Lebenslage. Im Südwesten (Charlottenburg, Wilmersdorf, Steglitz, Tempelhof, südl. Neukölln) sowie in Mitte gibt es vorwiegend ältere oder kranke und/oder pflegebedürftige Sozialhilfeempfänger. Prenzlauer Berg und Friedrichshain fallen durch eine gut gebildete Klientel auf. Wie generell im Osten. "Das könnte eine immer
    noch nachwirkende Folge des starken Zuzugs von Akademikern und Fachkräften in
    die "Hauptstadt" zu DDR-Zeiten sein", vermutet Schmidtke. Allerdings gibt es heute in den Ostbezirken deutlich mehr Erwerbslose als in anderen Stadtteilen. Nur sehr wenige Sozialhilfeempfänger leben in den grünen Außenbezirken wie Zehlendorf, Köpenick oder Treptow.

    Abgesehen von geographischen, gibt es auch alters- und geschlechtsspezifische Unterschiede. Zwischen 18 und 26 Jahren ist die Lebenslage eher schlecht, verbessert sich dann zwischen 27 und 34, um danach wieder abzusinken. Der Tiefpunkt ist meist im Rentenalter erreicht. Die Lebenslage von Frauen ist bis 35 deutlich besser als die der Männer, fällt dann aber ab. "Grund für ihre bessere Lage könnte sein, dass viele junge alleinerziehende Mütter über eine bessere Bildung verfügen und nur kurz Sozialhilfe beanspruchen, solange die Kinder klein sind", vermutet Schmidtke. "Ältere Frauen haben meist eine schlechtere Ausbildung und beziehen geringere Renten als gleichaltrige Männer."

    Fazit: Den Sozialhilfeempfänger gibt es nicht. Konsequenz? "Derartige Analysen erlauben es künftig, Handlungskataloge zu erstellen, um die Gelder der Kommunen nach Maßgabe der sozialen Brennpunkte sehr gezielt einzusetzen", sagt Schmidtke. In Kreuzberg könnten dies mehr Integrationsangebote für Migranten sein, im Norden der Stadt Kinderbetreuungseinrichtungen für Alleinerziehende und Beratungsstellen für Arbeitslose. Im Süden fehlen Kontaktzentren für ältere Menschen.

    Kerstin Schmidtke wurde für diese Arbeit mit dem Hertha Nathorff-Preis (1. Preis) der Ärztekammer Berlin ausgezeichnet und will ihre Forschungen im Rahmen einer Promotion fortsetzen. Derzeit arbeitet sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin des Landesamtes für Datenverarbeitung und Statistik in Nordrhein-Westfalen.
    Catarina Pietschmann

    Weitere Informationen erteilt Ihnen gern: Kerstin Schmidtke, Landesamt für Datenver-arbeitung und Statistik Nordrhein-Westfalen, Referat 311 (Demographische Analysen / Querschnittsanalysen FB 31), Tel.: 0211 / 9449-4357,
    Email: Kerstin.Schmidtke@lds.nrw.de


    Weitere Informationen:

    http://www.tu-berlin.de/presse/pi/2005/pi149.htm


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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