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13.07.2005 10:50

BSE-Lebendtest: Friedrich-Loeffler-Institut warnt vor übertriebenen Erwartungen

Dr. Michael Welling Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Senat der Bundesforschungsanstalten im Geschäftsbereich des BMELV

    Stellungnahme des Friedrich-Loeffler-Instituts zur Pressemeldung vom 11.07.05: 'Neuer Lebendtest funktioniert zuverlässig und im Frühstadium' und ähnlichen Meldungen

    Am Tierärztlichen Institut der Universität Göttingen wird seit einigen Jahren an der Entwicklung eines Lebendtests zur Entdeckung BSE-infizierter Rinder gearbeitet. Während ursprünglich ein 'Lebend-BSE-Test' beabsichtigt war, sollen mit dem jetzt vorgestellten Testsystem Tiere erkannt werden, die ein erhöhtes Risiko für eine BSE-Infektion aufweisen. Dies ist nicht identisch mit dem tatsächlichen Nachweis einer Infektion. Der Test entdeckt eine Veränderung bei kurzen Nukleinsäurefragmenten, die im Blut vorkommenden. Wie diese Veränderung mit einer erfolgten BSE-Infektion oder einem möglicherweise erhöhten Risiko für eine BSE-Infektion korreliert, ist unklar.

    Im Verlauf der nun vorgestellten Studie wurden Blutproben von rund 1.000 Rindern untersucht. Vier bereits an BSE erkrankte Tiere, die auch mit anderen Testmethoden problemlos erkannt werden können, wurden auch von diesem Test als BSE-infiziert nachgewiesen. Von 135 Tieren, die aus so genannten 'Risikoherden' stammten (d.h. Herden, in denen zuvor schon ein Fall von BSE aufgetreten war), erbrachte die Untersuchung bei 65 Prozent der Tiere ein positives Ergebnis. Nach allen bisherigen Erfahrungen, die im Verlauf der BSE-Krise im Vereinigten Königreich und in anderen EU-Mitgliedstaaten gesammelt wurden, übertrifft diese Rate aber bei weitem die Zahl an Infektionen, die in den betroffenen Herden (Kohorten; s.u.) zu erwarten ist.

    Selbst wenn angenommen wird, dass die derzeit eingesetzten BSE-Schnelltests infizierte Tiere zu Beginn der Inkubationszeit nicht erkennen können, geben epidemiologische Beobachtungen beispielsweise von Milchviehherden, in denen die Tiere teilweise deutlich länger als zwei Jahre gehalten werden, keinerlei Hinweise darauf, dass der Anteil der infizierten Tiere einer Kohorte einen Wert von 65 Prozent erreichen würde. Von den 379 bisher in Deutschland festgestellten BSE-Fällen wurde die Krankheit bis jetzt immer nur bei höchstens einem weiteren Tier der gleichen Kohorte nachgewiesen; und auch das war bislang lediglich in 10 Kohorten der Fall. Eine dritte BSE-Erkrankung in einer Kohorte wurde in Deutschland bisher nicht nachgewiesen. Dies deckt sich mit der Beobachtung, dass BSE in den meisten Fällen als Einzeltiererkrankung auftritt und nur selten mehrere Tiere einer Herde betroffen sind. Im Vereinigten Königreich, das eine erheblich höhere Infektionsrate aufwies als Deutschland, wurden seit 2001 insgesamt 4.244 Kohortentiere untersucht. Nur in vier Fällen wurde eine zweite BSE-Infektion nachgewiesen, in 11 weiteren Fällen sind die Untersuchungen noch nicht abgeschlossen. Auch hier kann also im Regelfall von einer Einzeltiererkrankung gesprochen werden. Hierzu ist auch festzustellen, dass gerade in dieser Gruppe eine erheblich größere Zahl an Tieren untersucht werden muss, um die Spezifität und damit die Brauchbarkeit des Tests verlässlich einschätzen zu können.

    Darüber hinaus berichten die Testentwickler, dass der Test bei 0,5 Prozent der gesunden Rinder ein positives Ergebnis erbracht hat. Dies weist ebenfalls darauf hin, dass der Test möglicherweise zu einer erheblichen Rate an falsch-positiven Ergebnissen führt. Die Testentwickler schlagen einen Einsatz des Tests als 'BSE-Risikotest' vor: Schlachttiere könnten bereits im landwirtschaftlichen Betrieb untersucht und nur im Falle eines negativen Ergebnisses zum Schlachthof transportiert werden. Umgekehrt heißt das natürlich auch, dass jedem Verdachtsmoment mit Hilfe umfangreicher Untersuchungen (nach dem Tod des Tieres) nachgegangen werden muss, wodurch beim Vorliegen falsch-positiver Ergebnisse ein erheblicher finanzieller Schaden entsteht. Bei einer gegenwärtigen Testrate von ca. 2,5 Millionen BSE-Tests im Jahr würden dabei mehr als 10.000 'Risikotiere' auftreten. Die Zahl der nachgewiesenen BSE-Fälle liegt dagegen derzeit bei deutlich unter 100 pro Jahr. Wie mit dieser Menge an Tieren, die in der Mehrzahl vermutlich völlig unschädlich sind, verfahren werden soll, bleibt unklar.

    Bisher ist beim Friedrich-Loeffler-Institut (FLI), der nationalen Stelle für die Zulassung von veterinärmedizinischen Infektionsdiagnostika, kein Zulassungsantrag für die nationale Zulassung als BSE-Test gemäß § 17c Tierseuchengesetz eingegangen. Auch ist der Test nicht in die EU-weite internationale Evaluierung von BSE-Tests eingebracht worden. Insofern bleiben hinsichtlich der Aussagekraft des Tests wichtige Fragen offen. Das FLI rät daher, den Test in einem international anerkannten EU-weiten Verfahren zu prüfen und die Resultate mit denen anderer Testsysteme zu vergleichen. Erst dann kann eine verlässliche Aussage zu der Qualität der erhaltenen Resultate getroffen werden.

    Stichwort: Kohorte
    Im Zusammenhang mit BSE ist häufig von Kohorten die Rede. Damit ist ein Teilbereich der Rinderherde des betreffenden Betriebs gemeint. Zu einer Kohorte gehören diejenigen Rinder, die in dem jeweiligen Betrieb 12 Monate vor bis 12 Monate nach dem betroffenen Tier geboren wurden (Geburtskohorte) bzw. Rinder, die nachweislich dasselbe Futter erhalten haben wie die betroffenen Tiere (Fütterungskohorte).


    Weitere Informationen:

    http://www.fli.bund.de - Homepage des Friedrich-Loeffler-Instituts


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Informationstechnik, Medizin, Tier / Land / Forst
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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