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23.06.1999 22:56

Die 300. Nierentransplantation bei einem Kind an der Charité

Dr. med. Silvia Schattenfroh GB Unternehmenskommunikation
Charité-Universitätsmedizin Berlin

    Besonderheiten der Transplantation bei Kindern.

    AUS DER MEDIZIN FÜR DIE MEDIEN Nr. 17 1999

    In den letzten 25 Jahren ist in Deutschland insgesamt 1000 Kindern durch eine Nierentransplantation ein neues Leben ermöglicht worden. Allein etwa ein Drittel der Transplantationen sind an der Charité durchgeführt worden, wo am Montag, dem 21. Juni 1999 dem 300. kleinen Patienten eine Niere verpflanzt werden konnte. Der Empfänger ist ein viereinhalb Jahre alter Junge, der an einer angeborenen Anomalie der Harnwege litt.
    Mit 300 Nierentransplantationen bei einem Kind verfügt die Charité - nach der Medizinischen Hochschule Hannover - über die größte Erfahrung mit dieser Art von Eingriffen bei Kindern in Deutschland. Dies dürfte auch so bleiben, denn von den zur Zeit etwa 80 in der Bundesrepublik jährlich auf Kinder übertragenen Nieren werden zwischen 18 und 33 Organe an der Charité verpflanzt. Dabei arbeitet die "Klinik für Urologie" (Leitung Professor Stefan Loening), wo der chirurgische Eingriff vorgenommen wird, eng mit der "Klinik für Kindernephrologie" zusammen, wo die kleinen Empfänger der Organe vor - und nachbetreut werden. Nach Angaben des Kommissarischen Leiters der Klinik, Privatdozent Dr. Guido Filler, hat die Nierentransplantation bei Kindern inzwischen gleich gute Ergebnisse wie bei Erwachsenen: Mehr als 80 % der Kinder leben auch nach 5 Jahren noch mit dem übertragenen Organ. Das Transplantat funktioniert bei 60 % der Empfänger 10 Jahre und länger. Bei einem kleinen Teil der Kinder muß allerdings die Transplantation wiederholt werden. Die 10-Jahres-Überlebensrate der Kinder erreicht nahezu 100%.
    Die Erkrankungen, die bei Kindern zur Organtransplantation zwingen, unterscheiden sich von denen Erwachsener. Während bei Erwachsenen Diabetes und Nierenversagen auf Grund von Schmerzmitteleinnahme vorherrschen, sind es bei Kindern zu einem Drittel angeborene Anomalien der Nieren und Harnwege, aber auch Nierengewebeschäden verschiedener Ursache, sagte Filler.
    Meistens erhalten Kinder Nieren von Erwachsenen. In der Charité hat man auch gute Erfahrung mit (Leichen-)Nieren von Kindern im Alter von weniger als 6 Jahren gemacht ("Pediatric Transplantation" [1997 ]1, 119-123). Seit 1977 sind hier 43 Nieren von Spendern unter 6 Jahren auf Ältere übertragen worden. Insbesondere nehmen die Charité-Ärzte bei sehr zarten Kindern gern eine Niere von einem kindlichen Spender. Wenn die Nieren sehr klein sind, kann man auch beiden Nieren en-bloc verpflanzen. Dies ist an der Charité bisher bei 7 Kindern geschehen und dieses Vorgehen hat zu einer besseren Funktion geführt als nach Verpflanzung einer einzelnen, größeren Niere. Die Gründe dafür sind noch nicht genau bekannt. Filler führt dies Ergebnis darauf zurück, daß die Zahl der Nephrone (der funktionierenden Niereneinheiten) in zwei Nieren höher ist als in einer, selbst wenn diese eine verhältnismäßig groß ist.
    Die Größe des Organs ist nicht nur bedeutsam, weil sie in den Bauchraum des Kindes passen muß, sondern auch, weil die Spenderniere mit dem Blutdruck des Empfängers harmonisieren muß. Bei kleinen Kindern ist der Blutdruck normalerweise sehr viel niedriger als bei Erwachsenen. Dies kann problematisch werden: So mußte bei einem Kleinkind, das in der Charité eine Niere seines großen Vaters erhielt, der Blutdruck medikamentös erhöht werden, damit die väterliche Niere im kindlichen Körper funktionierte.
    In Deutschland wird die Lebendspende von Kind zu Kind nicht durchgeführt. Als lebende Spender kommen eigentlich nur die Eltern, manchmal die Großeltern in Betracht, wobei die (wünschenswerte) genetische Verwandtschaft dann oft sehr hoch ist. In Berlin macht die Lebendspende für Kinder insgesamt nur 5-10%, in Hannover immerhin 30% und in Skandinavien sogar 90 % aller Nierenspenden aus.
    Der Krankenhausaufenthalt dauert für die Kinder 4-6 Wochen, vor allem, um dem besonders in den ersten Wochen hohen Risiko der Abstoßung des transplantierten Organs jederzeit wirksam begegnen zu können. Gegenüber früher sind die Kinder heute in einem besseren körperlichen Zustand, wenn sie zur Transplantation kommen. Dies liegt nach Filler daran, daß es heute möglich ist, die bei Niereninsuffizienz häufige Blutarmut (Anämie) durch Gabe von blutbildenden Faktoren (Erythropoeitin) weitgehend zu verhindern und auch durch Verordnung von Wachstumshormon den sonst häufigen Rückstand im Längenwachstum mindestens zu verlangsamen. Sofern möglich, meldet man die Kinder bereits dann bei Eurotransplant (der zentralen Vergabestelle für Spenderorgane im holländischen Leiden) an, wenn abzusehen ist, daß die Niere innerhalb von Wochen ihre Funktion aufgeben wird. So läßt sich auch oft die belastende Dialyse verhindern.
    Nach der Operation brauchen die Kinder eine ständige ärztliche und zum Teil auch psychologische Betreuung. Offenbar ist es nicht immer einfach für die Eltern, die Kinder anzuleiten, auf Dauer und immer regelmäßig Medikamente einzunehmen, die die Organabstoßung verhindern sollen. Wenn die Kinder von klein auf daran gewöhnt sind, so scheint dies leichter zu gelingen, als wenn sie erst nach dem 10.Lebensjahr und damit in der Phase der Pubertät ein Organ erhalten. Zumindest ist den Berliner Ärzten aufgefallen, daß in der Pubertät die meisten Abstoßungskrisen stattfinden. Dies könnte damit zusammenhängen, daß in diesem Alter die Jugendlichen mit ihrem Körperbild oft unzufrieden sind. Denn während sie vor der Transplantation gewöhnlich untergewichtig waren, nehmen sie danach häufig stark an Gewicht zu.Wenn sie dann plötzlich erheblich abnehmen, in Einzelfällen bis zu 8 kg, so liegt zumindest der Verdacht nahe, daß sie das Immunusuppressivum Cortison weggelassen haben.
    In Zukunft, so Filler, wird man für jedes einzelne Kind zu einem individuell angepaßten Therapieprotokoll zur Verhinderung von Abstoßungsreaktionen kommen. Denn außer Cortison und Cyclosporin A (den wichtigsten Mitteln zur Verhinderung der Organabstoßung) sind inzwischen zwar zahlreiche neue immunsuppressive Medikamente entwickelt worden, einstweilen aber nur für den Einsatz bei Erwachsenen. Ihre Wirksamkeit und Sicherheit bei Kindern muß aber erst noch in klinischen Studien belegt werden. Die Charité ist daran führend beteiligt und Filler ist der Leiter der ersten entsprechenden europäischen Studie, die bis November 1999 abgeschlossen sein wird.
    Silvia Schattenfroh


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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