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01.08.2005 14:35

Geweberegeneration verläuft anders als erwartet

Dr. Andreas Trepte Abteilung Kommunikation
Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V.

    Bad Nauheimer Max-Planck-Forscher decken Mechanismus auf, über den
    adulte Stammzellen in Skelett- oder Herzmuskelgewebe aufgenommen
    werden

    Embryonale und adulte Stammzellen gelten als die Hoffnungsträger für
    neue Therapieformen, mit denen die Regeneration von zerstörten
    Geweben und Organen möglich werden soll. Zwar haben sich die
    Hinweise verdichtet, dass diese Zellen tatsächlich das Potential zur
    Reparatur zerstörter Gewebeteile haben, doch die dem zugrunde
    liegenden Mechanismen werden kontrovers diskutiert. Wissenschaftler
    des Max-Planck-Instituts für Herz- und Lungenforschung in Bad
    Nauheim haben jetzt in Zusammenarbeit mit Kollegen der
    Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg gezeigt, dass adulte
    Stammzellen mittels eines Mechanismus, der auf der Ausschüttung von
    Botenstoffen basiert, die auch Immunzellen aktivieren, mit Fasern der
    Skelettmuskulatur verschmelzen. Obgleich den Stammzellen selbst die
    Fähigkeit zu fehlen scheint, sich zu voll funktionsfähigen Muskelzellen zu
    transdifferenzieren, werden sie durch Verschmelzung in den
    Gewebeverband integriert. Im Herzmuskelgewebe funktioniert dieser
    Mechanismus jedoch so nicht. Mögliche positive Effekte von Stammzellen
    im Herzen scheinen eher auf anderen Phänomenen zu beruhen. Die
    Beobachtungen der Bad Nauheimer Forscher stellen die Anwendung von
    adulten Stammzellen als simple Bausteine für eine Gewebereparatur in
    Frage und weisen den Weg zur Nutzung von Stammzellen als Produzenten
    von Botenstoffen (Genes & Development, August 2005).

    Stammzellen sind noch völlig unspezialisierte Zellen, aus denen dann ganz verschiedene Zelltypen
    hervorgehen können. In der Embryonalentwicklung sind die so genannten embryonalen Stammzellen der
    Ursprung für die sich entwickelnden Organe. So bilden sich unter dem Einfluss bestimmter
    Wachstumsfaktoren während der Embryogenese beispielsweise Stammzellen des embryonalen
    Bindegewebes (mesenchymale Zellen) zu Muskelzellen um.
    Andere Stammzellen, die so genannten adulten Stammzellen, spielen hingegen während des gesamten
    Lebens eine wichtige Rolle. Beispielsweise sorgen Stammzellen des Knochenmarks für den Nachschub
    kurzlebiger Blutzellen. Von solchen lokal in verschiedenen Geweben und Organen vorkommenden
    Stammzellen vermutete man bisher, dass sie an der Reparatur bzw. der Aufrechterhaltung von
    Organfunktionen beteiligt sind.
    Umstritten ist die Meinung, dass adulte Stammzellen das Potential zur Transdifferenzierung besitzen, also
    in der Lage sind über Organgrenzen hinwegzuspringen. Danach könnten sich Knochenmarkstammzellen
    zu ganz verschiedenen Gewebezellen umwandeln, wie zum Beispiel zu Skelettmuskelzellen.
    Wissenschaftler um Thomas Braun, Direktor am Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung,
    haben jedoch mittels verschiedener Nachweisverfahren heraus gefunden, dass bei mesenchymalen
    Stammzellen ein solches Potential zur Transdifferenzierung nur ansatzweise ausgebildet ist: In allen
    Fällen, in denen aus mesenchymalen Stammzellen tatsächlich voll funktionsfähige Skelettmuskelzellen
    hervorgegangen sind, erfolgte das durch Fusion der Stammzellen mit vorhandenen, bereits fertigen
    Muskelzellen.
    In ihren Experimenten an kultivierten mesenchymalen Stammzellen konnte die Bad Nauheimer Forscher
    zwar zeigen, dass diese Zellen eine Reihe Herz- und Skelettmuskulatur-spezifischer Gene exprimieren,
    wenn sie zusammen mit bestimmten Wachstumsfaktor-produzierenden Zellen kultiviert wurden. Doch
    obwohl bei den Zellen auch morphologische Änderungen zu beobachten waren, fanden sich letztlich
    keine voll funktionsfähigen Muskelzellen.
    Diese entstanden erst dann, wenn die mesenchymalen Stammzellen zusammen mit Skelett- oder
    Herzmuskelzellen kultiviert wurden. Darauf wiesen grün leuchtende Muskelzellen hin, deren Färbung
    nach Fusion aus zuvor mit einem grün fluoreszierenden Farbstoff markierten Stammzellen stammte. Im
    Gegensatz dazu fanden sich keine derart markierten Zellen, wenn die Stamm- und Muskelzellen zwar
    zusammen in einem Gefäß kultiviert wurden, aber durch eine Membran räumlich getrennt waren, was die
    Fusion unterband. Das werten die Wissenschaftler als eindeutigen Beweis dafür, dass ausschließlich eine
    Fusion mesenchymaler Stammzellen und Muskelzellen stattfindet und keine Umwandlung von Stamm- in
    Muskelzellen. Mittels Versuchen, in denen so genannte chimäre Mausembryonen aus Stammzellen mit
    verschiedenen Mausmutanten hergestellt wurden, konnte zudem der molekulare Mechanismus
    entschlüsselt werden, welcher der Fusion zu Grunde liegt. Die Stammzellen bedienen sich dabei
    augenscheinlich eines Signalweges ("IL4/NFAT"), der auch bei der Aktivierung von T-Lymphozyten
    eine Rolle spielt.
    Die von Thomas Braun und seinen Mitarbeitern erhobenen Befunde könnten wichtige Konsequenzen für
    mögliche therapeutische Ansätze mit adulten Stammzellen haben: So widerlegen ihre Daten die
    vorherrschende Meinung, dass Knochenmarks-stämmige oder lokale Stammzellen - nach einer
    Transdifferenzierung zu Muskelzellen - an einer Regeneration der Herz- und Skelettmuskulatur beteiligt
    sind. Vielmehr scheinen diese Zellen einen solchen Mechanismus nur "vorzutäuschen", indem sie mit
    Zellen des sich regenerierenden Gewebes fusionieren. Das verändert die Sicht einer Stammzelltherapie
    zur Regeneration der Skelett- oder Herzmuskulatur erheblich.
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Informationstechnik
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer
    Deutsch


     

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