Jenaer Internisten fanden Kriterien, um alte Patienten richtig einzuschätzen
Jena. (29.06.99) Ärzte beurteilen alte Patienten häufig falsch, übersehen deren Depressionen und unterschätzen das Sturzrisiko. Zu diesem Ergebnis kam eine Arbeitsgruppe um Professor Dr. Hans Bosseckert von der Jenaer Universitäts-Klinik für Innere Medizin I, nachdem ältere Patienten während eines Kliniksaufenthaltes und anschließend zu Hause untersucht worden waren. Als Hauptaufgabe dieser vom Thüringer Wissenschaftsministerium geförderten Studie sollten die Internisten allgemeingültige Kriterien finden, nach denen Mediziner ihre alten Patienten richtig einschätzen und ihnen eine genaue Prognose für die Zeit nach ihrer Entlassung erstellen können. "Wir wollen wissen, was man bei welchem Kranken mit welchen Rehabilitationsmaßnahmen erreichen könnte", betont Bosseckert.
Bislang gab es keine Untersuchungsmethode, die das häusliche Umfeld alter Menschen, ihre Behinderungen und psychischen Probleme sowie eine beginnende Demenz übergreifend berücksichtigte. Frühzeitig erkannt, ließen sich jedoch viele Beschwerden lindern und eine Verschlechterung vermeiden oder wenigstens hinauszögern. Zunächst nahmen Bosseckerts Mitarbeiter eine Bestandsaufnahme der Lebenssituation von 142 Patienten im Alter zwischen 70 und 96 Jahren vor und analysierten deren Krankheiten und Behinderungen. Anschließend suchten sie mittels spezieller Fragebögen nach solchen Störungen, die ältere Menschen in ihrem Alltag einschränken.
Mit einem Fragebogen, dem Barthel-Index, wird untersucht, wie die Patienten ihr tägliches Leben bewältigen: ob sie sich alleine anziehen, die Toi-lette aufsuchen und essen können. Der Mini-mental-Test dagegen legt versteckte geistige Defizite offen, indem Kurzzeitgedächtnis, räumliche Wahrnehmung sowie zeitliche und örtliche Orientierung geprüft werden. Weiterhin untersuchten die Kliniker das Sturzrisiko ihrer Patienten mit Geh- und Balance-Tests. Danach wurden die Kranken in eine schlechte, mäßige und gute Leistungsgruppe mit speziellen Rehabilitationszielen eingeordnet. Am Tag der Entlassung und nach drei Monaten kontrollierten die Mediziner das Ergebnis. Demnach waren die Rehabilitationserfolge in der leistungsschwachen Gruppe eher gering, während Kranke aus der mittelmäßigen Gruppe gute Fortschritte machten.
"Oft sind die Patienten allein für die Zuwendung dankbar und wenn jemand auf ihre altersspezifischen Behinderungen eingeht", erklärt die Ärztin Annett Geyer, die gemeinsam mit Christian Hubold die Untersuchungen leitete: "Denn gerade die Angst vor dem geistigen Abbau und vor einer Demenz ist das Schlimmste für die alten Leute." Die Ergebnisse der Jenaer Uni-Klinik zeigen, daß man rechtzeitig Behinderungen erkennen kann. "Aber in der Praxis haben Ärzte selten so viel Zeit für ihre Patienten", so Annett Geyer; zudem werde die wichtige Krankengymnastik kaum noch bezahlt. Und Prof. Bosseckert bestätigt: "Zwar wissen wir jetzt etwas besser, wie man den geistigen und körperlichen Verfall der Patienten hinauszögern kann. Aber unter den restriktiven gesundheitspolitischen Entscheidungen ist das kaum möglich." Erschwerend käme hinzu, daß Betagte bei ihrem Arzt seltener klagen als junge Menschen. Oft hieße es nur: "Das ist das Alter."
Deshalb spielen Hausärzte bei der Beurteilung alter Patienten eine entscheidende Rolle. "Sie kennen die Menschen seit vielen Jahren und besitzen ihr größtes Vertrauen", betont der Internist. Jetzt fordert er eine bessere Geriatrie-Ausbildung für Medizinstudenten. "Da in Deutschland immer mehr alte Menschen leben, müssen wir umdenken, und lernen, sie gerecht und richtig einzuschätzen."
Ansprechpartner:
Prof. Dr. Hans Bosseckert
Tel.03641/939330, Fax: 939380
Friedrich-Schiller-Universität
Referat Öffentlichkeitsarbeit
Fürstengraben 1
07743 Jena
Tel.: 03641/931031
Fax: 03641/931032
e-mail: h7wohi@sokrates.verwaltung.uni-jena.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Gesellschaft
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.
Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).
Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.
Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).
Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).