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29.06.1999 13:50

Energiesparschaltung oder Störung der Stoffwechselkontrolle?

Robert Emmerich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Julius-Maximilians-Universität Würzburg

    Bei einer Blutvergiftung, bei chronischen Leber- oder Nierenerkrankungen oder auch nur durch den Kohlenhydratentzug beim Fasten fällt der Blutspiegel des aktiven Schilddrüsenhormons T3 stark ab. Handelt es sich hier um eine Energiesparschaltung oder um eine Betriebsstörung der hormonellen Stoffwechselkontrolle? Dieser Frage gehen Wissenschaftler der Universität Würzburg nach.

    T3 ist das zentrale Hormon für die Kontrolle des Energiestoffwechsels, der Wärmeproduktion, des Wachstums und der Gehirnentwicklung beim Menschen und allen Wirbeltieren. Die Schilddrüse produziert das Hormon Thyroxin (T4), das vier Jodatome enthält, selbst nur wenige Wirkungen zeigt und in den verschiedenen Geweben in die aktive Hormonform T3 umgewandelt werden muss. Dies wird durch zwei Enzyme ausgeführt, die sogenannten Dejodasen, in deren aktiven Zentren sich das Element Selen findet. Somit gibt es eine enge Wechselbeziehung zwischen der biologischen Wirkung der essentiellen Spurenelemente Jod und Selen. Beide sind nur in geringen Konzentrationen in der üblichen Nahrung des Menschen vorhanden. Bei verschiedenen medizinisch verordneten Diäten oder bei strikten Veganern, die keinerlei tierische Produkte zu sich nehmen, werden Jod und Selen dem Körper nicht in ausreichender Menge zugeführt und sollten dann zur Vermeidung von Mangelerscheinungen ergänzt werden.

    In einem neuen, durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projekt von Prof. Dr. Josef Köhrle soll in der Abteilung für Molekulare Innere Medizin der Medizinischen Poliklinik untersucht werden, ob eines der beiden selenhaltigen Enzyme, die Typ I Dejodase, unter den oben aufgezählten Bedingungen nicht richtig funktioniert oder ob sie planmäßig abgeschaltet wird, um den von T3 abhängigen Stoffwechsel gewissermaßen auf Sparflamme zu bringen.

    Die Arbeitsgruppe von Prof. Köhrle hat bereits das menschliche Gen für dieses Enzym kloniert und auf Chromosom 1 lokalisiert. Auch Organisation und Kontrollstruktur des Gens wurden aufgeklärt und funktionell untersucht. Dabei fanden die Forscher auf der DNA besondere Stellen, die möglicherweise für die Abschaltung der Genaktivität unter den eingangs genannten "Störungsbedingungen" verantwortlich sind. Die Funktion dieser Schalt- und Steuerelemente wollen sie nun mit molekular- und zellbiologischen Verfahren sowie über das künstliche Ausschalten des Gens in menschlichen Zellkulturen aufklären.

    Prof. Köhrle: "Bemerkenswert hierbei ist, dass diese Elemente gewebespezifisch geschaltet werden, in der Leber anders als in der Niere, der Schilddrüse selbst oder der Hypophyse." Dies erinnert an Systeme der Feinsteuerung, wie sie zum Beispiel bei der Elektrizitätsversorgung eingesetzt werden: Durch regionale Transformatoren sind Anpassungen an den lokalen Bedarf und Verbrauch möglich, denn ein plumpes An- und Abschalten der Energieproduktion im Kraftwerk wäre unökonomisch, nicht bedarfsgerecht und mit großen Verlusten beim Energietransport verbunden.

    Solchen Steuerungsprinzipien folgen auch die meisten Hormonsysteme. Allerdings ergeben sich daraus auch Nachteile: Aus Hormonmessungen im Blut oder anderen Körperflüssigkeiten kann man nicht mehr unbedingt und direkt auf die lokale Hormonversorgung oder -produktion eines Organs wie Leber oder Herzmuskel schließen. Hier müssen neue gewebespezifische Biomarker gefunden werden, die im jeweiligen Zellsystem als Endpunkt der Hormonwirkung einfach und sicher gemessen werden können und im Fall der Schilddrüsenhormone gewissermaßen als Energieverbrauchszähler des Organs geeignet sind.

    In der Arbeitsgruppe von Prof. Köhrle wurde zudem beobachtet, dass die lokale T3-Produktion durch die Typ I Dejodase auch in Tumoren abgeschaltet wird. Hier ist ebenfalls unklar, ob dies eine Gegenreaktion der Zelle ist, um den Tumor "auszuhungern", oder ob es sich um eine Fehlsteuerung handelt, die den Tumor der hormonellen Kontrolle entzieht. Dies zu erforschen, wird der zweite Aspekt des Würzburger Projektes sein.

    Weitere Informationen: Prof. Dr. Josef Köhrle, T (0931) 201-7101, Fax (0931) 201-7107, E-Mail:
    j.koehrle@mail.uni-wuerzburg.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Informationstechnik, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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