Klinische Ethikberatung für Patienten, Angehörige und Mitarbeiter am Universitätsklinikum Jena etabliert
Jena (16.08.05) Moderne Medizin und technischer Fortschritt machen heute vieles möglich. Doch muss tatsächlich immer alles gemacht werden, was technisch machbar ist? Ist nicht besonders am Lebensende oft "weniger Apparateeinsatz" gleich "mehr humane Medizin"? Doch wer entscheidet im Ernstfall, was wirklich nötig ist und was nicht? Bei solchen und ähnlichen ethischen Grenzfragen bietet das Universitätsklinikum Jena (UKJ) jetzt seinen Patienten, deren Angehörigen und den eigenen Mitarbeitern eine besondere Beratungsmöglichkeit: Die klinische Ethikberatung.
Die Hilfestellung bei ethischen Konflikten erfolgt durch die Mitglieder des interdisziplinären Ethikkomitees des Klinikums, dem neben Medizinern auch Juristen, Psychologen, Pfleger, Philosophen und Seelsorger angehören. "Wir leben in einer Gesellschaft mit zunehmender weltanschaulicher Vielfalt. Mit dem Fortschritt der Medizin und der Betonung individueller Werte geraten wir immer häufiger auch in ethische Konfliktsituationen", erläutert Dr. Birgitt van Oorschot die Notwendigkeit eines Beratungsangebotes zu ethischen Problemen. Laut der Ärztin, die dem Ethikkomitee am UKJ vorsitzt, handelt es sich dabei meist um emotional schwierige Entscheidungssituationen am Lebensende. Dr. van Oorschot: "Es geht fast immer um die Frage, wie eine Behandlung weitergeführt werden soll. Das kann z. B. heißen, dass Angehörige die Ärzte um einen Abbruch der Therapie bitten, um ein sinnloses Leiden der schwerkranken Patienten abzukürzen. Oder im Gegenteil immer neue Behandlungen einfordern, um das Unvermeidliche hinauszuzögern." Solche Situationen können zu Konflikten führen, die im hektischen Klinikalltag nicht einfach aufzulösen sind. Ein Ausweg ist dann die Bitte um Unterstützung durch die ehrenamtlichen Ethikberater.
Diese bringen alle Beteiligten zu einem vertraulichen Gespräch zusammen und suchen gemeinsam nach ethisch begründeten und für alle akzeptablen Lösungen. "Es gibt dabei kein richtig oder falsch, sondern nur die Frage danach, was für den Patienten gut ist", erklärt Dr. Ulrike Skorsetz, Doktor der Philosophie und Ethikberaterin. "Wir bieten auch keine Lösungen an, sondern helfen lediglich als Außenstehende den Betroffenen, eine Entscheidung zum Wohl des Patienten zu treffen, mit der alle leben können".
Das neu etablierte Angebot folgt einem Trend aus den USA, der in Deutschland bisher vor allem an konfessionellen Krankenhäusern umgesetzt wird. An deutschen Unikliniken ist eine Ethikberatung jedoch noch ein junges und seltenes Angebot. Bisher wurden die Jenaer in sechs Fällen um ethischen Rat gebeten. Jeder kann die Hilfe der Ethikberater anfordern - Patienten, Angehörige, Pflegende und Ärzte. "Wir sind positiv überrascht, wie gut das Angebot angenommen wird", so Ulrike Skorsetz. In allen Fällen konnte eine einvernehmliche Lösung gefunden werden. "Es hat sich auch bei uns bestätigt, dass die Konflikte zu 90 Prozent aus Kommunikationsproblemen und Missverständnissen entstehen, die in einem ruhigen Gespräch aufgelöst werden können." Maximal eine Stunde dauert ein solches Gespräch. Die Entscheidung über die weitere Therapie trifft auch danach nur der behandelnde Arzt, doch jetzt im Wissen um die Sorgen und Ängste von Patienten, Angehörigen und Pflegenden.
Kontakt:
Dr. med. Birgitt van Oorschot
Vorsitzende des Klinischen Ethikkomitees, Klinik für Strahlentherapie, Universitätsklinikum Jena
Tel. 03641/933290
E.Mail: birgitt.oorschot@med.uni-jena.de
Dr. phil. Ulrike Skorsetz
Leiterin der Geschäftsstelle des Ethikkomitees am Universitätsklinikum Jena
Tel. 03641/933770
E-Mail: ulrike.skorsetz@med.uni-jena.de
http://www.med.uni-jena.de/kek
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Medizin, Philosophie / Ethik, Religion
überregional
Organisatorisches, Wissenschaftspolitik
Deutsch
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