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05.09.2005 12:32

WSI: Stabilisierung des Tarifsystems verhindert Risiken für Beschäftigung

Rainer Jung Abt. Öffentlichkeitsarbeit
Hans-Böckler-Stiftung

    Gesetzliche Eingriffe in die Tarifautonomie, etwa durch die Neudefinition des Günstigkeitsprinzips oder durch Möglichkeiten zur Tarifunterschreitung ohne Beteiligung der Tarifvertragsparteien, würden zu einem grundlegenden tarifpolitischen Systemwechsel führen und dadurch die ökonomischen und sozialen Steuerungsfunktionen der Tarifpolitik weiter drastisch schwächen. Wirtschaft und Beschäftigung drohen in diesem Fall Risiken auf zwei zentralen Feldern: Die Berechenbarkeit bei der Lohnfindung würde deutlich abnehmen, die Binnennachfrage weiter geschwächt. Zu diesem Ergebnis kommt das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung in einer Analyse der aktuellen tarifpolitischen Entwicklung. Eine Stabilisierung des Tarifsystems sei notwendig, um solche negativen Effekte zu verhindern, so die WSI-Tarifexperten Dr. Reinhard Bispinck und Dr. Thorsten Schulten in der aktuellen Ausgabe der WSI-Mitteilungen. Zu dieser Stabilisierung solle auch der Gesetzgeber beitragen.

    Die Längsschnitt-Daten des WSI zeigen, dass die Bundesrepublik bei der Differenzierung und Flexibilisierung des Flächentarifvertrages mittlerweile im europäischen Vergleich relativ weit fortgeschritten ist. Drei große Trends beobachten die Wissenschaftler für die letzten Jahre:

    - Die Prägekraft des Tarifsystems hat aufgrund der sinkenden Tarifbindung abgenommen. Die weißen Flecke auf der Tariflandkarte werden größer. Die Verbindlichkeit der Tarifstandards ist im Zuge der starken Verbreitung von tariflichen Öffnungsklauseln ebenfalls zurückgegangen.

    - Die Verteilungsbilanz der Tarifpolitik weist seit Jahren durchweg sehr moderate Lohnabschlüsse auf, die trotz gewerkschaftlichen Bemühens um höhere Ergebnisse deutlich unterhalb des Verteilungsspielraums aus Preis- und Produktivitätsentwicklung blieben. Die Entwicklung der effektiven Einkommen blieb hinter der Tarifentwicklung zurück ("negative Lohndrift"). Die Einkommensdifferenzierung nahm zu und der Niedriglohnsektor weitete sich aus.

    - Die tariflichen Arbeitszeitstandards wurden immer weiter flexibilisiert und in einigen Tarifbereichen auch (wieder) heraufgesetzt. Im Ergebnis ist eine Tendenz zur Verlängerung der effektiven Arbeitszeiten zu konstatieren.

    Die ökonomischen Auswirkungen dieser Entwicklung sind sehr zwiespältig, so die Wissenschaftler. Zwar habe sich einerseits die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Exportwirtschaft drastisch verbessert. Doch auf der andern Seite trug die Lohnpolitik auch zur anhaltenden Stagnation auf dem Binnenmarkt bei. Die vielfach versprochenen positiven Auswirkungen der Lohnzurückhaltung auf den Arbeitsmarkt sind ausgeblieben.

    Um eine weitere äußere und innere Erosion des Tarifsystems zu stoppen, ist nach Einschätzung der WSI-Experten eine rechtlich institutionelle Stabilisierung des Tarifsystems erforderlich. Dazu zählen erleichterte Allgemeinverbindlicherklärungen oder auch die Ausweitung des Entsendegesetzes. Für die Branchen und Berufe, für die keine angemessene tarifliche Regelung vereinbart werden kann, sollten dann laut WSI verbindliche gesetzliche Definitionen sozial akzeptabler Mindeststandards vorgenommen werden, beispielsweise durch Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns.


    Weitere Informationen:

    http://www.boeckler.de/cps/rde/xchg/hbs/hs.xsl/320_38333.html


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Politik, Recht, Wirtschaft
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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