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15.07.1999 00:00

Steuer- und Sozialversicherungssysteme in Europa

Claudia Braczko Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Institut Arbeit und Technik

    Steuer- und Sozialversicherungssysteme in Europa und ihre Wirkungen auf Frauenerwerbstätigkeit und die Entscheidung für oder gegen Kinder - Institut Arbeit und Technik koordiniert europäisches Forschungsprojekt

    Mit einer Steuer- und Sozialversicherungspolitik, die Männer als Alleinverdiener der Familie in den Mittelpunkt und die Frauen an den Herd stellt, lässt sich zukunftsgerichtete Familienpolitik im heutigen Europa nicht mehr realisieren. Der Trend zur Erwerbstätigkeit von Frauen ist ungebrochen und zeigt weiter steigende Tendenz. Ob Paare dabei ihre Entscheidung für oder gegen Kinder treffen, hängt weniger von finanziellen Ent- oder Belastungen ab, als vielmehr von den Möglichkeiten, Erwerbs- und Familienarbeit - etwa durch den Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen - zu vereinbaren.

    Das geht aus einem Ländervergleich der Europäischen Kommission zu "Begünstigungen und Belastungen familialer Erwerbs- und Arbeitszeitmuster in Steuer- und Sozialversicherungssystemen" hervor, der vom Institut Arbeit und Technik (IAT/Gelsenkirchen) koordiniert wurde. An den Untersuchungen in zehn europäischen Ländern waren 18 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus zehn Forschungsinstitutionen beteiligt.

    In der Mehrheit (58 Prozent) aller Paarhaushalte in den untersuchten Ländern arbeiten beide Partner. Einzige Ausnahme bildet Spanien mit nur ca. einem Drittel Zweiverdienerhaushalten, wobei auch hier der Trend der Frauenerwerbstätigkeit auf eine rasante Zunahme hindeutet. "Zur Jahrtausendwende ist das dominante familiale Erwerbsmuster von Paaren nicht mehr das Ernährermodell, sondern der Zweiverdienerhaushalt", so die IAT-Wissenschaftlerin Dr. Irene Dingeldey. Zweiverdienerhaushalte mit der Tendenz zu gleichen Arbeitszeiten für Männer und Frauen domininieren vor allem in Dänemark, Schweden, Portugal und der Bundesrepublik (Ost). In der Mehrheit der untersuchten Länder sind das Ernährermodell (also der männliche Alleinverdiener), die Vollzeit-Teilzeit-Kombination oder zwei Vollzeitarbeitsverhältnisse in Paarhaushalten etwa gleich verteilt. Dabei tendieren wiederum Frankreich, Belgien und Österreich zu egalitären Erwerbsmustern (gleich lange Arbeitszeiten), während in Westdeutschland Erwerbstätigkeit und Arbeitszeiten zwischen den Partnern (noch) stärker ungleich verteilt sind.

    Die Steuer- und Sozilversicherungsysteme tragen dem Trend zur zunehmenden Doppelerwerbstätigkeit bei Paaren zwar durch zunehmende Individualisierung Rechnung, das Ernährermodell bzw. die Ungleichverteilung der Arbeitszeiten von Männern und Frauen wird allerdings in den meisten Ländern weiterhin begünstigt. Dabei stellt die Studie jedoch fest, dass sich auch in Ländern mit Splittingsytemen wie in Deutschland verheiratete Frauen trotz der hohen Grenzsteuersätze für das zweite Einkommen kaum mehr vom Arbeitsmarkt ausschließen lassen. Dies hat zur Folge, dass faktisch das modernisierte Ernährermodell, in dem überwiegend die Frau teilzeit arbeitet, durch das Steuersplitting in seiner Verbreitung in Deutschland stark unterstützt wird.
    Dabei ist allerdings anzunehmen, dass sich die Konzentration der vom Staat gewährten finanziellen Begünstigungen auf das Ernährermodell - und damit für den (Teil-)Rückzug der Frauen vom Arbeitsmarkt - prinzipiell negativ auf die Entscheidung für die Elternschaft auswirken.

    Finanzielle Unterstützungen des Ernährermodells mindern zwar die ökonomischen Konsequenzen bei der Wahl der Mutterschaft in Kombination mit dem Reduzieren des Arbeitsangebots. "Für viele Frauen stellt dies jedoch weder einen Ausgleich für verlorene Karrierechancen noch für soziale und ökonomische Unabhängigkeit dar", so die IAT-Wissenschaftlerin Dr. Irene Dingeldey. Insbesondere Länder, die Familie bzw. Kinder nur vor dem Hintergrund des Ernährermodells fördern, bestärken damit letztlich Entscheidungen, ausschließlich berufstätig zu sein und auf Kinder zu verzichten.

    So sind auch die Geburtenraten in den Ländern am höchsten, die relativ hohe Frauenerwerbsquoten haben bzw. die beste Unterstützung, z.B. durch öffentliche Einrichtungen, Erwerbsarbeit und Familienarbeit zu kombinieren. 1994 lag die Geburtenrate (TFR) in Schweden bei 1,88 und in Dänemark bei 1,81, während sie in Deutschland nur 1,34 und in Spanien nur 1,22 betrug. Der Anteil der Frauen des Jahrgangs 1955, die mindestens ein Kind zur Welt gebracht hatten, war 1991 in Westdeutschland und Österreich 80 Prozent. Dagegen lag die Zahl in Ländern, die ausgebaute Kinderbereuungseinrichtungen und ausgeprägte Mutterschafts- und Elternurlaubsregelungen aufweisen, höher: Dänemark 86 Prozent, Frankreich 91 Prozent, Schweden 84 Prozent.

    Daran wird deutlich, dass eine moderne Familienpolitik überhaupt nicht umhin kommt, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf auf der Basis egalitärer Erwerbsmuster zu unterstützen. Zentraler Bestandteil einer solchen Politik ist der Ausbau der öffentlichen Kinderbetreuungseinrichtungen. Zudem erscheint eine gezielte finanzielle Unterstützung für Haushalte mit Kindern, unabhängig davon, ob beide Eltern arbeiten oder nicht, ein wesentlich effizienteres Instrument für den Familienlastenausgleich zu sein, als das Ehegattensplitting. Dies gewährt nämlich zunehmend allein aufgrund des Trauscheins auch vielen materiell gut gestellten Paaren ohne Kinder erhebliche Steuererleichterungen.

    Irene Dingeldey: Begünstigungen und Belastungen familialer Erwerbs- und Arbeitszeitmuster in Steuer- und Sozialversicherungssystemen - Ein Vergleich zehn europäischer Länder, Graue Reihe des Instituts Arbeit und Technik 1999-04

    Die Kurzfassung der Länderstudien ist über www: http://iat-info.iatge.de einzusehen.

    Für weitere Fragen steht
    Ihnen zur Verfügung:
    Dr. Irene Dingeldey
    Durchwahl: 1707-341


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Wirtschaft
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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