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16.09.2005 12:41

Neue Strukturen in der Chemischen Industrie - Herausforderung oder Bedrohung?

Dr. Renate Hoer Abteilung Öffentlichkeitsarbeit
Gesellschaft Deutscher Chemiker e.V.

    GDCh-Pressekonferenz am 12. September 2005 in Düsseldorf
    Statement von Professor Dr. Utz-Hellmuth Felcht, Vorsitzender des Vorstands der Degussa AG

    Meine Damen und Herren,
    ein intensiver Strukturwandel prägt weltweit die Chemische Industrie. Dies spiegelt seit einigen Jahren das Aufbrechen der traditionellen, integrierten Chemiekonglome-rate wider. Heute haben sich viele dieser Mischkonzerne entweder auf Zielmärkte wie Agro oder Pharma fokussiert, agieren - wie Degussa - als Spezialchemieunternehmen oder sind Anbieter von Commodities.

    Dieser Strukturwandel wird sich mit großer Dynamik weiter fortsetzen. Verschärfend kommt hinzu, dass er in einem von der Globalisierung geprägten Umfeld stattfindet: Die Märkte in Europa und Nordamerika sind weitgehend gesättigt, attraktive Wachstumsraten finden wir heute vor allem in Asien und Osteuropa. Dort haben sich bisherige lokale Anbieter zu ernsthaften Konkurrenten für die etablierten Chemie-Unternehmen entwickelt. Und noch ein Faktor dürfte in den nächsten Jahren die Wettbewerbssituation erschweren: die zunehmende Verknappung und Verteuerung von Rohstoffen.

    Wie muss die Chemische Industrie auf diese Herausforderung reagieren?

    Die Antwort ist eine Doppelstrategie: Wir müssen zum einen die Wachstumschancen in den neuen Märkten, wie z.B. China oder Osteuropa, konsequent nutzen. Wir müs-sen zum anderen aber auch alles tun, um den Erfolg auf unseren Heimatmärkten abzusichern.

    Zunächst zu den weltwirtschaftlichen Wachstumsregionen. In der internationalen Chemie-Industrie kann heute und morgen nur bestehen, wer am rasanten Wachstum in den aufstrebenden Märkten teilnimmt. Das Paradebeispiel hierfür ist China. Der chinesische Markt hat in den letzten Jahren stetig an Bedeutung gewonnen. Seit Beginn der Reform- und Öffnungspolitik Ende der siebziger Jahre erreicht China stattliche Wachstumsraten in der Größenordnung von rund 8 Prozent. Der chinesische Lebensstandard wächst kontinuierlich. Durch den zunehmenden Wohlstand entsteht eine Mittelschicht, die sich die von uns hergestellten Produkte des gehobenen Bedarfs leisten kann. In China haben heute bereits 70 Mio. Menschen jährlich mehr als 10 000 US-Dollar netto zur Verfügung. Im Jahr 2015 werden es Schätzungen zufolge zehnmal so viele sein. Das sind 700 Mio. potenzielle Kunden!

    Da China mit seinem niedrigen Lohnniveau auch ein attraktiver Produktionsstandort ist, verlagern viele unserer Kunden ihre Aktivitäten dorthin. Auch dadurch ergibt sich die Notwendigkeit, vor Ort präsent zu sein. China ist im Übrigen mehr als ein attrakti-ver Produktionsstandort und hat auch in der Forschung & Entwicklung einiges zu bieten. So gründete Degussa vor kurzem ein Jointventure mit der chinesischen Jilin
    Universität. Bei diesem Gemeinschaftsunternehmen ist es der chinesischen Partner, der interessantes Know-how auf dem Gebiet von Hochleistungspolymeren einbringt, während wir das Vermarktungs-Know-how sowie das weltweite Vertriebsnetz beisteuern.

    Die Chancen in China zu nutzen darf aber nicht heißen, die Risiko-Faktoren auszu-blenden. Ich nenne hier - neben den sozialen Risiken - nur das Bankensystem sowie die Intellectual Property-Problematik. Und trotz aller China-Begeisterung sollten wir auch den Renditeaspekt stets im Auge behalten.

    Meine Damen und Herren,
    nun zum zweiten Teil der Doppelstrategie, der Sicherung unserer Heimatmärkte so-wie unserer traditionellen Forschungs- und Produktionsstandorte. Gelingen kann dies nur durch die Entwicklung intelligenter Produkte und Lösungen für den Kunden. Nur durch sie können wir uns im globalen Wettbewerb differenzieren, auch in reifen Märkten profitables Wachstum erwirtschaften und Arbeitsplätze sichern.

    Eine Schlüsselrolle spielen dabei Innovationen. In Asien, insbesondere in China, ist eine erhebliche Verstärkung der Forschungsaktivitäten zu beobachten. Das zeigen beispielhaft die Mittel, die in die Erforschung der Nanotechnologie fließen. Im Jahr 2003 hat China hier 480 Mio. US-Dollar investiert, Deutschland lediglich rund 220 Mio. US-Dollar. Mit einem gesamten Forschungsaufwand von etwa 2,5 Prozent be-zogen auf das Bruttoinlandsprodukt liegt Deutschland nur im Mittelfeld. Hier muss von uns allen mehr getan werden. Degussa wird deshalb ihre Forschungsquote bis zum Jahr 2008 von derzeit 3,1 Prozent in die Größenordnung von 4 Prozent bringen. Dahinter verbirgt sich eine beachtliche Steigerung von rund 350 Mio. Euro im Jahr 2004 auf dann etwa 450 Mio. Euro pro Jahr.

    Innovationen sind nur möglich mit hervorragend ausgebildeten Mitarbeitern. Noch sind die besten Fakultäten der deutschen Hochschulen international mit an der
    Spitze. Zudem genießen in Deutschland ausgebildete Wissenschaftler weltweit einen sehr guten Ruf. Diese Position ist aber gefährdet. Die chinesischen Ingenieure und Chemiker haben in den vergangenen Jahren gut aufgeholt; zahlreiche von ihnen waren in den USA, Japan oder Europa zur Ausbildung. Und es sind einfach viel, viel mehr. So gab es im Jahr 2004 in Deutschland insgesamt rund 200.000 Hochschulabsolventen, in China waren es circa 2,5 Mio.

    Neben der Innovationskraft müssen wir auch die Produktivität unserer traditionellen Standorte im Blick haben. Und es gilt, künftig noch schneller, noch flexibler auf Kun-denwünsche einzugehen und mit ihnen gemeinsam innovative Produkte für die Märkte von morgen und übermorgen zu entwickeln.

    Meine Damen und Herren,
    die weltwirtschaftliche Situation, mit der sich die Chemische Industrie heute konfrontiert sieht, ist anspruchsvoll. Simple Erfolgsrezepte gibt es nicht. Wir dürfen uns aber nicht in die Defensive drängen lassen. Wir haben es zu einem großen Teil selbst in der Hand, die Zukunft der Chemischen Industrie erfolgreich zu gestalten.


    Weitere Informationen:

    http://www.gdch.de


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Chemie, Wirtschaft
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungs- / Wissenstransfer, Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

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