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24.06.1997 00:00

Radio-Klänge aus dem All

Sabine Denninghoff Kommunikation
Fraunhofer-Gesellschaft

    Radio-Klaenge aus dem All

    Die weissen Flecken auf der Rundfunk-Landkarte verschwinden. Schon bald wird man selbst in den hintersten Winkeln Afrikas, Asiens und Suedamerikas Dutzende von Radioprogrammen in CD-Qualitaet empfangen koennen. Im kommenden Jahr werden drei Satelliten des US-Unternehmens WorldSpace International Network Inc. in den Orbit geschickt, sie sollen rund um die Uhr Radiosignale zur Erde senden. Das Verfahren zur Codierung der digitalen Audiosignale und die dazugehoerigen Empfangsgeraete wurden in Erlangen entwickelt.

    Knopfdruck genuegt: Hierzulande kann man zu jeder Tages- und Nachtzeit Dutzende verschiedener Radioprogramme empfangen, Nachrichten, Informations- und Musiksendungen kommen jederzeit in 1a-Qualitaet aus den Lautsprechern. Von einem solchen Radio-Luxus koennen Millionen von Menschen bisher nur traeumen: Wer im Herzen Afrikas, Suedamerikas oder Indiens ausserhalb der Reichweite der UKW-Sender lebt, der muss sich mit dem verzerrten Rauschen der Mittel- und Kurzwellensender zufriedengeben. Doch das soll sich bald aendern: Das US-Unternehmen WorldSpace will jetzt auch abgelegene Gebiete mit Radioprogrammen in hoechster Qualitaet versorgen - via Satellit.

    Einen Empfaenger, der die Audiosignale aus dem All ohne grosse Antennenschuessel empfangen, entschluesseln und in CD-Qualitaet wiedergeben kann, haben die Ingenieure vom Erlanger Fraunhofer-Institut fuer Integrierte Schaltungen IIS entwickelt und getestet. Waehrend eines vierwoechigen Feldversuchs wurde der Prototyp eines Satelliten-Radios auf Herz und Nieren geprueft: Ein Hubschrauber, der ueber Erlangen kreiste, lieferte die "Satelliten-Signale", waehrend Dutzende von Forschern das Verhalten des neu entwickelten Digital-Radios protokollierten. "Die Testergebnisse waren durchweg sehr gut", sagt Dr. Heinz Gerhaeuser, Leiter der Arbeitsgruppe fuer Drahtlose Telekommunikation und Multimediatechnik ADTM. Noah Samara, der Praesident des US-Unternehmens fuegt hinzu: "Diese Demonstration hat gezeigt, dass das WorldSpace-System funktioniert." Das neue Radio hat damit den Haertetest bestanden. Jetzt muss es noch bis zur Serienreife weiterentwickelt werden. "Wir sind sehr zuversichtlich, dass die Geraete puenktlich zum Start des WorldSpace-Systems auf den Markt kommen", erklaert Albert Heuberger, einer der Entwickler des Digitalen-Satelliten-Radios am Fraunhofer-Institut. Die integrierten Schaltkreise fuer die Empfangsgeraete werden bereits von SGS-Thomson in Italien und ITT Intermetall in Deutschland entwickelt.

    Der Countdown laeuft: Drei Radio-Satelliten will WorldSpace ab Mitte naechsten Jahres auf Ariane-Traegerraketen in den Orbit transportieren lassen: AfriStar soll geostationaer ueber dem afrikanischen Kontinent positioniert werden, AmeriStar wird ueber Mittel- und Suedamerika, AsiaStar ueber Asien stehen. Jeder der Satelliten wird mit drei Sendestrahlen - den "Beams" - ausgeruestet, die unterschiedliche Regionen abdecken sollen. Sie koennen selbst abgelegenste Doerfer mit etwa 50 verschiedenen Programmen versorgen. Jeder Beam kann maximal 96 Kanaele transportieren. Wird jeder Kanal mit einem Programm belegt, so hat man zwar keine CD-Qualitaet - die Kapazitaet von 16 Kilobit pro Sekunde liefert aber immerhin eine bessere Qualitaet als ein Kurzwellensender. Durch Zusammenfassen mehrerer Kanaele laesst sich die Qualitaet steigern: Bei acht Kanaelen bekommt der Hoerer bereits den Eindruck optimaler CD-Qualitaet. Wohlgemerkt: Es geht hier nicht um tatsaechliche, sondern nur um subjektive CD-Qualitaet: Fuer die Uebertragung digitaler Audiosignale muss die Datenrate erheblich reduziert werden. Genau hier war der Einfallsreichtum der Ingenieure am Fraunhofer-Institut gefragt.

    Das Geheimnis der Signaluebertragung im WorldSpace-System heisst MPEG Layer-3-Codierung: Die Daten werden dabei durch einen komplizierten Rechenprozess auf ein uebertragbares Mass eingedampft. Der Trick besteht darin, die Signale wegzulassen, die der Mensch ohnehin nicht hoert. "Auf diese Weise verhindern wir, dass die Klangqualitaet leidet", erklaert Heuberger. "Das menschliche Ohr kann Signale, die unter der Hoerschwelle liegen, nicht wahrnehmen. Man kann sie daher als irrelevante Informationen weglassen, ohne dass ein Qualitaetsverlust bemerkt wuerde." Insgesamt reduziert die Layer-3-Codierung der Erlanger Fraunhofer-Forscher die Audio-Daten auf einen Bruchteil ihrer urspruenglichen Dichte. In Zahlen: Bei der Reduktion von 1,4 Megabit auf 128 Kilobit - das ist der Faktor 11 - hoert man praktisch keinen Unterschied. Bei der Reduktion auf 16 Kilobit - das entspricht dem Faktor 80 - sind Qualitaetseinbussen zu hoeren, Sprache und Musik sind aber immer noch gut verstaendlich. Die abgespeckten Daten koennen nun ueber die Uplink-Stationen zu den WorldStar-Satelliten geschickt werden. Dort empfangen On-Board-Prozessoren die Informationen, demodulieren sie und ordnen sie einem der drei Beams zu. Die Signale werden nun noch einmal verstaerkt und anschliessend ueber die Antennen abgestrahlt. Wer sie empfangen will, braucht keine grosse Satellitenschuessel - ein Radio mit integrierter Flachantenne und eingebautem Decoder genuegt. Mit einem solchen tragbaren Empfaenger zum Stueckpreis von rund 200 US-Dollar koennen potentiell vier Milliarden Menschen das Programmangebot von WorldStar empfangen.

    Welche Programme das im einzelnen sein werden, ist zur Zeit noch nicht zu erfahren: Die Gespraeche der WorldSpace-Manager mit internationalen und nationalen Rundfunk-Betreibern sind noch nicht abgeschlossen. Sicher ist: In Sachen Digital-Radio wird die "Dritte Welt" Europa ueberholen. In der "Alten Welt" steckt der digitale Rundfunk immer noch in der Pilotprojekt-Phase. Hoerfunkprogramme sind uebrigens nicht das einzige, was man mit dem WorldStar-System uebertragen und empfangen kann: Auch Texte und Bilder lassen sich digitalisieren und in den Datenstrom einspeisen. "Die Uebertragung von Multimedia-Informationen laesst Telekommunikation, Computertechnik und Unterhaltungselektronik zusammenwachsen", erklaert Dr. Heinz Gerhaeuser. "Mit der Entwicklung der Audiocodierung fuer den digitalen Rundfunk haben Fraunhofer-Forscher bewiesen, dass die Unterhaltungselektronik zu innovativen Produkten stimuliert werden kann." Sein Team arbeitet zur Zeit an einem Empfaenger mit Display fuer das WorldSpace-System. Mit einem solchen Mini-Multimedia-Geraet koennten auch in entlegenen Gebieten Rundfunkprogramme sowie Kurzinformationen und Bilder mit niedriger Aufloesung empfangen werden - Knopfdruck genuegt!

    Was ist WorldStar? Das US-Unternehmen WorldSpace wurde 1990 gegruendet mit dem Ziel, Satellitendienste aufzubauen, die eine Ausstrahlung von Radioprogrammen in die heute unterversorgten Gebiete ermoeglichen. In die neue Technik werden insgesamt mehr als 800 Millionen US-Dollar investiert. An der technischen Realisierung waren Fraunhofer-Forscher vom Institut fuer Integrierte Schaltungen IIS massgeblich beteiligt. Sie sind nicht nur die geistigen Vaeter des Layer-3-Codierungsverfahrens, sondern haben zur Entwicklung des Uebertragungssystems und der portablen Geraete einen entscheidenden Beitrag geleistet.

    Ihr Ansprechpartner fuer weitere Informationen: Dr.-Ing. Heinz Gerhaeuser Telefon 0 91 31/7 76-2 00, Telefax 0 91 31/7 76-9 99 Fraunhofer-Institut fuer Integrierte Schaltungen IIS Am Weichselgarten 3, D-91058 Erlangen email: ghs@iis.fhg.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Informationstechnik
    überregional
    Es wurden keine Arten angegeben
    Deutsch


     

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