Von der 10. Fachgruppentagung Sozialpsychologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Jena (27.09.05) Aggression hat im normalen Sprachgebrauch eine negative Assoziation. Doch kann ein Boxer ohne Aggressionen jemals einen (fairen) Kampf gewinnen? Sind Aggressionen also gar nicht immer schlecht? Andererseits ist es sicher sinnvoll Wege zu finden, wie man aggressive Tendenzen in einer Gesellschaft wirkungsvoll eindämmen bzw. verhindern kann. Aggression ist daher auch ein wichtiges Forschungsfeld der Psychologie, dem sich heute (27.09.) die Teilnehmer der 10. Fachgruppentagung Sozialpsychologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena schwerpunktmäßig in einer Arbeitsgruppe gewidmet haben.
Eine Frage, mit der sich Psychologen schon sehr lange auseinandersetzen, ist: Wo muss man ansetzen, wenn man aggressives Verhalten, zum Beispiel unter Kindern und Jugendlichen, reduzieren oder verhindern will? In der Grundlagenforschung zeigen entwicklungspsychologische Studien, dass Kinder sich mit höherer Wahrscheinlichkeit aggressiv verhalten, wenn sie von ihren Eltern aggressiv erzogen oder aber emotional vernachlässigt worden sind. Persönlichkeitspsychologische Befunde demonstrieren, dass Aggressivität über die Lebensspanne hinweg erstaunlich stabil ist: Wer als Kind schon schwer zu bändigen war, der wird mit höherer Wahrscheinlichkeit auch als Erwachsener kriminell. Und in der Sozialpsychologie mehren sich die Befunde, nach denen gewalthaltige Medien durchaus Aggressionsbereitschaften auslösen können.
Was sagen uns diese Befunde? Liegt es an der Erziehung, wie aggressiv unsere Kinder sind? Sind die Medien schuld? Zeigt die enorme Stabilität der Aggressivität nicht, dass man eigentlich sowieso nichts verändern kann? "Falsch", ist sich Juniorprofessor Dr. Mario Gollwitzer sicher. "Bereits die Fragen sind falsch gestellt", meint der Psychologe von der Universität Koblenz-Landau.
"Erstens", so Gollwitzer, "werden nicht alle Kinder, die Aggression im Elternhaus erleben mussten oder die exzessiv gewalthaltige Computerspiele spielen, später zu Killern". Es muss also neben diesen so genannten "Risikofaktoren" auch Schutzfaktoren geben.
Zweitens: Im Einzelfall ist die Frage nach dem "Warum" weniger sinnvoll als die Frage nach dem "Wozu". Was will eine Person mit Aggression erreichen? Geht es ihr um Selbstbehauptung oder um soziale Anerkennung? Will sie jemandem etwas heimzahlen? Glaubt sie, sich abreagieren zu können? "Wann immer man über Einzelfälle diskutiert, sind solche Fragen viel wichtiger als die gegenseitigen Schuldzuschreibungen zwischen Eltern, Schule und Medien", so Gollwitzer.
Und drittens weist der Landauer Psychologe darauf hin, dass Aggressionen ja nicht immer nur "böse" sind. Ein Beispiel: Wenn wir uns für ein erlittenes Unrecht rächen, so handeln wir doch nicht aus Bosheit, sondern im Dienste der Gerechtigkeit. Gerade solche Rache-Aggressionen hat Gollwitzer in zwei neuen Studien untersucht, die er am Dienstag (27.09.) an der Jenaer Universität präsentiert hat.
Die Versuchspersonen in diesen Studien wurden entweder ärgerlich frustriert oder ungerecht behandelt. Im Anschluss daran wurde die Aggressionsbereitschaft gemessen. Der Versuchsaufbau erlaubte es festzustellen, ob die Versuchspersonen entweder aggressiv waren, weil sie hofften, dadurch in eine bessere Stimmung zu kommen, oder weil sie hofften, dadurch Gerechtigkeit wiederherzustellen. Im Ergebnis zeigte sich: Wenn man lediglich frustriert ist, dann versucht man, durch Aggression seine Stimmung aufzubessern. Wenn man aber ungerecht behandelt wurde, ist die Stimmungsaufbesserung nicht wichtig - hier geht es darum, dass der "Täter" bekommt, was er verdient. "Rache-Aggression", so Gollwitzers provokante These, "basiert also auf einem Bedürfnis nach Gerechtigkeit".
Dass "Rache-Aggression" nicht nur ein bloßes Abreagieren, sondern vielmehr eine gezielte Schädigung der verantwortlich zu machenden Person darstellt, legen auch die Befunde von Markus Denzler von der Internationalen Universität Bremen nahe, die heute im Rahmen der "Aggressions-Arbeitsgruppe" in Jena präsentiert wurden. Und Sebastian Jende und Jörg Neumann von der Universität Jena haben sich in ihrem Beitrag mit einer Möglichkeit beschäftigt, Aggressionen und Fremdenfeindlichkeit unter jugendlichen Straftätern zu reduzieren.
Aggression ist ein wichtiges, aber auch ein sehr komplexes Forschungsfeld: "Von der einen ultimativen Aggressionstheorie ist man zwar noch weit entfernt", gibt Gollwitzer zu, aber gerade das zeige, wie wichtig es ist, dass sich Forscher unterschiedlicher Disziplinen miteinander austauschen und gegenseitig Ideen geben - und die Jenaer Tagung, da waren sich die Teilnehmer der "Aggressions-Arbeitsgruppe" einig, hat zu diesem Austausch einen wichtigen Beitrag geleistet.
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Psychologie
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Tagungen
Deutsch
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