Jena. (27.07.99) Den diesjährigen "Preis für Internationale Verständigung und Menschenrechte" der Zwiener-Stiftung erhält die ruandische Menschenrechtlerin Yolande Mukagasana. Die 44jährige Überlebende des Bürgerkriegs und der ethnisch motivierten Massaker zwischen Tutsi und Hutu in Ruanda und Burundi wird für ihre Aufklärung der Mordeskalationen und ihre Rehumanisierungsarbeit nach Ende des bewaffneten Konflikts ausgezeichnet. Sie ist - nach dem polnischen Ministerpräsidenten Tadeusz Mazowiecki 1996 - erst die zweite Trägerin dieser mit 5.000 Mark dotierten, internationalen Auszeichnung, die von der 1995 gegründeten Zwiener-Stiftung in enger Zusammenarbeit mit dem Collegium Europaeum Jenense verliehen wird.
"Unsere Absicht ist es, Frau Mukagasana für ihre schier übermenschliche Arbeit zu danken, sie in ihrem Anliegen zu bestärken und zugleich das öffentliche Bewußtsein für die immer noch schwelenden Bürgerkriege im Herzen Afrikas und ihre weitreichenden Folgen zu schärfen", erläutert Stiftungsgründer Prof. Dr. Dr. Ulrich Zwiener, Pathophysiologe an der Friedrich-Schiller-Universität. "Es ist dort keinesfalls Ruhe und Frieden eingekehrt. Ohne eine langwährende Versöhnungspolitik zwischen den zerstrittenen Völkern ist ein erneutes Blutvergießen keineswegs auszuschließen."
Der offene Konflikt zwischen Tutsi und Hutu war nach einem Anschlag auf das Flugzeug des ruandischen Staatspräsidenten Habyarimana am 6. April 1994 ausgebrochen. In der Folge, so schätzt die Menschenrechts- und Hilfsorganisationen "Ärzte ohne Grenzen", kamen über eine Million Tutsi und Hutu in zum Teil bestialischen Massakern ums Leben; Hunderttausende flohen unter widrigsten Bedingungen ins benachbarte Burundi.
Yolande Mukagasana, die in ihrer Heimat als Anästhesie-Schwester arbeitete und später eine eigene private Krankenstation leitete, verlor in diesem Bürgerkrieg ihre engsten Angehörigen: ihren Ehemann Joseph Murekezi und ihre drei Kinder Alain Christian (16), Sandrine (15) und Nadine (14). Im Februar 1995 gelang ihr die Flucht nach Belgien, wo sie seitdem als Gesundheitsberaterin tätig ist. Trotz der an der eigenen Familie erfahrenen Greuel verschloß sich Yolande Mukagasana nicht, sondern hat der westlichen Öffentlichkeit mit zwei Büchern "La mort ne veut pas de moi" (1997) und "N'aie pas peur de savoir" (1999) eine Innensicht vom Bürgerkrieg und den Langzeitfolgen dargestellt und sich selbst in mehreren Projekten zur Rehumanisierung in ihrer Heimat engagiert.
Dabei wandte sie sich ebenso den Opfern zu, denen u. a. auch mit psychosozialen Langzeitprojekten geholfen werden muß, wie auch den Tätern, die sie zum Teil im Gefängnis aufsuchte. Gemeinsam mit "Ärzte ohne Grenzen" gründete sie ein Netzwerk der Hilfe, das Modellcharakter besitzt. Die meisten überlebenden Opfer sind durch Angst und Haß sprachlos geworden.
"Ganz wichtig ist, daß die Mauer des Schweigens durchbrochen wird", erklärt Prof. Zwiener, "das ist der erste Schritt für die gespaltene Gesellschaft, um wieder aufeinander zugehen zu können." ,Normalität' werde dort so schnell nicht einkehren, meint Zwiener, aber rasch müsse die immer noch wachsende soziale Destruktion aufgehalten werden. "Das können nur Tutsi und Hutu zusammen schaffen", so der Jenaer Professor, "unser Preis für Frau Mukagasana ist nur ein kleiner, vielleicht aber beispielgebender Beitrag."
Übrigens ist es keineswegs so, daß der Konflikt im fernen Afrika uns Europäer nicht betrifft. Weil die Landwirtschaft durch die schwelenden Bürgerkriege darniederliege, werde wieder verstärkt Brandrodung betrieben und zur Schuldentilgung auch mehr tropischer Regenwald als je zuvor abgeholzt, schildert Zwiener, die ökologischen Folgen für das Klima der Erde werden ohne baldige Korrektur dieser Zustände zwangsläufig sein.
Ansprechpartner:
Prof. Dr. Dr. Ulrich Zwiener
Tel.: 03641/938951, Fax: 938952
e-mail: boss@mit-n.uni-jena.de
Friedrich-Schiller-Universität
Referat Öffentlichkeitsarbeit
Dr. Wolfgang Hirsch
Fürstengraben 1
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