Ob Deutschland genug unternimmt, um die Gefahr durch Terroranschläge möglichst klein zu halten, untersucht Thomas Tartsch in seinem neu erschienenen Buch "Islamischer Fundamentalismus und Jihadismus - Bedrohung der inneren Sicherheit?". Die Sicherheitspakete I und II seien nur zum Teil geeignet, diesen Gefahren zu begegnen - so lautet eine der 20 Thesen, die Tartsch gegen Ende des Buches aufstellt. Der ehemalige RUB-Student (Sozialwissenschaft, 1999 - 2004) empfiehlt darin zum Beispiel die Integration der Muslime in die Mehrheitsgesellschaft durch eigene Anstrengung und glaubhafte Distanzierung. Er setzt vor allem auf langfristige Strategien, um die freiheitlich demokratische Grundordnung vor ungerechtfertigten Einschränkungen zu schützen.
Bochum, 28.09.2005
Nr. 299
Deutschland als islamischer Gottesstaat
Ehemaliger RUB-Student untersucht innere Sicherheit der BRD
Bekämpfung der Gefahr als Aufgabe von Jahrzehnten
Ob Deutschland genug unternimmt, um die Gefahr durch Terroranschläge möglichst klein zu halten, untersucht Thomas Tartsch in seinem neu erschienenen Buch "Islamischer Fundamentalismus und Jihadismus - Bedrohung der inneren Sicherheit?". Die Sicherheitspakete I und II seien nur zum Teil geeignet, diesen Gefahren zu begegnen - so lautet eine der 20 Thesen, die Tartsch gegen Ende des Buches aufstellt. Der ehemalige RUB-Student (Sozialwissenschaft, 1999 - 2004) empfiehlt darin zum Beispiel die Integration der Muslime in die Mehrheitsgesellschaft durch eigene Anstrengung und glaubhafte Distanzierung. Er setzt vor allem auf langfristige Strategien, um die freiheitlich demokratische Grundordnung vor ungerechtfertigten Einschränkungen zu schützen.
Parallelgesellschaften
"Es ist vorstellbar und wahrscheinlich, dass eine jihadistische Zelle in Zukunft ein Attentat in der Bundesrepublik Deutschland durchführen wird": Der Autor geht davon aus, dass momentan durch die Nicht-Teilnahme am Irakkrieg in Deutschland eine Schonfrist bestehe, dass sich dieser Zustand aber ebenso schnell ändern könne. Unterschwellige Gefahrenherde, wie ethnisch-religiös abgeschottete Parallelgesellschaften im Umfeld von Moscheen und Kulturzentren würden viel zu wenig beachtet. Dort habe islamisch-fundamentalistisches und jihadistisches Gedankengut einen großen Einfluss. Thomas Tartsch beschreibt in diesem Buch unter anderem, was in Deutschland bereits gegen den Jihadismus getan wird: Ein Beispiel dafür ist die ersatzlose Streichung des "Religionsprivilegs", Programmpunkt des Sicherheitspaketes I. Religiös motivierte extremistische Vereine können nun durch den Bundesinnenminister aufgelöst werden. Tartsch beurteilt solche Maßnahmen als unzureichend und erstellt eigene Empfehlungen. Es reiche nicht aus, der Bevölkerung lediglich ein psychisches Gefühl von Sicherheit zu vermitteln. Eine bessere Maßnahme sei zum Beispiel, mehr Mitarbeiter und Experten bei den Sicherheitsbehörden einzusetzen, um Jihadismus und islamischen Fundamentalismus effektiv bekämpfen zu können.
Unterschied zwischen Jihadisten und islamischen Fundamentalisten
Jihadisten sind laut Tartsch sich religiös legitimierende Terroristen und Anhänger einer globalen Jihaddoktrin. Ihr Ziel ist es, durch den "kleinen Jihad" (zulässige Form des Krieges zur Erweiterung des islamischen Herrschaftsbereiches) die ganze Welt in das Dar al-Islam - "Haus des Islam" - zu verwandeln. Islamische Fundamentalisten dagegen definiert Tartsch als Anhänger eines politisch-ideologischen Islam. Dabei sieht er in den islamischen Fundamentalisten wegen ihrer legalen und darum schwer zu verhindernden Tätigkeiten auf lange Sicht die größere Gefahr. Ihr Ziel ist es, einen islamischen Gottesstaat (Kalifat) in Deutschland zu errichten. Tartsch erläutert beide Ausformungen anhand ihres geschichtlichen Hintergrunds.
Autonome Kampfzellen
Mit der Entstehungsgeschichte der Al Qaida verdeutlicht er darüber hinaus die neuartige Bedrohung durch den Jihadismus. Durch Osama bin Ladens Tätigkeit als Unternehmensführer in einer Baufirma konnte er später westliche Management-Prinzipien und frühislamische Kooperationstechniken zusammenführen. Es entstanden durch die Zerschlagung der hierarchisch organisierten Struktur der ersten Al Qaida Generation autonome Kampfzellen, denen in Analogie zum betriebswirtschaftlichen "Franchising-System" volle Verantwortung für Planung und Ausführung von Attentaten übertragen wurde. Dadurch, dass diesen so genannten "shuadâ" (Märtyrer/Blutzeugen) als Lohn ein metaphysisches Leben im Paradies versprochen wird, sind alle herkömmlichen Abschreckungs- und Schutzstrategien gegen den Terrorismus wirkungslos. Vielmehr sind laut Autor präventive und repressive Strategien im gesellschaftlichen und politischen Raum nötig, die eine Symbiose aus "so viel Sicherheit wie nötig" und "so viel bürgerliche Freiheitsrechte wie möglich" darstellen.
Titelaufnahme
Thomas Tartsch: Islamischer Fundamentalismus und Jihadismus - Bedrohung der inneren Sicherheit? Reihe Politik, Bd. 2, Europäischer Universitätsverlag Berlin, Bochum, Dülmen, London, Paris 2005, ISBN 3-86515-033-0; 10 Euro.
Weitere Informationen
thomas.tartsch@rub.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Gesellschaft, Philosophie / Ethik, Religion
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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