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14.10.2005 11:30

Tagung: 20 Jahre Hightech-Hörhilfen in Hannover

Dr. Arnd Schweitzer Stabsstelle Kommunikation
Medizinische Hochschule Hannover

    Seit 1984 erhielten 1.300 Erwachsene und 1.700 Kinder ein Cochlea-Implantat

    Im Juli 1984 setzte Professor Dr. Dr. Ernst Lehnhardt, damaliger Direktor der Abteilung Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, erstmals in der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) einer jungen Frau ein Cochlea-Implantat (CI) ein. Die Patientin hatte bei einem schweren Unfall ihr Gehör verloren: Das Innenohr war zerstört, die Hörnerven hingegen noch intakt. 1988 erhielt in der Hochschule erstmals ein Kind, ein viereinhalbjähriger Junge, ein CI. Er war nach einer Hirnhautentzündung ertaubt. Mittlerweile versorgen die MHH-Spezialisten pro Jahr etwa 240 Patienten mit Cochlea-Implantaten, davon sind 60 Prozent Kinder. Seit 1984 konnte so die elektronische Hörhilfe bei rund 3.000 Patienten eine verlorene Hörfähigkeit ersetzen oder taub geborenen Kindern ein erstmaliges Hören ermöglichen. "Wir sind damit das weltweit größte Zentrum für Cochlea-Implantate", sagt Professor Dr. Thomas Lenarz, Direktor der MHH-Abteilung Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde.

    Vor einem Jahr, am 18. August 2004, erhielt der vier Monate alte Kevin aus Duisburg zwei CI. Kevin litt nach einer Hirnhautentzündung an einer plötzlichen Taubheit, die rechtzeitig erkannt wurde. "Wenn ein Kind nichts hört, lernt es nicht oder nur sehr schlecht sprechen. Eine frühzeitige Operation ist deshalb notwendig, um dem Kind die Möglichkeit zu geben, sich nahezu normal zu entwickeln", sagt Professor Lenarz. Durch das Neugeborenen-Hörscreening können Ärzte Hörschäden mittlerweile sehr früh erkennen, so dass in den vergangenen Jahren betroffene Kinder immer früher operiert werden konnten. Kevin war der weltweit jüngste Patient, der beidseitig die elektronischen Hörprothesen erhielt. Insgesamt wurden seit 1984 in der MHH 91 Kinder unter einem Jahr operiert. In der HNO-Klinik der MHH kontrollieren Ärzte und Audiologen regelmäßig die Funktion der Geräte und die Fortschritte - ein Leben lang.

    Nach der Operation beginnt die eigentliche Lernphase für die Patienten - nur so können sie die Signale des Implantates in Sprache umsetzen. Das Cochlear Implant Centrum "Wilhelm Hirte" in Hannover ist eine 1990 speziell für Kinder mit einem CI gegründete pädagogisch-therapeutische Einrichtung, die eng mit der MHH zusammenarbeitet. Es hat sich zu einem international anerkannten Beratungszentrum entwickelt, das von vielen Fachleuten aus dem In- und Ausland besucht wird. Zurzeit werden hier mehr als 900 Kinder betreut, pro Woche sind das 21 Kinder und ihre Mütter oder Väter. "Unser Ziel ist es, den Kindern individuell eine möglichst optimale Lautsprache zu vermitteln", sagt der pädagogische Leiter Dr. Bodo Bertram. Im Mittelpunkt stehen hierbei das Kind, seine Eltern und ihre Wertschätzung durch die Therapeuten und Betreuer. Das Cochlear Implant Centrum ist eine selbständige Institution, in Trägerschaft der Stiftung Hannoversche Kinderheilanstalt.

    Was ist ein Cochlea-Implantat?

    Ein Cochlea-Implantat (CI) ist eine elektronische Hörhilfe. Es kann verlorene Hörfähigkeit ersetzen und ermöglicht taub geborenen Kleinkindern ein erstmaliges Hören oder Menschen mit einem Restgehör besseres Hören. Das CI besteht aus einem Mikrofon, einem Sprachprozessor in der Größe eines mittelgroßen Hörgerätes, einer Sendespule und dem eigentlichen Implantat mit Elektrodenträgern. Das Implantat wird unter der Haut hinter dem Ohr eingesetzt und der Elektrodenträger wird in die Hörschnecke (Cochlea) des Innenohrs eingeführt. Das Mikrofon, das hinter dem Ohr oder an der Sendespule getragen werden kann, nimmt den Schall auf und leitet ihn zum Sprachprozessor, einer Art Computer. Hier wird er mit Hilfe spezieller Programme in elektrische Impulse umgewandelt und zur Sendespule geleitet. Diese überträgt die Signale an die Elektroden, die dann direkt die benachbarten Hörnervenfasern reizen. Die erzeugten Reizmuster werden zum Gehirn geleitet und lösen einen Höreindruck aus. Das Implantat hilft allerdings nur dann, wenn der Hörnerv noch intakt ist.

    Wem helfen Cochlea-Implantate?

    Für eine Implantation kommen alle Patienten in Frage, die an einer beidseitigen, hochgradigen Innenohr-Schwerhörigkeit bis -Taubheit leiden und denen ein Hörgerät kein ausreichendes Sprachverstehen ermöglicht. Wenn bei Neugeborenen die Taubheit bereits während der ersten Lebenstage entdeckt wird, sollte die Implantation zwischen dem sechsten und zwölften Lebensmonat erfolgen. Bei Patienten, die durch eine Hirnhautentzündung (Meningitis) ertauben, ist eine Implantation, möglichst beidseits, bereits unmittelbar nach dem Ausheilen notwendig - dies gilt insbesondere für Kinder. Nur dann haben sie beste Chancen, ein praktisch normales Hör- und Sprachvermögen zu entwickeln. Wird die Taubheit nicht sofort behandelt, besteht außerdem die Gefahr der Narbenbildung, die zu einer Verknöcherung des Innenohrs, der Cochlea, führen kann. Auch bei Erwachsenen sollte die Operation möglichst bald nach dem Ertauben durchgeführt werden. Die Ärzte implantieren CIs zunehmend beidseits, um Vorteile wie das Richtungshören und ein verbessertes Sprachverstehen zu erzielen.

    Zukünftige Entwicklungen / Projekte der MHH

    Künftig sollen die Implantate noch wirkungsvoller werden - bis hin zu einem nahezu natürlichen Höreindruck. Die Elektrodensysteme benötigen mehr Kontaktstellen (beispielsweise 200 statt der jetzt üblichen 22) oder einen direkten Kontakt mit den Hörnervenfasern. Hier setzt der Sonderforschungsbereich 599 der MHH zur Biomedizintechnik an, der sich auch mit alternativen Verfahren wie Hirnstamm-Implantaten beschäftigt. Diese werden in die zentrale Hörbahn eingepflanzt. Ein weiteres, von der Europäischen Union gefördertes Projekt mit Namen "BioEar" beschäftigt sich mit der Regeneration des Hörnerven und soll die Informationsübertragung vom Implantat auf die Nervenfasern verbessern. "Zunehmend setzen wir das Cochlea-Implantat auch bei Patienten mit noch vorhandenem Teilgehör ein, um ausgefallene Hörbereiche zu ersetzen. Gleichzeitig wollen wir das Restgehör erhalten", sagt Professor Lenarz. Dies sollen besonders zarte Elektroden gewährleisten, die gegenwärtig in der MHH entwickelt werden. Und um Patienten künftig heimatnah zu versorgen, werden Verfahren zur Fernanpassung mittels Internet erprobt. "Die MHH versteht sich als überregionales Zentrum der Hochleistungsmedizin, das allen Patienten mit Hörstörungen adäquate Behandlungsmöglichkeiten unter Einsatz modernster Technik und fortschrittlicher pädagogischer Konzepte bietet. Dazu dient auch das Hörzentrum Hannover", sagt Professor Lenarz.

    Weitere Informationen gibt gern Professor Dr. Thomas Lenarz, Klinik für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde der MHH, Telefon: (0511) 532-6565, E-Mail: lenarz@hno.mh-hannover.de, und Dr. Bodo Bertram, Telefon: (0511) 90959-0, E-Mail: bbertram@hka.de.


    Weitere Informationen:

    http://www.mhh-hno.de
    http://www.hoerzentrum-hannover.de
    http://www.cic-hannover.de


    Bilder

    Schema eines Implantates im Kopf
    Schema eines Implantates im Kopf

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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

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