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19.10.2005 10:57

Zweifel an der neuen Menschenart Homo floresiensis

Michael Seifert Hochschulkommunikation
Eberhard Karls Universität Tübingen

    Parallelen zwischen Schädelfund von Flores und Schädeln mit krankhafter Hirnentwicklung

    Auf der indonesischen Insel Flores haben Forscher bei Ausgrabungen in der Höhle Liang Bua im Jahr 2003 Knochenreste einer kleinen Frau gefunden, die vor etwa 18 000 Jahren gelebt hat. Sie war nur wenig mehr als einen Meter groß, was ihr auch den Spitznamen Hobbit eintrug. Ihr Gehirn hatte ungefähr die Größe eines Schimpansengehirns. Bis heute lassen sich die Funde nicht eindeutig in die Abstammungslinien menschlicher Arten einordnen. Einige Merkmale des Schädels entsprechen denen der Gattung Homo, sodass eine Verwandtschaft mit Homo erectus diskutiert wird, andere Merkmale deuten eher auf Ähnlichkeiten mit der Gattung Australopithecus hin. Ein Teil der Wissenschaftler geht davon aus, dass es sich bei der kleinen Frau von der Insel Flores um eine neue, bisher unentdeckte Menschenart handelt, Homo floresiensis. Inzwischen wurden in der gleichen Höhle weitere Skelettteile oder Knochen von insgesamt neun Individuen gefunden, die ebenfalls kleinwüchsig waren. Manche Wissenschaftler sind nun nicht mehr sicher, dass die Flores-Menschen zur Gattung Homo gehören. Zu einem ganz anderen Schluss kommen dagegen zwei Forscher der Universität Tübingen, der Paläoanthropologe und Osteologe Dr. Alfred Czarnetzki und Dr. Carsten M. Pusch vom Institut für Anthropologie und Humangenetik, sowie der Schweinfurter Neurochirurg Jochen Weber. Sie hatten als erste vergleichende Untersuchungen zwischen 19 Gehirnausgüssen von modernen Menschen (Homo sapiens sapiens), die an Mikrozephalie litten, und dem Gehirnausguss des ersten Schädelfundes von Flores, angestellt. Bei dieser Krankheit entwickelt sich das Gehirn nicht richtig, die Menschen haben sehr kleine Köpfe und erreichen nur geringe Körperlängen. Dieser Vergleich ergab große Übereinstimmungen, so dass die Forscher es für möglich halten, dass die kleine Frau von Flores unter Mikrozephalie litt. Ihre Ergebnisse haben die Tübinger und Schweinfurter Forscher in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Science als "Technischen Kommentar" veröffentlicht (Science, Band 310, 14. Oktober 2005, Seite 236b).

    Die Tübinger Forscher haben festgestellt, dass der erste Schädelfund von Flores mit einem Gehirnvolumen von 417 Kubikzentimetern sehr dicht am Durchschnitt der 19 mikrozephalen Schädel mit 404 Kubikzentimetern liegt. Außerdem zeigte der Schädel von Flores in allen sechs untersuchten Punkten des Gehirns und in einigen der Schädelknochen Merkmale von Gehirn und Schädel eines heutigen Menschen mit Mikrozephalie. Die Wissenschaftler widersprechen damit auch einem amerikanischen Forscherteam um Dean Falk, das bei Schädelvergleichen des Flores-Menschen mit nur einem Mikrozephalen, mit Pygmäen und weiteren Frühmenschenarten ausgeschlossen hatte, dass der Flores-Mensch unter Mikrozephalie litt oder ein Pygmäe war (Science, Band 308, 8. April 2005, Seiten 242-245).

    Die Tübinger Wissenschaftler schließen allein nach den Strukturen des Gehirns aus, dass es sich bei Homo floresiensis um einen späten Vertreter der Frühmenschengattung Homo erectus handelt. Die Skelettteile und Knochen ließen sich trotz der neuen Funde nicht unumstritten in den Stammbaum des Menschen einordnen. Rätselhaft bleibe auch für andere Fachleute, wer die Steinwerkzeuge hergestellt hat, die zusammen mit den Knochenresten in der Höhle Liang Bua gefunden wurden. Die Floresianer sind mit ihren krankhaft kleinen Gehirnen dazu nicht in der Lage gewesen, folgern Alfred Czarnetzki und Carsten M. Pusch aus ihren Untersuchungen.

    Nähere Informationen:

    Dr. Alfred Czarnetzki, E-Mail alfred.czarnetzki@uni-tuebingen.de, Tel. 07071/61391

    Dr. Carsten M. Pusch, E-Mail carsten.pusch@uni-tuebingen.de, Tel. 0 70 71/2 97 64 03
    Universität Tübingen
    Institut für Humangenetik
    Wilhelmstraße 27
    72074 Tübingen


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Geowissenschaften, Informationstechnik
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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