Nur etwa 20 Prozent der auf dem Markt befindlichen Arzneimittel sind für Kinder geprüft und zugelassen. Dies betrifft besonders die Früh- und Neugeborenen, bei denen vor allem auf der Intensivstation über 90 Prozent der Arzneimittel ohne genaue Dosierungsempfehlung, ohne Warnung vor unerwünschten Arzneimittelwirkungen, ohne Angaben über mögliche Arzneimittelinteraktionen und vor allem auch ohne kindgerechte Darreichungsform von Seiten des Arzneimittelhersteller zur Anwendung kommen.
Dieser Sachverhalt trifft für alle westlichen medizinisch hochentwickelten Länder zu, wie Prof. Dr. Hannsjörg Seyberth, Leiter der Universitäts-Kinderklinik in Marburg, und Vorsitzender der Komm. Arzneimittelsicherheit der DGKJ, in seinem Eingangsreferat zum 8. Europäischen Workshop über Neugeborenenmedizin vom 02. bis 04. September 1999 in Magdeburg feststellte. Kinder sind keine kleinen Erwachsenen, sondern sie unterscheiden sich von diesen ganz wesentlich im Aufbau und in der Funktion des Körpers. Werden diese entwicklungsbedingten Besonderheiten der Früh- und Neugeborenen nicht berücksichtigt, kam es bereits in der Vergangenheit zu schwerwiegenden und teilweise lebensbedrohenden Arzneimittelschäden. Die Deutsche Gesellschaft für Kinderheilkunde und Jugendmedizin sowie die Deutsche Gesellschaft für Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin unter der Präsidentschaft von Prof. Dr. Gerhard Jorch, Leiter der Universitäts-Kinderklinik Magdeburg, fordern daher - wie andere ausländische Fachgesellschaften in Europa und Nordamerika - daß Arzneimittel, die in den kritischen Entwicklungsphasen des Neugeborenen, des Kleinkindes, des Schulkindes und des Jugendlichen eingesetzt werden, auch in diesen Entwicklungsstadien des Kindes nach international gültigen Richtlinien geprüft werden. Neben der Verträglichkeit spielt auch die Wirksamkeit eine ganz entscheidende Rolle, damit es zu gerechtfertigt ist, diese Behandlungen zu empfehlen. Die häufig durchgeführten unkontrollierten Heilversuche können keineswegs sorgfältig geplante Arzneimittel-Prüfstudien ersetzen.
Die amerikanische (FDA), die europäische (EMEA) und die deutsche Zulassungsbehörde (BfArM) haben sich diesen Forderungen der kinderärztlichen Fachgesellschaften angeschlossen. In den USA geht man unter dem Motto "better drugs for children" noch einen Schritt weiter und unterstreicht diese Forderung durch das zusätzliche Angebot an die Arzneimittelhersteller, ihnen für die finanziell nicht attraktiven Arzneimittelprüfungen bei Kindern patentrechtliche Vergünstigungen einzuräumen. Dies könnte auch den Europäern den Weg weisen, denn bereits nach Inkrafttreten dieser Vergünstigung vor 18 Monaten ist es zu einer verstärkten Prüftätigkeit in speziell hierfür ausgewiesenen Kinderkliniken, die in einem Netzwerk zusammenarbeiten, in den USA gekommen. Diesem Vorbild folgend, hat sich im November 1997 in Paris eine Gruppe von Kinderärzten und klinischen Pharmakologen zu dem European Network of Drug Investigation in Children (ENDIC) zusammengeschlossen, wie in einem Brief im Lancet im Mai d. J. mitgeteilt wurde. Auch in Deutschland besteht seit Anfang d. J. eine Projektgruppe für Arzneimittelprüfungen bei Kindern, die durch die Deutsche Gesellschaft für Kinderheilkunde und Jugendmedizin und durch die Arbeitsgemeinschaft für Angewandte Humanpharmakologie getragen wird. Es ist zu hoffen, daß sich dieser Initiative in Deutschland auch die Arzneimittelhersteller, Kostenträger und die beiden Bundesministerien für Gesundheit und Bildung und Forschung anschließen werden.
Ansprechpartner bei Rückfragen:
- Tagungspräsident Prof. Dr. Gerhard Jorch, Klinik für Allgemeine Pädiatrie und Neonatologie der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg,
Tel. 0391- 67 17000 oder Funktel. 0172- 387 0016,
e-mail: gerhard.jorch@medizin.uni-magdeburg.de
- Prof. Dr. Hannsjörg Seyberth, Vorsitzender der Kommission für Arzneimittelsicherheit im Kindesalter der DGKJ, Zentrum für Kinderheilkunde der Philipps-Universität Marburg, Deutschhausstraße 12, 35033 Marburg,
Telefon: 06421-28-66225, Telefax: 06421-28-68956,
E-mail: seyberth@mailer.uni-marburg.de und
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Tagungen
Deutsch
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