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21.11.2005 10:46

Verhaltenstherapie mit Hindernissen: RUB-Dissertation über Reaktanz

Dr. Josef König Dezernat Hochschulkommunikation
Ruhr-Universität Bochum

    Das Entstehen von Widerstand bei einer Verhaltenstherapie ist abhängig von der Diagnose und dem Therapiestadium - das ist ein Ergebnis der Doktorarbeit von Dr. Claudia Fedtke-Polley, RUB-Absolventin der Fakultät für Psychologie (Betreuer: Prof. Dr. Dietmar Schulte). Für ihre Untersuchung hat sie 80 Angst- und Zwangspatienten während einer Therapie begleitet. Dabei litten 36 Patienten unter einer Panikstörung mit Agoraphobie und 20 Patienten unter einer Zwangsstörung ohne weitere Diagnose. Ziel der Untersuchung war herauszufinden, welche Faktoren bei den Patienten Widerstand auslösen. Die Arbeit wurde von der Christoph-Dornier Stiftung und der Christoph-Dornier- Klinik für Psychotherapie in Münster gefördert.

    Bochum, 21.11.2005
    Nr. 365

    Verhaltenstherapie mit Hindernissen
    "Empfundene Einschränkung" löst am meisten Widerstand aus
    Psychologie-Doktorarbeit über Reaktanz

    Das Entstehen von Widerstand bei einer Verhaltenstherapie ist abhängig von der Diagnose und dem Therapiestadium - das ist ein Ergebnis der Doktorarbeit von Dr. Claudia Fedtke-Polley, RUB-Absolventin der Fakultät für Psychologie (Betreuer: Prof. Dr. Dietmar Schulte). Für ihre Untersuchung hat sie 80 Angst- und Zwangspatienten während einer Therapie begleitet. Dabei litten 36 Patienten unter einer Panikstörung mit Agoraphobie und 20 Patienten unter einer Zwangsstörung ohne weitere Diagnose. Ziel der Untersuchung war herauszufinden, welche Faktoren bei den Patienten Widerstand auslösen. Die Arbeit wurde von der Christoph-Dornier Stiftung und der Christoph-Dornier- Klinik für Psychotherapie in Münster gefördert.

    Zwänge und Ängste

    Agoraphobie (griech. agora = Platz, Markt) oder auch "Platzangst" äußert sich darin, dass betroffene Menschen öffentliche Plätze und Situationen meiden. Sie haben Angst davor, nicht schnell genug fliehen zu können, falls ihnen etwas Peinliches geschieht oder sie in eine Gefahrensituation geraten. Eine Panikstörung zeichnet sich generell dadurch aus, dass Patienten innerhalb kurzer Zeit plötzlich unterschiedliche körperliche Symptome bekommen (z.B. Herzrasen, Atemnot), die ihnen starke Angst bereiten. Patienten mit Zwangsstörung hingegen leiden darunter, bestimmte Dinge einfach tun zu müssen, z.B. ich alle fünf Minuten die Hände waschen oder auf dem Bürgersteig die Linien meiden zu müssen. Der Verhaltenstherapeut übt mit den Patienten, die bisher gefürchteten oder gemiedenen Situationen wieder aufzusuchen. Hierbei kommt es vor, dass der Patient sich den Anweisungen des Therapeuten widersetzt - also Widerstand leistet. Für das Entstehen von Widerstand vermutete Dr. Claudia Fedtke-Polley unterschiedliche Motive.

    Gefühl der Einschränkung abhängig von Diagnose

    Erst bei fortgeschrittener Therapie gab es einen sichtbaren Zusammenhang zwischen den untersuchten Motiven "empfundene Einschränkung", "Angst vor Veränderung", "Zweifel in die Therapeutenkompetenz", "Angsterwartung" und darin, wie oft die Patienten Widerstand leisteten. Dies ermittelte Dr. Claudia Fedtke-Polley durch einen präzisen Fragebogen, den sie während der Studie entwickelte. Wenn sie sich in ihrer Freiheit eingeschränkt fühlen, zeigen Patienten mit einer Panikstörung mit Agoraphobie häufiger Widerstand, Zwangspatienten hingegen weniger. "Das lässt sich dadurch erklären, dass Zwangspatienten eine Einschränkung ihrer Freiheit als Erleichterung empfinden. Sie fühlen sich durch die Vorgaben Anderer sicher, weil sie auf sich allein gestellt leicht ins Zweifeln kommen", erklärt Dr. Fedtke-Polley. Panikpatienten mit einer Agoraphobie dagegen fürchten vor allem ihre eigenen körperlichen Reaktionen. Die Einschränkung durch den Therapeuten, die darin besteht, diese Patienten mit solchen Situationen zu konfrontieren, löst bei diesen vermehrt Widerstand aus. "Empfundene Einschränkung" ist bei den Patienten mit einer Panikstörung mit Agoraphobie auch das einzige Motiv, das Widerstand auslöst. Bei den Zwangspatienten spielen die drei Motive "empfundene Einschränkung", "Zweifel in die Therapeutenkompetenz" und "Angsterwartung" eine Rolle.

    Trait-Reaktanz als mehrdimensionales Konstrukt

    Zusätzlich forschte Dr. Claudia Fedtke-Polley nach den bestimmenden Faktoren für das Motiv "empfundene Einschränkung". Mittels eines Fragebogens ermittelte sie zum einen die Trait-Reaktanz der jeweiligen Patienten. Damit ist die Eigenschaft gemeint, wie stark das Bedürfnis einer Person ist, bei einer Freiheitseinschränkung die Freiheit wieder herzustellen. Die Forscherin fand keinen Zusammenhang zwischen Trait-Reaktanz und der "empfundenen Einschränkung" während der Therapie - jedoch übt die Trait-Reaktanz einen Einfluss auf die Häufigkeit von Widerstand aus. Als weiteren Faktor untersuchte sie die Direktivität des Therapeuten, also wie viele Vorgaben er seinen Patienten macht. Das führte nur bei den Patienten mit Panikstörung zu einer erhöhten empfundenen Einschränkung, bei den Zwangspatienten hatte die Direktivität des Therapeuten keine Auswirkung. "Bei der Trait-Reaktanz handelt es sich vermutlich um ein mehrdimensionales Konstrukt, wovon die "empfundene Einschränkung" nur eine Dimension erfasst", folgert Dr. Fedtke- Polley aus den widersprüchlichen Ergebnissen zum Einfluss der Trait-Reaktanz und der "empfundenen Einschränkung" auf die Widerständigkeit.

    Die Arbeit als Buch

    Claudia Fedtke-Polley: Widerstand in der Verhaltenstherapie: "Inwieweit lässt sich Widerstand auf das Phänomen Reaktanz zurückführen?", der Andere Verlag, Tönning 2005. ISBN: 3-89959-367-7.

    Weitere Informationen

    Dr. Claudia Fedtke-Polley, Psychotherapeutische Praxis, Bahnhofstraße 7, 25358 Horst, Tel.: 04126/393950, E-Mail: fedtke-polley@foni.net


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Psychologie
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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