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09.09.1999 15:15

Flug in die Stratosphäre über der Antarktis

Inge Arnold Stabsabteilung Presse, Kommunikation und Marketing
Forschungszentrum Karlsruhe in der Helmholtz-Gemeinschaft

    Die Europäische Meßkampagne APE-GAIA will Geheimnisse des Ozonlochs aufklären

    Eines der spannendsten Phänomene in der Atmosphäre ist das Ozonloch, eine Abnahme von Ozon in den mittleren Schichten der Atmosphäre (12 bis 30 km) im antarktischen Frühjahr. Die Chemie des Ozonlochs ist zwar in Grundzügen verstanden. Nach wie vor gibt es aber beträchtliche Unsicherheiten über die Relevanz verschiedener katalytischer Reaktionen, die das Ozon abbauen. Eine weitere Frage ist: wie stark hängt die Abnahme der schützenden Ozonschicht in mittleren Breiten von der Durchmischung mit Luftmassen aus der Antarktis ab? Hier setzt eine europäische Meßkampagne an, die im September und Oktober 1999 durchgeführt wird: Ein russisches Höhenforschungsflugzeug soll die wissenschaftlichen Instrumente in über 20 Kilometer Höhe durch die antarktische Atmosphäre fliegen. Die Meßkampagne wird vom italienischen Programm für Forschung in der Antarktis gefördert. Die Entwicklung der deutschen Instrumente wurde im Rahmen des Ozonforschungsprogramms des BMBF unterstützt. Das Forschungszentrum Karlsruhe hat die deutschen Experimente koordiniert und stellt ein wesentliches Meßinstrument bereit.

    Durch den Umbau eines ehemaligen russischen Aufklärungsflugzeuges in die wissenschaftliche Plattform Geophysica steht der europäischen Forschung ein Flugzeug zur Verfügung, das in Höhen oberhalb 20 km fliegen kann. Über 20 Forschergruppen aus 11 Ländern haben sich nun zusammengefunden, um in der antarktischen Stratosphäre offene Fragen in Zusammenhang mit dem Ozonloch zu untersuchen. Die deutschen Experimente werden durch das Institut für Meteorologie und Klimaforschung koordiniert, das gemeinsam vom Forschungszentrum Karlsruhe und der Universität Karlsruhe betrieben wird.
    Die europäische Meßkampagne APE-GAIA (Airborne Polar Experiment - Geophysica Aircraft In Antarctica) verfolgt im wesentlichen zwei Ziele: ein besseres Verständnis der Chemie des Ozonlochs, insbesondere die Aufklärung der Einflüsse verschiedener katalytischer Reaktionszyklen des Ozonabbaus, und die Quantifizierung von atmosphärischen Austauschvorgängen, um zu verstehen, welchen Einfluß die Durchmischung der antarktischen Luftmassen mit Luft aus mittleren Breiten auf die auch dort beobachtete Abnahme der Ozonschicht hat.
    An Bord der Geophysica befindet sich eine Vielzahl wissenschaftlicher Experimente, die alle relevanten Spurengase und Aerosolpartikel messen können. Aus dem Forschungs-zentrum Karlsruhe wird ein zentrales Experiment der Kampagne bereitgestellt: MIPAS-STR (Michelson Interferometer für Passive Atmosphärische Sondierung - STRatosphärenflugzeuge) ist ein Fernerkundungsinstrument, das eine Vielzahl von Spurengasen gleichzeitig messen kann. Dazu gehören unter anderem die für die Ozonchemie wesentlichen Stickoxide und Chlorkomponenten.
    Das Meßprinzip von MIPAS nutzt die Eigenschaft von Spurengasen, charakteristische Infrarot-Strahlung (gleichsam "Fingerabdrücke") auszusenden. Die Überlagerung der verschiedenen Infrarotanteile der Spurengase erzeugt ein Spektrum, das durch MIPAS in die verschiedenen Wellenlängen zerlegt wird. Durch Analyse dieser Spektren können Konzentrationen von Spurengasen in verschiedenen Atmosphärenschichten bestimmt werden. MIPAS wird in anderen Auslegungen auch in Höhenforschungsballons eingesetzt; darüber hinaus wird MIPAS im Jahr 2000 auf dem europäischen Umweltsatelliten ENVISAT eingesetzt.
    "MIPAS ist ein zentrales Instrument bei dieser Meßkampagne", erläutert Dr. Cornelis Blom, der wissenschaftliche Leiter des Karlsruher Experiments. "Die simultane Messung der relevanten Spurengase in einem Luftpaket liefert wesentliche Daten für die Untersuchung der relevanten chemischen Prozesse".
    Neben den Experimentatoren sind auch Wissenschaftler beteiligt, die mit numerischen Modellen die Vorgänge in der Atmosphäre simulieren.

    Hintergrund

    Seit seiner Entdeckung im Jahr 1985 hat das Phänomen des sogenannten Ozonlochs, eine saisonale Abnahme der Ozonschicht nach dem antarktischen Winter, großes Aufsehen erregt: In der wissenschaftlichen Welt galt es damals als Sensation, weil es von keiner Modellsimulation vorhergesagt wurde. Schnell setzte sich die Erkenntnis durch, daß Einflüsse von Partikeln, winzigen luftgetragenen Teilchen, in den Modellen nicht berücksichtigt waren. Genauso schnell wurde erkannt, daß die Ursachen des Ozonlochs auf menschliche Einflüsse zurückzuführen sind: Die Emission von Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FCKW's) führte zu einem Anstieg von Chlor in der Stratosphäre und damit zu einem verstärkten katalytischen Abbau von Ozon. Das war auch für die Gesellschaft eine neue Erfahrung: Zum ersten Mal hatte die Industriegesellschaft eine globale Veränderung in der Umwelt ausgelöst. Entsprechend schnell waren die politischen Reaktionen. Inzwischen schränken internationale Abkommen den Einsatz von FCKW's stark ein. Wegen der langsamen Austauschvorgänge in der Atmosphäre und wegen der Kopplung des Ozonabbaus mit dem Treibhauseffekt wird sich die Ozonschicht aber erst nach dem Jahr 2020 langsam erholen.
    Seit den 90er Jahren werden auch über dem Nordpol die chemischen Prozesse beobachtet - wenn auch in abgeschwächter Form -, die in der Antarktis zum Ozonloch führen. In unseren Breiten ist ebenfalls eine Abnahme des Ozons in der Stratosphäre zu messen. Welche Rolle bei dieser Ozonabnahme die Atmosphärenchemie und der Transport von Luftmassen im einzelnen spielen, ist noch nicht eindeutig geklärt.
    Ozon schützt die Erdoberfläche vor UV-Strahlung. Das meiste atmosphärische Ozon (ca. 90%) ist in der Stratosphäre, in Höhen zwischen 12 und 40 km, lokalisiert. Eine starke Verminderung der Ozonmenge in der Stratosphäre kann also auch durch eine verkehrsbedingte Erhöhung am Erdboden nicht ausgeglichen werden.
    Joachim Hoffmann 8. September 1999


    Bilder

    Das russische Höhenforschungsflugzeug Geophysica; auf dem Rumpf ist der komplexe Aufbau des MIPAS-Experiments zu erkennen.
    Das russische Höhenforschungsflugzeug Geophysica; auf dem Rumpf ist der komplexe Aufbau des MIPAS-Ex ...

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    Unter dem "Buckel" auf der Geophysica ist das Fernerkundungsinstrument MIPAS eingebaut.
    Unter dem "Buckel" auf der Geophysica ist das Fernerkundungsinstrument MIPAS eingebaut.

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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Chemie, Mathematik, Meer / Klima, Physik / Astronomie, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

    Das russische Höhenforschungsflugzeug Geophysica; auf dem Rumpf ist der komplexe Aufbau des MIPAS-Experiments zu erkennen.


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    Unter dem "Buckel" auf der Geophysica ist das Fernerkundungsinstrument MIPAS eingebaut.


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