DGPPN-Mitgliederversammlung: Auszeichnung für Kai Vogeley, Albert Newen und Jann E. Schlimme
Erstmals in diesem Jahr vergibt die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) in Zusammenarbeit mit der "Gesellschaft für Philosophie und Wissenschaften der Psyche", Berlin, und dem Unternehmen Janssen-Cilag, Neuss, einen Preis für Philosophie in der Psychiatrie. Mit diesem Preis werden künftig jedes Jahr hervorragende wissenschaftliche Arbeiten im Grenzgebiet zwischen Psychiatrie und Philosophie ausgezeichnet. Die Auszeichnung ist mit 3.000 Euro dotiert und wurde nun im Rah-men der Mitgliederversammlung der DGPPN am Donnerstag, den 24. November 2005, zum ersten Mal durch den Präsidenten der DGPPN, Professor Dr. Fritz Hohagen, Lübeck, verliehen.
Die Wahl der Jury fiel in diesem Jahr auf zwei Arbeiten: Die erste Arbeit von Professor Dr. Dr. Kai Vogeley, Köln, und Professor Dr. Albert Newen, Tübingen, trägt den Titel "Die Schizophrenie ist eine Erkrankung des Selbstbewusstseins". Diese Arbeit entstammt der Zusammenarbeit zwischen einem Psychiater und einem Philosophen und verbindet neurobiologische Forschungsansätze mit philosophischer Reflektion. Die zweite preiswürdige Arbeit "Wahnsinnig psychiatrisch - Reflektionen über Wahn und Wirklichkeit im psychiatrischen Blick" stammt von Dr. Jann E. Schlimme, Hannover, der einen historischen bzw. hermeneutischen Zugang zum Thema wählt. Mit der Teilung des Preises möchte die Jury dokumentieren, dass das Fachgebiet Philosophie in der Psychiatrie ein großes Spektrum besitzt und verschiedene methodologische Zugangswege offen stehen.
Vogeley und Newen verfolgen in ihrer Forschungsarbeit die These, dass die Schizophrenie eine Erkrankung des Selbstbewusstseins darstellt. In ihrem Erkenntnisinteresse lassen sie sich durch eine systematische Herangehensweise leiten und systematisieren den Begriff des "Selbstbewusstseins" in dessen verschiedenen Aspekten: Perspektivität, Personalität, Transparenz usw. Den Selbstbewusstseinsbegriff leitet das Autorenteam historisch anhand von "klassischen" Texten der Bewussteinsphilosophie, etwa Descartes, Hume, Kant, ab. Mit diesen beiden Herangehensweisen entwickeln sie mit der Berücksichtigung neuester neurowissenschaftlicher Erkenntnisse eine Basis zum Verständnis der Schizophrenie als einer differenzierten Beeinträchtigung von Selbstbewusstseinsfunktionen. Der Philosophie-Preis der DGPPN geht nicht zuletzt wegen dieser interdisziplinären Zusammenarbeit an die beiden Wissenschaftler.
Jann E. Schlimme zeigt in seinem Wettbewerbsbeitrag auf, dass in bestimmten historischen Phasen der Entwicklung des Medizinfachs Psychiatrie der Blick des Psychiaters auf den Wahn selbst eine dem Gegenstand der Untersuchung mimetische, das heisst ihm ähnelnde Struktur annehmen kann. Schlimmes Methode orientiert sich an einer historisch-kritischen Lektüre von klassischen psychiatrischen Texten, vor allem des 19. Jahrhunderts. Mit dem Thema der Wahnhaftigkeit im psychiatrischen Blick deckt er einen bisher "blinden Fleck" der Psychiatriegeschichte auf. Damit gelingt ihm eine kritische Reflektion auch der heutigen psychiatrischen Praxis, die der Jury ebenfalls auszeichnungswürdig erschien.
Informationen zu den Preisträgern des DGPPN-Preises für Philosophie
in der Psychiatrie
Prof. Dr. Dr. Kai Vogeley, geb. 1963, hat nach dem Studium der Medizin, Philosophie, Geschichte der Medizin und Erziehungswissenschaften in Düsseldorf, Baltimore und London seine Facharztausbildung in Düsseldorf und Berlin durchlaufen. Anschließend war er an der Universität Bonn und am Forschungszentrum Jülich tätig. Seit 2004 ist er Professor für Früherkennung und Präventionsmedizin an der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Klinikums der Universität zu Köln und leitender Oberarzt der Klinik. Seine Arbeitsgebiete sind u. a. neuronale Korrelate des Perspektivwechsels und der sozialen Kognition, Neurobiologie der Schizophrenie sowie Selbstbewusstsein und Selbstkonstrukt.
Prof. Dr. Albert Newen hat in Freiburg und Bielefeld Philosophie mit den Nebenfächern Psychologie und Geschichtswissenschaften studiert. Für seine Promotion wurde er mit dem Dissertationspreis der Westfälisch-Lippischen Universitätsgesellschaft ausgezeichnet. Er setzte seine Forschungen zur Sprachphilosophie in Paris fort, bevor er an der Universität Bonn arbeitete. In der Habilitationsphase hat er sich der Erforschung menschlichen Selbstbewusstseins zugewendet und mit einem interdisziplinären Projekt zum Thema "Was ist Selbstbewusstsein?" 1997 den Bennigsen-Förderpreis des Landes Nordrhein-Westfalen erhalten. Nach Habilitation in Bonn war er als Fellow am Hansewissenschaftskolleg in Delmenhorst und anschließend an der Universität Oxford tätig. Seit Oktober 2003 arbeitet er als Professor für Philosophie an der Universität Tübingen mit den Forschungsschwerpunkten Sprachphilosophie und Philosophie des Geistes.
Dr. Jann E. Schlimme, geb. 1971, studierte Medizin, Soziologie, Sozialpsychologie und Philosophie in Lübeck und Hannover. Er ist zur Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Assistenzarzt an der Abt. für Klinische Psychiatrie und Psychotherapie der Medizinischen Hochschule Hannover tätig. Forschungsschwerpunkte sind die psychiatrische Anthropologie, Phänomenologie und philosophische Psychologie. Zu seinen Publikationen gehören: Sucht - zur philosophischen Anthropologie eines "misslingenden" Selbst (2000) und Psyche und Transzendenz (2002).
Kontakt:
Dr. Martin Heinze
Leiter des DGPPN-Referats
Philosophische Grundlagen der Psychiatrie und Psychotherapie
Leitender Arzt, Behandlungszentren Mitte und West
Klinikum Bremen Ost
Züricher Str. 40
28325 Bremen
Tel.: 0421.4081363
Fax: 0421.4082253
E-mail: martin.heinze@klinikum-bremen-ost.de
Kontakt während des Kongresses:
Pressebüro
Tel: 030.30 38 75 47
Fax: 030.30 38 81988
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Medien- und Kommunikationswissenschaften, Medizin, Philosophie / Ethik, Psychologie, Religion
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Forschungs- / Wissenstransfer, Wissenschaftliche Tagungen
Deutsch
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