Bienen leiden nie an einer Pollen-Allergie - anders als Menschen: Bei denen läuft die Immunabwehr hin und wieder aus dem Ruder und attackiert körpereigene Zellen. Folge: Allergien und andere Autoimmunkrankheiten. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat jetzt an der Universität Bonn einen neuen Sonderforschungsbereich bewilligt. Darin untersuchen Mediziner, Biologen, Chemiker und Chemie-Informatiker gemeinsam, wie der Körper die Immunantwort im Gewebe reguliert, so dass er sich nicht mit seinen eigenen Waffen schlägt. Rund 6,9 Millionen Euro fließen dafür in den nächsten vier Jahren an die Bonner Hochschule.
Das Immunsystem von Bienen kann konstruktionsbedingt gar nicht Amok laufen: Bei Insekten ist die Immunreaktion angeboren. Ihr Abwehrsystem erkennt die wichtigsten Krankheitserreger an bestimmten Merkmalen, die diese seit Jahrmillionen auf ihrer Oberfläche mit sich herumtragen. Nachteil: Ein Bakterium muss seine Oberflächenstrukturen nur genügend stark abwandeln, dann wird es von den Abwehrzellen einfach übersehen: "Für uns ist dieses ursprüngliche Abwehrbollwerk nicht leistungsstark genug", erklärt der Bonner Biochemiker und Zellbiologe Professor Dr. Waldemar Kolanus, Direktor des Instituts für Molekulare Physiologie und Entwicklungsbiologie. "Unser Immunsystem ist lernfähig: Es kann sich auch an neue Gefahren anpassen." Mitunter läuft das jedoch schief: Dann attackiert die Abwehr-Maschinerie fälschlicherweise körpereigene Zellen. Allergien und chronische Entzündungen können die Folge sein.
Molekulares Fahndungsposter
Kolanus ist Sprecher des neuen Sonderforschungsbereichs "Molekulare Mechanismen und chemische Modulation der lokalen Immunregulation", den die DFG jetzt bewilligt hat. Die beteiligten Wissenschaftler untersuchen, wie der Körper die Immunantwort reguliert. Ihr Interesse richtet sich dabei vor allem auf die "Antigen-präsentierenden Zellen" - das sind spezielle Fresszellen, die Krankheitserreger verdauen und danach Bruchstücke des Erregers auf ihrer Oberfläche zur Schau stellen. Mit diesem molekularen Fahndungsposter zeigen sie dem Abwehrsystem: "Das ist der Feind, den wir bekämpfen müssen!" Auf ihren chemischen Startschuss hin produziert der Körper dann ein Heer von Immunzellen, die sich genau gegen dieses präsentierte Bruchstück richten. Mitunter sind in diesem Heer aber auch Zellen, die Freund und Feind nicht genügend exakt zu unterscheiden wissen. "Die meisten dieser autoreaktiven Zellen werden abgetötet, aber nicht alle", erklärt Kolanus. "Die Immunantwort kann daher auch den eigenen Körper schädigen."
Normalerweise fährt der Körper die Immunantwort deshalb schnell wieder herunter, sobald der Eindringling besiegt ist. Dieser Schritt scheint aber bei Allergien und Autoimmunkrankheiten nicht zu funktionieren: Stattdessen wenden sich die Immunzellen gegen körpereigene Strukturen und lösen lang anhaltende Entzündungsreaktionen aus. Augenscheinlich funktioniert die Kommunikation zwischen den verschiedenen Teilen des Immunsystems nicht richtig. "Die Kontrolle der Immunantwort und der damit verbundene Schutz der körpereigenen Strukturen kann in verschiedenen Organen sehr unterschiedlich aussehen", sagt Professor Kolanus. "Wir wollen herausfinden, wie das funktioniert und ob wir damit gezielt in die Regulation von Immunantworten eingreifen können."
In Deutschland ist Immunologie meist eine Domäne der Mediziner und Biologen. Umso erstaunlicher, dass an dem Bonner SFB auch Chemiker und Chemie-Informatiker mitarbeiten - eine erfolgversprechende Konstellation, glaubt Waldemar Kolanus: "Gerade die interdisziplinäre Zusammenarbeit gibt uns eine gute Chance, der Lösung dieser Frage in den nächsten vier Jahren ein gutes Stück näher zu kommen. Ein wichtiger Meilenstein in dieser Strategie ist der jetzt begonnene Neubau des LIMES (Life and Medical Sciences)-Zentrums, in dem Gruppen des neuen SFBs gemeinsam über diese Thematik forschen und lehren werden."
Kontakt:
Professor Dr. Waldemar Kolanus
Institut für Molekulare Physiologie und Entwicklungsbiologie der Uni Bonn
Telefon: 0228/73-2073 oder -1608
E-Mail: wkolanus@uni-bonn.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Biologie, Chemie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Informationstechnik, Medizin
überregional
Forschungsprojekte, Organisatorisches
Deutsch
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