Wissenschaftler am Institut für Toxikologie haben die Rolle des Dioxin-Rezeptors untersucht und dabei eine neue Funktion gefunden
(Mainz, 2. Dezember 2005, lei) Umweltschadstoffe wie polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe - kurz PAK genannt - und Dioxin sind toxisch und werden auch für die Entstehung von Krebserkrankungen verantwortlich gemacht. Wissenschaftler um Prof. Dr. Barbara Oesch-Bartlomowicz vom Institut für Toxikologie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz haben eine Erklärung gefunden, weshalb diese Stoffe im Körper so schädlich sein können. Sie wiesen nach, dass ein bestimmter Prozess, der normalerweise in den Körperzellen mild, stimulierungsabhängig und kurzfristig abläuft, durch Dioxin massiv auftritt und außerordentlich lange andauert und damit eine wesentliche Basisfunktion gestört ist. "Wir glauben, dass der Rezeptor für diese Umweltgifte normalerweise eine andere, wichtige Funktion in den Zellen ausübt und darin durch Dioxin und dioxinartig wirksame Stoffe gehindert wird", erklärt Oesch-Bartlomowicz. Die Studie wurde in dem hochrangigen Journal Proceedings of the National Academy of Sciences - USA (102, 9218-9223, 2005) veröffentlicht und von Nature Chemical Biology im August 2005 als "Research Highlight" ausgewählt (Nature Chemical Biology 1, 129, 2005).
Umweltgifte wie PAK - im Zigarettenrauch enthalten und auch durch den Sanierungsbedarf bei Parkettfußböden bekannt geworden - und die sehr giftigen Dioxine und Dibenzofurane gelangen in die Zelle und treffen dort im Zytoplasma auf den Dioxin-Rezeptor. Dieser Rezeptor ist ein Protein, das diese Fremdstoffe erkennt, sie an sich bindet und mit ihnen zusammen zum Zellkern wandert. Dort löst der Komplex über die Aktivierung verschiedener Gene Prozesse aus, die beispielsweise auch zu Krebserkrankungen führen. Dieser Ablauf war bisher schon bekannt. Das Forschungsteam um Oesch-Bartlomowicz hat jedoch noch eine ganz andere Funktion des Dioxin-Rezeptors entdeckt.
Die Forscher gingen von der Frage aus, was den Dioxin-Rezeptor aktiviert, wenn es in der Zelle keine toxischen Stoffe gibt. Sie fanden heraus, dass der Dioxin-Rezeptor auch durch eine Erhöhung des körpereigenen Botenstoffs cAMP veranlasst wird, in den Zellkern zu wandern. "Das ist eine kleine Sensation, weil damit zumindest sehr wahrscheinlich die eigentliche, physiologische Rolle des Dioxin-Rezeptors erkannt wurde", erläutert die Medizinerin. Es findet also unter normalen Bedingungen eine endogene, d.h. körpereigene Aktivierung des Dioxin-Rezeptors statt. Diese wird durch zahlreiche Prozesse wie die Ausschüttung bestimmter Hormone oder die Anregung durch bestimmte Neurotransmitter und auch durch Prostaglandine ausgelöst. Dass dieser "normale" Weg durch das Eindringen von Giftstoffen stark und lange andauernd gestört wird (Dioxin verbleibt für mehr als 10 Jahre im menschlichen Organismus), trägt sicherlich wesentlich zur Toxizität dieser Stoffe bei und könnte, so die Vermutung der Wissenschaftler, die Hauptursache für deren außerordentlich potente Toxizität sein.
Kontakt und Informationen:
Prof. Dr. Barbara Oesch-Bartlomowicz
Institut für Toxikologie
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Tel. 06132 574 96
Fax 06131 39-3712
E-Mail: oeschb@uni-mainz.de
http://www.toxikologie.uni-mainz.de/
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Biologie, Chemie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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