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04.12.2005 17:43

Zum medialen Umgang mit Friedensschlüssen vom 13. bis ins frühe 19. Jahrhundert

Klaus P. Prem Stabsstelle Kommunikation und Marketing
Universität Augsburg

    Über eine Tagung des Augsburger Graduiertenkollegs "Wissensfelder der Neuzeit"
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    Friedensschlüsse hatten als Medienereignisse über die Jahrhunderte hinweg viele Gesichter. Gab es im Umfeld von Konfliktbewältigung auch Propaganda für ein positives Bild vom Frieden? Oder dominierte der kriegstreiberische Einsatz von Medien? Dies waren die Leitfragen der Tagung "Friedensschlüsse", mit der das Graduiertenkolleg "Wissensfelder der Neuzeit. Entstehung und Aufbau der europäischen Informationskultur" am Institut für Europäische Kulturgeschichte der Universität Augsburg "Medien im Umfeld der Konfliktbewältigung in Mittelalter und Früher Neuzeit" untersuchte. Im Blick war dabei die ganze Entwicklung von der allmählichen Ablösung der Präsenzkultur des Hochmittelalters bis zu den Anfängen staatlich gelenkter Medienproduktion an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert. Und klar wurde dabei nicht zuletzt: Wie mit dem Frieden medial letztlich umgegangen wurde, war immer auch abhängig von der Art des vorangegangenen Konflikts.

    FEIERLICHER EID UND FRIEDENSKUSS: DIE MITTELALTERLICHE PRÄSENZKULTUR

    Innerstädtische Friedensschlüsse gingen im mittelalterlichen Italien mit einem erheblichen inszenatorischen Aufwand einher, seit dem 13. Jahrhundert dann auch mit einer umfangreichen Schriftproduktion. Dennoch waren sie in den seltensten Fällen dauerhaft erfolgreich. Christoph Dartmann, Münster, deutetet den neuen Rückgriff auf die schriftliche Festlegung des Friedens als Beleg für einen zwar rapiden Wandel der gesellschaftlichen Kommunikationsformen, der jedoch die mittelalterliche Präsenzkultur im kommunalen Italien nicht zu verdrängen vermochte: "Die Bürgerversammlung mit der direkten Begegnung der Streitparteien und dem feierlichen Eid oder dem 'Friedenskuss' als expressiver Geste fand weiterhin statt."

    FRIEDENSPOLITISCHE NUTZUNG VON MEDIEN SEIT ENDE DES 14. JAHRHUNDERTS

    Am Beispiel der bewaffneten Auseinandersetzungen des schwäbischen Städtebundes mit König Wenzel und den süddeutschen Fürsten und Herren zeigte Stefanie Rüthers, ebenfalls Münster, wie am Ende des 14. Jahrhunderts Medien genutzt wurden, um dem Ziel des Friedens näherzukommen: "Die nötige Autorität der Verhandlungspartner wurde mittels so genannter 'Gewaltbriefe' bekräftigt." Außerdem hätten Gesandtschaftsberichte den kommunikativen Verlauf der so genannten Friedenstage dokumentiert. Friedenspolitik sei dabei auch mit zurückgehaltenen oder verfälschten Informationen betrieben worden.

    REFERENZNETZWERKE IN DER RELIGIONSFRIEDENSKOMMUNIKATION

    In seinen Untersuchungen zur Religionsfriedenskommunikation in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts konnte Cornel Zwierlein, München, ein europäisches Referenznetzwerk aufdecken: Am Beispiel von Deutschland, Savoyen und Frankreich zeigte er, wie die Nachbarländer jeweils auf vorausgegangene Friedensedikte rekurrierten. Sowohl textuelle Bezüge als auch personelle Beziehungen - etwa in Form brieflicher Übermittlung von Vertragstexten ins Ausland - hätten dabei eine wichtige Rolle gespielt.

    Einen Ausblick auf Schweden gab Inken Schmidt-Voges, Osnabrück, mit ihren Ausführungen über das "Uppsala Kyrkomötet" von 1593. Auf diesem Kirchentag sollte die "Confessio Augustana" als alleiniges verbindliches Bekenntnis für Schweden festgesetzt werden. Erst durch die mediale Vermittlung habe sich das Ereignis als konfessioneller Friedensschluss konstituiert.

    ALLEGORISIERUNG IM 17. JAHRHUNDERT

    Mit der Medialisierung des Waffenstillstandes im 17. Jahrhundert setzte sich Martina Dlugaicyk, Aachen, aus kunsthistorischer Perspektive auseinander. Eine Vielzahl von Allegorien habe - oft mit Hilfe der Personifikation - z. B. den zwischen den spanischen Niederlanden und den Generalständen abgeschlossenen zwölfjährigen Waffenstillstand von 1609 verbildlicht: Neben Pax und Justitia auf dem Triumphwagen, neben dem Handschlag als Zeichen von Allianz und neben der Darstellung des Waffenstillstands als Ehebündnis sei der schlafende Mars als Zeichen ruhender Waffen besonders beliebt gewesen. "Was die Gattungen in Grafik und Malerei betraf, so wurde denjenigen der Vorzug gegeben, mit denen möglichst schnell auf politische Ereignisse reagiert werden konnte." Exemplarisch zeigen lasse sich dies an den in hoher Auflage publizierten Flugblättern, die in Reaktion auf den in Münster geschlossenen Westfälischen Frieden von 1648 verbreitet wurden. Stefan Mayer-Gürr, Bonn, verwies darauf, dass auch diese Flugblätter nicht etwa den Akt der Unterzeichnung gezeigt, sondern statt dessen allegorische Darstellungen des Friedens transportiert hätten. Zudem seien die Zeitgenossen offenbar weniger am Friedensschluss an sich interessiert gewesen, als vielmehr an den Rezessen, die den Abzug der Truppen regelten. Dies lasse sich aus den signifikant höheren Auflagen jener Flugblätter erschließen, die die Rezesse zum Gegenstand hatten.

    VON DER ALLEGORIE ZUM PROPAGANDISTISCHEN EREIGNISBILD

    An der Wende zum 19. Jahrhundert wurde die Allegorie schließlich durch das Ereignisbild abgelöst. Claudia Hattendorf, Marburg, zeigte dies an den unter Napoleon Bonaparte geschlossenen Friedensschlüssen Frankreichs. "Das neue Darstellungsprinzip beruhte darauf, dass ein peripheres Ereignis exemplarische Bedeutung erhielt." So wurde zum Beispiel das Treffen Napoleons mit Franz II. zwei Tage nach der Schlacht von Austerlitz am 4. Dezember 1805 in Szene gesetzt. Die zu Gunsten des französischen Kaisers ausfallende Darstellung der Kräfteverhältnisse sollte die Außenpolitik Napoleons propagandistisch unterstützen. Die staatlich gelenkte Bildproduktion reichte dabei von der Hochkunst bis zum populären Bild und der Karikatur.

    DER KRIEG ENTSCHEIDET ÜBER DEN MEDIALEN UMGANG MIT DEM FRIEDEN

    Ein zentrales Ergebnis der Tagung sei die Einsicht, das über die betrachteten Jahrhunderte hinweg der mediale Umgang mit dem Frieden immer ganz wesentlich mit abhängig gewesen sei, von der Art und der Qualität des Krieges und der Gewalt die vorausgegangen waren. Und dass dementsprechend Friedensforschung ohne Kriegsforschung schwerlich möglich sein könne. "wir sind zu diesem Ergebnis nicht zuletzt dadurch gekommen, dass uns der Zugriff auf Einzelmedien den Blick auf Quellen eröffnet hat, die sonst nicht unbedingt im Blickfeld des Historikers liegen", resümiert Christine Lüdke die von ihr gemeinsam mit Bent Jörgensen und Raphael Krug organisierte Tagung des Augsburger Graduiertenkollegs und meint: "Unsere interdisziplinäre Ausrichtung hat sich dabei als sehr fruchtbar und produktiv erwiesen."
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    ANSPRECHPARTNERIN:
    Christine Lüdke
    Graduiertenkolleg "Wissensfelder der Neuzeit"
    Institut für Europäische Kulturgeschichte
    Universität Augsburg
    86135 Augsburg
    graduiertenkolleg@iek.uni-augsburg.de

    HOMEPAGE DES GRADUIERTENKOLLEGS:
    http://www.uni-augsburg.de/institute/iek/gk/gk2_start.htm


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsprojekte, Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

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