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08.12.2005 14:50

Vom Forschungslabor zum Markt: Nanotechnik in der Schweiz

Dr. Lukas Weber Marketing & Kommunikation
Schweizerische Akademie der Technischen Wissenschaften

    Dreissig Ingenieure aus Hochschulen und Firmen versammelten sich auf Einladung der Schweizerischen Akademie der Technischen Wissenschaften, um die Entwicklung erfolgreicher Produkte der Nanotechnik voranzutreiben. Mit ungewohnter Offenheit stellten sie neueste Entwicklungsprojekte vor. Der Experte Hansruedi Zeller zeigte, was technische Ideen zum wirtschaftlichen Erfolg brauchen.

    Mit Nanotechnik lassen sich Werkstoffe bis in ihre Atomstruktur verändern. Dank bisher unerreichten Stoffeigenschaften sollen neue Produkte für die Konsumenten und neue Märkte für die Wirtschaft entstehen. Doch vom Forschungslabor zum erfolgreichen Konsumgut ist ein langer und beschwerlicher Weg.

    Zur Erleichterung des Wissensaustauschs zwischen Hochschul-Forschern und Produktentwicklern von Unternehmen hat die Schweizerische Akademie der Technischen Wissenschaften (SATW) ein so genanntes Transferkolleg eingerichtet. Damit unterstützt sie Erfolg verheissende Projekte in einer sehr frühen Phase mit einem Geldbetrag und verlangt von den Entwicklern, ihre Projekte an einem zweitätigen Workshop mit Fachkollegen kritisch zu diskutieren.

    Das diesjährige Transferkolleg fördert die Entwicklung von Produkten mit nanostrukturierten Oberflächen. Der Workshop fand am 1. und 2. Dezember 2005 am CSEM (Centre Suisse d'Electronique et de Microtechnique) in Neuenburg statt. An die dreissig, überwiegend junge Forscher stellten vierzehn Projekte vor. Zehn eingeladene Innovations-Experten stellten nützliche Fragen und gaben Rat.

    Die Projekte behandeln teilweise ähnliche Fragen. Beispielsweise sollen mit nanostrukturierten Oberflächen das Anhaften von Bakterien in Wasserrohren verhindert, die Lebensdauer von Knochenimplantaten erhöht oder Textilien gegen die schädigende Wirkung von UV-Strahlen geschützt werden.

    Der Erfolg einer Neuentwicklung hängt bei weitem nicht nur von der Technik ab, erklärte Hansruedi Zeller in seinem Einführungsvortrag. Zeller ist Experte der KTI, der Förderagentur für Innovation des Bundes (vgl. das unten stehende Interview mit Hansruedi Zeller). Entscheidend sei das günstige Zusammenspiel des Geschäftsmodells, der Geschäftsprozesse, weicher Faktoren wie etwa der Firmenkultur sowie der Technik. Zum Erfolg müssten Konflikte, die sich aus den unterschiedlichen Zielen und Sichtweisen der Beteiligten zwangsläufig ergeben, beharrlich und immer wieder von neuem gelöst werden. Zeller gab zu bedenken, dass im Durchschnitt nur jedes dritte Entwicklungsprojekt zum Erfolg führe; bei anspruchsvollen Entwicklungen (beispielsweise einem völlig neuen Produkt) sogar nur jedes zwanzigste. Deshalb müsse das Scheitern von Anfang an in Form von Ausstiegspunkten eingeplant werden.

    Die Workshop-Teilnehmer schätzten nach eigener Aussage den offenen Gedankenaustausch, den praktischen Rat der Experten und die Gelegenheit zum Aufbau eines Beziehungsnetzes.

    Das Transferkolleg wird von der KTI und der SATW finanziert und soll nächstes Jahr in einem neuen Hightech-Gebiet fortgesetzt werden.

    Kontakt: Lukas Weber, weber@satw.ch

    Interview mit Dr. Hansruedi Zeller, SATW-Mitglied, KTI-Experte und ehemaliger Vice President Technology and Intellctual Property bei ABB Semiconductors

    Herr Zeller, was ist Innovation?

    Eine neue Idee oder ein neues Produkt werden dann zur Innovation, wenn sie zu einem Markterfolg führen. Dazu genügt nicht allein eine brillante Idee für ein Produkt oder eine Dienstleistung. Das Geschäftsmodell, die Firmenkultur und die Organisation müssen dem Produkt angepasst sein, es braucht operative Exzellenz in allen Funktionen und, nicht zu vergessen, kompetente Lieferanten. Innovationen sind nicht allein technischer Natur. Sie können auch in einem innovativen Geschäftsmodell oder einem Dienstleistungsangebot liegen.

    Sie behaupten, über Innovation existierten Mythen. Welche?

    Die gibt es tatsächlich. Es wird beispielsweise behauptet, mehr Forschung und Entwicklung führten zu mehr Innovation, oder Innovation sei allein Sache der Entwickler. Hier fehlt eine gesamtheitliche Sicht. Innovationen entstehen nur dann, wenn das Produkt, das Geschäftsmodell, die Firmenstruktur und
    -organisation sowie die Wertschöpfungskette zusammenpassen. Ohne ihr gelungenes Zusammenspiel wird es schwierig sein, einen Mehrwert für die Kunden zu erreichen.

    Was macht eine innovative Idee zum sicheren kommerziellen Erfolg?

    (lacht) Gott sei Dank gibt es immer wieder junge Leute, die an den sicheren kommerziellen Erfolg ihrer Ideen glauben und ihr Familiensilber darauf setzen. Die Erfahrung macht allerdings vorsichtig.

    Weshalb wurde die Flüssigkristallanzeige, welche in der Schweiz Anfang der 1970er-Jahre entwickelt wurde, in unserm Land nicht zum Erfolg?

    Ich möchte die Frage verallgemeinern: Warum ist es der Schweiz trotz unbestrittener technischer Führung in den frühen 1970er-Jahren (sie hatte weltweit die ersten elektronischen Uhren und die erste Fabrik für Flüssigkristallanzeigen) nicht gelungen, mit der elektronischen Uhr am Markt Erfolg zu haben, während die Swatch später zum Grosserfolg wurde? Dazu ist zu sagen, dass auch bei noch so grossem technischem Vorsprung ein rückwärtsgerichtetes Geschäftsmodell, eine nicht angepasste Firmenstruktur und isolierte, kulturfremde Produkte einem Erfolg im Weg stehen können. Der Erfolg von Swatch zeigt, dass man mit klaren strategischen Vorstellungen, einer optimalen Wertschöpfungskette, dem hochkompetenten Zusammenspiel aller Geschäftsbereiche selbst bei schwieriger Ausgangslage Erfolg haben kann.

    Sie betonen, Kennzeichen einer erfolgreichen Firma sei die permanente Lösung von Zielkonflikten. Was meinen Sie damit?

    Nehmen Sie zum Beispiel die Entwicklung und Markteinführung eines elektronischen Bauteils. Das Ansehen und der Bonus eines Entwicklers hängen davon ab, wie schnell sein neues Produkt in den Markt eingeführt wird. Der Produktionsleiter dagegen erhält einen Bonus, wenn seine Produktionslinie mit maximalem Ausstoss läuft. Dies verträgt sich schlecht mit laufenden Änderungen durch neue Produkte. Der Verkaufsleiter wiederum möchte möglichst viele Bestellungen und verspricht dem Kunden Produkte, die es noch nicht gibt, oder ändert laufend die Zielvorgaben für den Entwickler. Der Leiter der Qualitätssicherung fürchtet entlassen zu werden, wenn sich für die Firma gefährliche Haftpflichtfälle ergeben. Deshalb führt er zusätzliche Tests ein, welche die Markteinführung verzögern und verteuern. Es ist wie in einer italienischen Komödie: Jeder muss seine vorgegebene Rolle ausfüllen, doch muss es dem Spiel als Ganzes dienen. Erfolgreiche Firmen schaffen trotz Zielkonflikten ein vertrauensvolles Zusammenspiel.

    Sollte ein Unternehmen bei der Entwicklung eines neuen Produkts das Scheitern als Möglichkeit vorsehen?

    Ein Innovationsprojekt gleicht einer schwierigen Expedition in unbekanntes Gelände, bei der die einzige Sicherheit darin liegt, dass sie nicht nach Plan verlaufen wird ? Schwierige Expeditionen verlangen nach einer entscheidungsorientierten Planung, die sicherstellen soll, dass die Teilnehmer auch bei Nichterreichen des Gipfels heil und mit minimalen Materialverlusten zurückkehren können.

    Die Fragen stellte Lukas Weber (SATW).


    Bilder

    Hansruedi Zeller: "Über Innovation gibt es Mythen"
    Hansruedi Zeller: "Über Innovation gibt es Mythen"
    Bild: SATW
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Chemie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Informationstechnik, Maschinenbau, Medizin, Werkstoffwissenschaften
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

    Hansruedi Zeller: "Über Innovation gibt es Mythen"


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