Kleines synthetisches Molekül löst Differenzierung adulter neuronaler Rattenhirn-Stammzellen zu Neuronen aus
In der heißen Diskussion über embryonale Stammzellen sollte man nicht aus den Augen verlieren, dass es auch im erwachsenenen Organismus Stammzellen gibt, die Ausgangspunkt für wirksame Therapien sein könnten. So bergen adulte neuronale Stammzellen das Potenzial, zu funktionstüchtigen Nervenzellen (Neuronen) und neuronenbegleitenden Zellen (Astroglia) zu reifen. Die Mechanismen sind bisher nur wenig geklärt. Forscher vom Scripps Research Institute, USA, haben nun einen Wirkstoff namens Neuropahtiazol synthetisiert, ein kleines Molekül, das neuronale Rattenhirn-Stammzellen dazu anregt, selektiv zu Neuronen zu differenzieren.
Bisher ist kein Kraut gegen neurodegenerative Erkrankungen gewachsen, wie Morbus Alzheimer, Morbus Parkinson oder Multiple Sklerose. Eine gewisse Hoffnung setzen Forscher auf die Stammzelltherapie. Stammzellen können sich zeitlebens teilen und sind noch nicht differenziert, können sich also prinzipiell zu einem beliebigen Zelltyp entwickeln. Neuronale Stammzellen aus bestimmten Regionen des erwachsenen Hirns sind in der Lage, zu Neuronen, Astrocyten (Zellen, die die Neuronen versorgen) oder Gliazellen (bilden die elektrische Isolierung um die Fortsätze der Neuronen) zu differenzieren. Einige Substanzen, darunter Vitamin-A-Säure, sind dafür bekannt, die Differenzierung auszulösen oder zu lenken, keine davon kann aber eine ausreichende Aktivität und Selektivität bieten. Peter G. Schultz und sein Team suchten gezielt nach einem Molekül, das neuronale Stammzellen ausschließlich zu Neuronen reifen lässt. Dazu durchkämmten sie eine Substanzbibliothek mit 50.000 heterozyklischen Verbindungen in einem Hochdurchsatz-Screening: Tröpfchen der gelösten Substanzen wurden auf winzige Zellkulturen neuronaler Rattenhirn-Stammzellen gegeben. Eine spezielle Änderung der Zellmorphologie und die Reaktion auf spezifische Immunfärbungen gaben Kulturen mit differenzierten Neuronen zu erkennen. Eine Klasse von 4-Aminothiazolen schien Erfolg versprechend. Ausgehend von den Treffern synthetisierten die Forscher weitere ähnliche Verbindungen, die sie abermals einem Screening unterwarfen. Am Ende identifizierten sie eine besonders wirksame Verbindung: Unter dem Einfluss von Neuropathiazol reiften mehr als 90% der neuronalen Stammzellen zu Neuronen. Anders als bei Vitamin-A-Säure entstanden keinerlei Astrocyten oder Gliazellen. Neuropathiazol hemmt sogar die Reifung zu Astroglia, wenn diese Differenzierung durch andere Wirkstoffe bereits ausgelöst wurde. Die Forscher hoffen nun, mit Hilfe von Neuropathiazol die Mechanismen bei der Differenzierung neuronaler Stammzellen zu Neuronen weiter aufzuklären - mit dem finalen Ziel der Entwicklung einer Stammzelltherapie zur Behandlung neurodegenerativer Erkrankungen.
Autor: Peter G. Schultz, The Scripps Research Institute, La Jolla, USA, http://schultz.scripps.edu/
Angewandte Chemie: Presseinfo 49/2005
Angewandte Chemie, Postfach 101161, 69495 Weinheim, Germany
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Biologie, Chemie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Informationstechnik, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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