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29.09.1999 16:53

Virustests mit "Fangmolekülen"

Dipl.Pol. Justin Westhoff UKBF-Pressestelle / MWM-Vermittlung
Universitätsklinikum Benjamin Franklin

    Schneller, sicherer, preiswerter:
    Vielversprechendes Forschungsprojekt am Fachbereich Humanmedizin der FU

    Mediendienst Nr. 33 - Aus der Forschung

    Um Bluttransfusionen und Arzneimittel aus Blut so sicher wie irgend möglich zu machen, muß heute eine Vielzahl von Tests auf verschiedenste Viren vorgenommen werden. Die "AG Zeichhardt" am Institut für Infektionsmedizin am Fachbereich
    Humanmedizin der Freien Universität Berlin Universitätsklinikum Benjamin Franklin (UKBF) hingegen entwickelt einen "Multiplex"-Test, der mehrere virale
    Krankheitserreger gleichzeitig erfassen soll - und dies erheblich schneller, deutlich preiswerter und noch sicherer als die bisher verfügbaren Nachweismethoden. Wie wichtig dies ist, zeigen nicht zuletzt aktuelle Fälle von Krankheitsübertragungen durch Bluttransfusionen, auch wenn sie extrem selten sind. Gleichzeitig verspricht das Projekt mittelfristig neue therapeutische Möglichkeiten gegen Virusinfektionen.
    Die Forschungsarbeit wird vom Bund, dem Land Berlin und zwei industriellen Partnern finanziert und startete als eines der ersten Teilprojekte im Rahmen des von Professor Dr. Volker A. Erdmann (Institut für Biochemie der FU Berlin) ins Leben gerufenen interdisziplinären Forschungsverbundes "Netzwerk für RNA-Technologien" in Berlin und Brandenburg.
    Der "Trick" der Arbeitsgruppe um Professor Heinz Zeichhardt: sie stellen Nukleinsäuremoleküle her, sogenannte RNA-Aptamere, die eine extrem hohe Affinität (Bindungskraft) für Viren besitzen. Diese RNA-Aptamere können als "Fangmoleküle" auf einem Biosensor-Chip eingesetzt werden, um Viren oder
    Virusbestandteile in einer Patientenprobe nachzuweisen.
    Um eine Infektion des Empfängers von Blut oder Blutprodukten zu vermeiden, muß sichergestellt sein, daß das Spenderblut frei von Erregern solcher Krankheiten wie Hepatitis oder AIDS ist. Dazu werden derzeit Untersuchungen auf körpereigene
    Abwehrstoffe gegen Viren (Antikörpertests), mitunter auch die direkte Virussuche (Antigentests, Genomnachweise) eingesetzt. Bei diesen zum Teil sehr zeit- und kostenintensiven Verfahren kann praktisch nur nach jeweils einem Virus gefahndet
    werden. Sollen beispielsweise das Hepatitis B- und C-Virus sowie der AIDS-Erreger HIV identifiziert werden, müssen drei Tests vorgenommen werden.
    Die AG Zeichhardt stellt im ersten Schritt der Testentwicklung künstliche RNA-Moleküle her und greift dabei auf eine "Bibliothek" von ungefähr 1016 RNA-Molekülen unterschiedlicher Sequenzen zurück. RNA, die kettenförmige
    Ribonukleinsäure, dient in der Zelle unter anderem dazu, die in den Genen gespeicherte Erbinformation zur Herstellung von Proteinen ins Zellplasma weiterzuleiten. Bei der Herstellung der "Fangmoleküle" wird die Eigenschaft der RNA genutzt, komplexe räumliche Strukturen auszubilden. Je nach Struktur
    besitzen einzelne RNA-Moleküle gute oder schlechte Bindungseigenschaften für andere Biomoleküle wie Proteine und Nukleinsäuren. Durch Anwendung von modernen biochemischen Verfahren werden aus der RNA-Bibliothek diejenigen Moleküle
    herausgefiltert, die besonders starke Bindungseigenschaften für Viren besitzen. Die so herausgefilterten RNA-Aptamere werden molekularbiologisch vervielfältigt und als "Fangmoleküle" auf einen Biosensor-Chip mit einer Größe von einem Quadratmillimeter fixiert. Fließen über einen solchen Biosensor-Chip geringste Mengen einer virushaltigen Blutprobe, wird durch die Bindung des Virus an das RNA-Aptamer ein Meßsignal erzeugt, das unmittelbar, also in Echtzeit gemessen werden kann. Die Biosensor-Meßtechnik für diese Spezialanwendung wird in Zusammenarbeit mit zwei Industriepartnern entwickelt.
    Ziel des Forscherteams ist es, Aptamer-Biosensoren gegen verschiedene Viren in einem Multiplex-Test so zu koppeln, daß eine Blutprobe in einem Arbeitsgang gleichzeitig auf HIV, verschiedene Hepatitis-Viren und andere durch Blut
    übertragbare Viren getestet werden kann. Dieses Nachweisverfahren für Virusinfektionen bietet aufgrund seiner Geschwindigkeit und Präzision enorme Vorteile für die Virus-Schnelldiagnostik, wodurch die Sicherheit von Blut und
    Blutprodukten im Vergleich zu den aktuellen Verfahren noch einmal deutlich erhöht werden kann.
    Die Forscher befassen sich zusätzlich mit der Möglichkeit, Aptamere für eine virusspezifische Therapie einzusetzen. Hierbei werden aus zur Virusdiagnostik verwendeten Aptameren solche Aptamere herausgefiltert, die zusätzlich virushemmende Eigenschaften besitzen. In dem Moment, in dem Aptamere an
    bestimmte Oberflächenstrukturen (Epitope) der Virushülle binden, sind die Epitope dauerhaft belegt. So "maskierte" Viren sind nicht mehr in der Lage, an ihre Zielzellen zu binden - eine Infektion wird unterbunden. Die Infektion kann
    auch dadurch verhindert werden, daß die anhaftenden Aptamere die Öffnung der Virushülle und damit die Freisetzung der Erbinformationen aus dem Virus verhindern.
    Professor Heinz Zeichhardt verfügt über langjährige Erfahrung in der Virologie und vertritt diese in vielen Fachgesellschaften. Seine molekularbiologische Arbeitsgruppe dient nationalen und internationalen Organisationen als
    "Referenzzentrum" für Virusdiagnostik und als Zentrum zur Qualitätssicherung. Er hat im Auftrag der Bundesärztekammer in Deutschland und für die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ein weltweites Beurteilungsnetzwerk für die Virusdiagnostik aufgebaut und wurde kürzlich zum Berater der WHO berufen.Sein
    internationales Renommee hat dazu geführt, daß Professor Zeichhardt Drittmittelprojekte in einem Umfang von über 3 Millionen Mark einwerben konnte, davon alleine knapp 1,2 Millionen für das Aptamer-Projekt.

    Ansprechpartner:
    Prof. Dr. Heinz Zeichhardt/Dr. Hans-Peter Grunert
    Fachbereich Humanmedizin der FU / UKBF
    Inst. f. Infektionsmedizin, AG Zeichhardt
    Hindenburgdamm 27, 12203 Berlin
    Tel.: (030) 8445-3622/-3624; Fax: -3626
    Email: Zeichhardt@medizin.fu-berlin.de
    Pressekontakt:
    UKBF-Pressestelle / MWM-Vermittlung
    Kirchweg 3 B, 14129 Berlin
    Tel.: (030) 803 96 86; Fax: 803 96 87
    e-mail: ukbf@mwm-vermittlung.de
    ca. 105 Zeilen à 60 Anschläge / ca. 5.800 Zeichen
    Abdruck bzw. Verwendung frei / Belegexemplar erbeten an MWM-Vermittlung


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Medien- und Kommunikationswissenschaften
    überregional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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