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30.09.1999 12:23

RUB-Medizinethiker kritisieren die neue "Christliche Patientenverfügung"

Dr. Josef König Dezernat Hochschulkommunikation
Ruhr-Universität Bochum

    Als "rechtlich wirkungslos, die ethisch eine falsche und trügerische Sicherheit vortäuscht und klinisch mehr Probleme schafft als sie löst", kritisiert der Bochumer Medizinethiker Prof. Dr. Hans-Martin Sass in Briefen an Präses Manfred Kock, Evangelische Kirche in Deutschland, und Bischof Karl Lehmann, Katholische Bischofskonferenz, die von ihnen Anfang der Woche vorgestellte Christliche Patientenverfügung.

    Bitte beachten Sie ab 1. Oktober 1999 unsere
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    neue Fax-Nummer: 0234/32-14136

    Bochum, 30.09.1999
    Nr. 220

    Rechtlich wirkungslos
    Ethisch falsche und trügerische Sicherheit wird verbreitet
    RUB-Medizinethiker kritisieren "Christliche Patientenverfügung"

    In persönlichen Briefen an Präses Manfred Kock, Evangelische Kirche in Deutschland, und Bischof Karl Lehmann, Katholische Bischofskonferenz, kritisiert der Bochumer Medizinethiker Prof. Dr. Hans-Martin Sass die Anfang der Woche von ihnen vorgestellte Christliche Patientenverfügung und bittet sie, von der weiteren Verbreitung abzusehen. Prof. Sass bezeichnet diese Verfügung als "rechtlich wirkungslos, die ethisch eine falsche und trügerische Sicherheit vortäuscht und klinisch mehr Probleme schafft als sie löst."

    Sinn und Zweck von Patientenverfügungen und Vorsorgevollmachten: "Wer entscheidet in dunkler Stunde?"

    Leiden und Sterben sind in unserer erfolgs- und diesseitsbetonten Kultur in die Krankenhäuser und Altenheime verdrängt. Als Ergebnis dieser Verdrängung kommt es zu Unsicherheiten und Fehlern in der medizinischen Versorgung Sterbender und unheilbar Kranker. Die Patientenverfügung, in der ein Patient in gesunden Tagen seine Wünsche, Werte und Erwartungen an die medizinische Behandlung für die dunklen Stunden festlegt, in denen er selbst einmal nicht mehr selbstständig entscheiden kann, und die Vorsorgevollmacht, in welcher jemand für eine solche Situation einer Person des Vertrauens die Vollmacht zu stellvertretenden Entscheidungen gibt, sind zwei Instrumente, bei schwerer und unheilbarer Krankheit im Endstadium und in der Nähe des Todes den Patientenwillen ent-scheidungsleitend werden zu lassen und den Ärzten und ihren Mitarbeitern zu helfen, zum Wohle des Patienten so tätig zu werden, dass er entsprechend den eigenen Wünschen, Werten und Glaubensvorstellungen in Würde den letzten Weg begleitet werden kann.

    Christliche Patientenverfügung verbreitet "scheinbare Sicherheit"

    Die Evangelische Kirche in Deutschland und die Katholische Bischofskonferenz haben nun nach langem Schweigen zu diesem schwierigen Thema am 27. September in einer Pressekonferenz eine "Christliche Patientenverfügung" vorgestellt. So erfreulich dieser kirchliche und seelsorgerliche Schritt ist, so wenig ist diese sogenannte christliche Patientenverfügung nach Ansicht von Prof. Sass geeignet, Patienten und Ärzten bei schwierigen Entscheidungkonflikten zu helfen. Sie trägt eher zur Verwirrung und Unsicherheit bei: (a) Sie ist zu unpräzise in der Möglichkeit zur Darstellung der individuellen Wünsche, Werte und Glaubenshoffnung, als dass ein verantwortlicher Arzt sich an ihr verbindlich orientieren könnte und dürfte. (b) Sie entspricht deshalb auch nicht den rechtlichen Ansprüchen, die für solche höchstpersönlichen Entscheidungen in der Nähe des Todes zum Schutz des Lebens wiederholt und übereinstimmend von den Gerichten formuliert wurden. (c) Deshalb vermittelt sie dem Unterzeichner leider nur eine scheinbare Sicherheit dafür, dass es in der Nähe des Todes nicht zu einer Überbehandlung und Leidensverlängerung kommt und dass der individuelle Wunsch des Patienten auch beim Verzicht auf lebens- und leidensverlängernde Maßnahmen berücksichtigt werden wird.

    Medizinethiker bieten klinisch und rechtlich anerkannte Verfügungen

    Im Umkreis der Arbeiten des Bochumer ZENTRUM FUER MEDIZINISCHE ETHIK haben die Professoren Dr. phil. Hans-Martin Sass (Bochum, Washington DC) und Dr. med. Rita Kielstein (Magdeburg) seit vielen Jahren sich mit den ethischen und klinischen sowie rechtlichen Problemen der Feststellung und Festlegung des Patientenwunsches befasst und umfangreiches Material hierzu vorgelegt, unter anderem auch eine für Juden, Christen und Muslime formulierte Patien-tenverfuegung LEBEN UND STERBEN IN GOTTES HAND, die aus Glaubenshoffnung sich zu Fragen des Behandlungswunsches oder -verzichts so äußert, dass Mediziner sich in der Orientierung am Patientenwunsch oder den Äußerungen eines Bevollmächtigten von dieser Verfügung leiten lassen können.

    Weitere Informatioenen

    Arnd T. May, M.A. Zentrum für Medizinische Ethik, Ruhr-Universität Bochum, 44780 Bochum, Tel. 0234/700-2740 (ab 1. Okt: 0234/32-22740), Mobil: 0172-2840900

    Text im Bochumer Internet

    Der Text der religiösen Betreuungsverfügung LEBEN UND STERBEN IN GOTTES HAND finden Sie auf der Homepage des Zentrums für Medizinische Ethik http://www.ruhr-uni-bochum.de/zme/

    Literatur zum Thema

    Sass H.M., Kielstein R. (1999) Die Betreuungsverfügung in der Praxis. Vorbereitungsmaterial, Modell einer Betreuungsverfügung, Hinweise für Ärzte, Bevollmächtigte, Geistliche und ANwaelte, Bochum: Zentrum für Medizinische Ethik, 5. Auflage

    May A (1998) Betreuungsrecht und Selbstbestimmung am Lebensende, Bochum: Zentrum für Medizinische Ethik

    Jahrbuch für Recht und Ethik / Annual Review of Law and Ethics, Jahrgang 4, 1996: Schwerpunktheft zum Thema Patientenverfügung, Seite 329-557

    Sass H.M., Veatch R.M., Kimura R., ed. (1998) Advance Directives and Surrogate Decision Making in Heealth Care, Baltimore: Johns Hopkins U Press


    Weitere Informationen:

    http://www.ruhr-uni-bochum.de/zme/


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Medizin, Philosophie / Ethik, Politik, Recht, Religion
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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