Pressenotiz
Zukunft der Meereswissenschaften
Wie soll sich die Meeresforschung in den nächsten zwei Jahrzehnten
weiterentwickeln, um den Bedürfnissen der rapide wachsenden Menschheit gerecht zu
werden?
55 Wissenschaftler und Manager aus aller Welt beschäftigen sich seit
Sonntag in Potsdam mit dieser Frage. Sie wurden eingeladen von den großen
internationalen Wissenschaftsorganisationen der UNESCO und der Akademien. Die
Tagung wird organisiert vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und
dem Zentrum für Marine Tropenökologie (ZMT) in Bremen.
Im Mittelpunkt der Diskussionen steht die Rolle des Weltmeeres im
Klimageschehen und die nachhaltige Nutzung der Küstenmeere. Für beide Probleme gilt:
Erforschung, Nutzung und Schutz der Weltmeere müssen enger als bisher
miteinander verknüpft werden. Deswegen sitzen in Potsdam Forscher und
Wirtschaftler an einem Tisch.
Im Meer liegt die Antwort auf die Frage, wieviel Treibhausgase in die
Atmosphäre entlassen werden dürfen, ohne daß sich unser heutiges Klima
dramatisch ändert, und wieviel Schad-, Trüb- und Nährstoffe wir mit den Flüssen
seewärts schicken können, ohne daß die Küstenmeere ihren Wert als Fischerei- und
Erholungsraum verlieren. Die von einzelnen Teilnehmern des Potsdam Workshops
verfaßten Texte zeigen, wie intensiv Physiker, Chemiker, Biologen, aber
auch Wirtschaftswissenschaftler und Soziologen zusammenarbeiten müssen, um die
natürlichen Veränderungen von den menschlichen Ursachen zu trennen und
Szenarien künftiger Entwicklung zu erarbeiten. Die Gewinnung grundlegender
Erkenntnisse und ihre Umsetzung in praktische Empfehlungen liegen in der
Meeresforschung nahe beieinander.
Die großen Gemeinschaftsprogramme zu Erforschung der Wechselbeziehungen
von Ozean, Atmosphäre und Meereis liefern die Daten für die gekoppelten
Klimamodelle, in denen sich die Auswirkungen der Verstärkung des Treibhauseffekts
abzeichnen. Für verläßliche Handlungsanweisungen beim Billionengeschäft der
globalen Energiepolitik reichen diese Grundlagen aber noch nicht aus. Die
Prozesse in den tiefen Schichten des Ozeans und im Meeresboden müssen dazu
intensiv untersucht werden. Das ist kostspielig und technisch sehr
anspruchsvoll. Erst seit wenigen Jahren wissen wir, daß der Tiefseeboden mikrobiologisch
sehr aktiv ist und in großen Mengen Methan freisetzt. Aus der
erdgeschichtlichen Vergangenheit für die Zukunft lernen, ist das Ziel von
Meeresgeologen, die aus Meeressedimenten auf die Entwicklung des Klimas in Wechselwirkung
mit Meeresströmungen während der Eiszeitzyklen und in der jüngsten
Vergangenheit schließen.
Der Bremer Meeresbiologe Gotthilf Hempel, einer der Initiatoren der
Potsdamer Tagung erwartet aber auch eine erhebliche Verstärkung der Forschung in
den Flachmeeren und Küstenregionen, weil hier der Mensch am unmittelbarsten
mit dem Meer lebt: 95% der Weltfischereierträge kommen aus diesen Gewässern.
Hier konzentrieren sich die vom Land ins Meer gespülten und gewehten Abfälle
der Ballungszentren von zwei Dritteln der Weltbevölkerung. Besonders
sensibel sind viele Tropenküsten. Dort fehlt es aber an ausreichendem
Forschungspotential. Um diesem Mangel - auch im Interesse der Industrieländer -
abzuhelfen, diskutieren die Wissenschaftler und Wissenschaftsmanager in Potsdam
unter anderem die "Bremer Kriterien" für Partnerschaftsprojekte, bei denen
Forschung in tropischen Küstenzonen verknüpft wird mit Ausbildungsmaßnahmen und
dem Aufbau wissenschaftlicher Infrastruktur in den Entwicklungs- und
Schwellenländern. Deutschland hat auf diesem Gebiet in den letzten Jahren wichtige
Erfahrungen sammeln können.
Die Erträge der Weltfischerei lassen sich kaum noch steigern, aber viel
besser nutzen. Etwa ein Viertel aller Fische wird nach dem Fang tot über Bord
geworfen, weil sie zu klein sind. An vielen Beständen wird Raubbau
getrieben, deswegen haben sich die Fischereinationen gegenüber der
Welternährungsorganisation verpflichtet, ihre Flotten drastisch zu reduzieren. Modelle der
Wechselwirkungen von Klima, Produktion, Nahrungsbeziehungen und Fischerei sind
daher ein Ziel künftiger biologischer Meeresforschung. Ein anderes Ziel ist
das Verständnis der Veränderungen in den Korallenriffen, Mangrovewäldern,
Seegraswiesen und Wattenmeeren, die alle weltweit unter dem wachsenden
Bevölkerungsdruck der Küstenregionen leiden, aber auch unter dem klimabedingten
Anstieg des Meeresspiegels und dem schnellen Absinken der Küstenzonen, das
durch exzessives Abpumpen von Grundwasser bedingt ist.
Forschungsschiffe haben eine Lebensdauer von etwa zwanzig Jahren. Die in
nächster Zeit anstehende Erneuerung der deutschen Forschungsflotte muß also
nach 2020 den Anforderungen einer gewandelten Meeresforschung gerecht werden,
die stark auf den Einsatz von unbemannten Tauchbooten und Meßbojen
angewiesen ist, die mit einer Vielzahl physikalischer, chemischer und biologischer
Sensoren bestückt sind. Auch die Satellitenfernerkundung hat einen langen
Planungsvorlauf.
Investitionen in Milliardenhöhe für die Meeresforschung der Zukunft stehen
in Potsdam zur Debatte, aber auch neue Formen internationaler
Zusammenarbeit. Die Ergebnisse des Workshops sollen die Grundlage einer Studie für die
Vereinten Nationen und die internationalen nicht-staatlichen
Meeresorganisationen sein.
Bei Rückfragen bitte wenden an:
Prof. Dr. Gotthilf Hempel
Fahrenheitstr. 1
8359 Bremen
Tel. 0421-23 800 21
Fax 0421-23 800 21
email: ghempel@zmt.uni-bremen.de
oder in der Zeit vom 4.-7.Okt. 1999
Konferenzsekretariat
Arkona Hotel Voltaire
Friedrich-Ebert-Str. 88
14467 Potsdam
Tel. 0331-23 17 440
Fax 0331 23 17 100
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Biologie, Geowissenschaften, Informationstechnik, Meer / Klima, Tier / Land / Forst, Umwelt / Ökologie, Wirtschaft
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Wissenschaftliche Tagungen, Wissenschaftspolitik
Deutsch
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