idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
11.10.1999 10:40

Kälteschlaf rettet Gehirnzellen

Axel Burchardt Abteilung Hochschulkommunikation/Bereich Presse und Information
Friedrich-Schiller-Universität Jena

    Jenaer Therapie-Kombination verringert Schlaganfall-Folgen

    Jena (11.10.99) Mit einer Kombination von bildgebenden Verfahren gelingt es im Jenaer Uni-Klinikum bereits drei Stunden nach einem Schlaganfall, den Umfang der Schädigungen des Gehirns vollständig zu erfassen. "Es ist bisher die einzige Methode, mit der man das ganze Ausmaß der Durchblutungsstörungen darstellen kann", sagt PD Dr. Joachim Röther aus der Klinik für Neurologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Je früher die betroffenen Gehirnregionen exakt geortet werden können, um so besser kann dem Schlaganfall-Opfer geholfen. "Dafür ist es notwendig, dass die Patienten so früh wie möglich in die Klinik kommen", unterstreicht Dr. Röther. In Zusammenarbeit mit den Radiologen und Neurochirurgen der Universität sei dann sichergestellt, dass die neuen Behandlungsformen umgehend durchgeführt werden können.

    Das Jenaer Neurologenteam kombiniert für die Diagnose zwei Arten der Magnetresonanz-Tomographie (MRT). Mit der Diffusions-MRT kann die Erschöpfung der Gehirnzellen gemessen werden. Sie ist ein "Marker für den Zelltod", erläutert Joachim Röther. Diese Messungen werden durch ein Perfusions-MRT ergänzt, das ein "Marker für Ausmaß und Schwere der Durchblutungsstörungen" darstellt. "In Kombination der beiden Methoden kann man zu einem sehr frühen Zeitpunkt sehen, ob Gewebe vorhanden ist, das man überhaupt noch retten kann", sagt der 39-jährige Mediziner, der die MRT-Methoden bei einem zweijährigen Aufenthalt in Stanford (USA) eingehend erforscht hat. Die Rettung dieses minder- aber noch durchbluteten Gewebes ist das Ziel der weiteren Behandlung.

    Finden sich Gehirnareale, die noch gerettet werden können, wird auf der Spezialstation der Jenaer Uni-Klinik, der so genannten Stroke Unit, sofort mit der Therapie begonnen. Je nach Art und Umfang der Schädigung setzen die Neurologen entweder auf eine Behandlung mit Medikamenten, eine Knochendeckelentfernung und neuerdings auch auf eine Kälteschlaf-Therapie. Bei der medikamentösen Behandlung werden - wenn der Patient zustimmt - auch neuroprotektive Arzneimittel eingesetzt. Diese neuartigen Medikamente befinden sich noch in der klinischen Erprobung, zeigen aber erfolgversprechende Ergebnisse, versichert Dr. Röther.

    Da nach einem Schlaganfall häufig die Hirnzellen anschwellen, ein so genanntes postischämisches Hirnödem auftritt, wird zur Entlastung des Gehirns der Knochendeckel über dem geschädigten Areal entfernt. Dadurch wird eine weitere Schädigung des Gehirns durch den Druck der anschwellenden Zellen vermieden. Die Jenaer Neurologen versetzen seit neustem außerdem jüngere Patienten in Kälteschlaf - "eine Methode, die in Deutschland nur in wenigen Zentren eingesetzt wird", sagt Röther. Bei der Reduzierung der Körpertemperatur auf 32°-33°C wird der Zellstoffwechsel im Gehirn deutlich vermindert. Dies reduziert das Anschwellen der Gehirnzellen und rettet sie so vor einer weiteren Beeinträchtigung. Allerdings belastet der zwei- bis dreitägige Kälteschock den Patienten so, dass die Methode bei älteren Schlaganfall-Patienten nicht angewendet werden kann.

    In der Jenaer Klinik ist der Kälteschlaf jetzt erstmals bei einem 44-jährigen Schlaganfall-Opfer erfolgreich eingesetzt worden. Der junge Patient hatte als Folge des Schlaganfalls einen malignen Mediainfarkt erlitten, an dem bei konventioneller Therapie im Durchschnitt 78 Prozent der Betroffenen sterben. Mit der kombinierten MRT-Diagnose in Verbindung mit der Kälteschlaf-Therapie gelang es zwar nicht, den Patienten vollständig zu heilen. Aber der Mann kann wieder reden und trotz leichter Behinderungen auch gehen.

    Im Tierexperiment glückte es mit der Kälteschlaf-Therapie, das geschädigte Gehirnvolumen nach einem Schlaganfall um bis zu 48 Prozent zu reduzieren. Beim Menschen wird diese Größenordnung nicht erreicht werden, aber die Kombi-Behandlung kann auf jeden Fall die Folgen nach Schlaganfällen deutlich reduzieren, ist Dr. Röther überzeugt.

    Ansprechpartner:
    PD Dr. Joachim Röther
    Klinik für Neurologie der Universität Jena
    Philosophenweg 3
    07743 Jena
    Tel.: 03641/935260
    Fax: 03641/936355
    E-Mail: jroether@neuro.uni-jena.de


    Friedrich-Schiller-Universität
    Referat Öffentlichkeitsarbeit
    Axel Burchardt M. A.
    Fürstengraben 1
    07743 Jena
    Tel.: 03641/931041
    Fax: 03641/931042
    e-mail: hab@sokrates.verwaltung.uni-jena.de


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).