idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
06.02.2006 10:24

Ein Labor schreibt Wissenschaftsgeschichte: 20 Jahre experimentelle Wirtschaftsforschung in Bonn

Frank Luerweg Dezernat 8 - Hochschulkommunikation
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

    Es ist das älteste seiner Art in Europa und zählt bis heute selbst in den USA zu den Top-Adressen seiner Zunft: Das Labor für Experimentelle Wirtschaftsforschung an der Universität Bonn. Vor zwei Jahrzehnten vom Bonner Nobelpreisträger und Mitbegründer der Spieltheorie Professor Dr. Reinhard Selten gegründet, hat es seitdem in mehr als 38.000 Stunden experimenteller Arbeit dazu beigetragen, das eindimensionale Bild vom streng rational handelnden "Homo oeconomicus" zu korrigieren. Am Freitag, 10. Februar, begeht die Universität Bonn das Jubiläum mit einem Festkolloquium im Universitätsclub, Konviktstraße 9. Dazu sind auch Journalisten herzlich eingeladen. Während der Pausen stehen die Wissenschaftler - darunter auch Professor Selten sowie der heutige Laborleiter und Forschungsdirektor des Instituts zur Zukunft der Arbeit Professor Dr. Armin Falk - für Interviews zur Verfügung.

    Die Grundidee der experimentellen Wirtschaftsforschung ist einfach: In einer Art Spiel müssen Versuchspersonen am Computer Entscheidungen treffen, etwa über den Kauf oder Verkauf einer Aktie, deren Wert sich in Abhängigkeit von den Entscheidungen der Mitspieler verändert. Ihren Gewinn bekommen sie später in harter Währung ausgezahlt. Oder sie treffen Entscheidungen über Arbeitsleistungen und Löhne auf Arbeitsmärkten, müssen ihre Route für bestimmte Verkehrssituationen planen oder Ressourcen in Verhandlungsexperimenten aufteilen. Rund 25.000 Versuchspersonen haben in den letzten zwei Jahrzehnten im "BonnEconLab" unter streng definierten Laborbedingungen an ähnlichen Studien teilgenommen und dabei insgesamt 300.000 Euro an Preisgeldern verdient. Neun ehemalige Mitarbeiter des Labors sind inzwischen selbst Universitätsprofessoren.

    Bei seiner Gründung wurde das Labor dagegen noch misstrauisch beäugt: "Die Idee, theoretische Vorhersagen zum wirtschaftlichen Verhalten einmal wirklich experimentell auf den Prüfstand zu stellen, traf nicht bei allen Ökonomen auf Zustimmung", sagt der heutige Direktor des Labors Professor Dr. Armin Falk. "Experimentelle Wirtschaftsforschung galt als exotisch; die Ergebnisse waren anfangs kaum publizierbar." Vielleicht auch, weil sie allzu häufig mit Resultaten der Spieltheorie zu kollidieren schienen - einer Disziplin, für deren Entwicklung John Nash, John Harsanyi und Reinhard Selten 1984 den Nobelpreis erhalten hatten. Die Spieltheorie ermöglicht es, die Marktentscheidungen von Menschen vorherzusagen. Dabei gingen die Wirtschaftswissenschaftler lange von bestimmten Grundannahmen aus. So sei jede Handlung des "Homo oeconomicus" allein auf die Maximierung des persönlichen Nutzens durch rationale Überlegungen gerichtet - ein Paradigma, das heute zunehmend in Frage gestellt wird.

    Ökonomie ist auch Psychologie

    Stattdessen vermuten heute viele Ökonomen, dass bei wirtschaftlichen Entscheidungen auch psychologische Effekte eine große Rolle spielen. Das zeigt beispielsweise das Thema "Kontrolle am Arbeitsplatz": "Nach klassischer Vorstellung muss der Chef seine Mitarbeiter kontrollieren, damit die nicht auf der faulen Haut liegen", erklärt Falk, der zu diesem Aspekt kürzlich eine Aufsehen erregende Studie durchgeführt hat. "Wir konnten aber experimentell nachweisen, dass viele Menschen auf Kontrolle und Mistrauen negativ reagieren und weniger leisten also ohne Kontrolle." Ein anderes Beispiel: Wenn Hilfsorganisationen ihren Spendenaufrufen als kleines Geschenk ein paar Postkarten beilegen, steigt das Spendenaufkommen dramatisch - bei vier Postkarten um 75 Prozent. Grund: Menschen verhalten sich "reziprok", also nach dem Motto "wie du mir, so ich dir". Die klassische Theorie kann diesen Effekt dagegen nicht erklären.

    Als Absage an die Spieltheorie versteht Falk die experimentelle Forschung allerdings nicht. "Die Spieltheorie ist offen. Sie ist auch nicht widerlegt worden. Widerlegt wurden bestimmte Annahmen." Wie diese zu wählen seien, verrieten eben die Experimente. Aus der Ökonomie sei die Kombination aus spieltheoretischer Vorhersage und experimenteller Überprüfung inzwischen nicht mehr wegzudenken. Der Laborgründer Professor Selten kenne und beherrsche beide Welten. "Seine Figur hat den Geist des BonnEconLab geprägt und es zu dem gemacht, was es heute ist."

    Medienvertreter, die am Festkolloquium teilnehmen möchten, können sich unter folgender Kontaktadresse anmelden:

    Iwona Werner
    Institut zur Zukunft der Arbeit Bonn
    Telefon: 0228/3894-509
    E-Mail: werner@iza.org


    Bilder

    Vor den Experimenten müssen die Testpersonen die Spielregeln sehr genau studieren. Erst wenn sie in einem Testdurchlauf bewiesen haben, dass sie alles verstanden haben, startet das eigentliche Experiment.
    Vor den Experimenten müssen die Testpersonen die Spielregeln sehr genau studieren. Erst wenn sie in ...
    (c) Frank Homann / Uni Bonn
    None

    Versuchsperson im Labor für experimentelle Wirtschaftsforschung
    Versuchsperson im Labor für experimentelle Wirtschaftsforschung
    (c) Frank Homann / Uni Bonn
    None


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Psychologie, Wirtschaft
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

    Vor den Experimenten müssen die Testpersonen die Spielregeln sehr genau studieren. Erst wenn sie in einem Testdurchlauf bewiesen haben, dass sie alles verstanden haben, startet das eigentliche Experiment.


    Zum Download

    x

    Versuchsperson im Labor für experimentelle Wirtschaftsforschung


    Zum Download

    x

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).