idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
14.02.2006 15:11

Hohe Auszeichnung geht an LMU-Wissenschaftler - "Promising Work Award" für Alzheimerforscher Haass

Luise Dirscherl Stabsstelle Kommunikation und Presse
Ludwig-Maximilians-Universität München

    Professor Christian Haass erhält für seine Arbeit an der Alzheimerschen Erkrankung den "Promising Work Award" 2006 der MetLife Foundation. Haass, der den Lehrstuhl für Stoffwechselbiochemie am Adolf-Butenandt-Institut der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München innehat und dort das Alzheimer- und Parkinson-Labor leitet, teilt sich die Auszeichnung mit einem weiteren Wissenschaftler. Das Preisgeld von jeweils US-$ 100.000 geht an die Forschungseinrichtungen der beiden Wissenschaftler, um deren Arbeit an der Alzheimerschen Erkrankung zu unterstützen. Das Geld soll frei genutzt werden, um ohne Restriktionen kreative Ideen umzusetzen. Die MetLife Foundation gehört zur US-amerikanischen Versicherung MetLife. Der bislang fast ausschließlich an Amerikaner vergebene Preis zeichnet mit Haass erst zum zweiten Mal einen Europäer aus.

    Am 14. Februar 2006 wird Prof. Christian Haass den "Promising Work Award" der MetLife Foundation in Washington entgegennehmen. Die Auszeichnung ehrt damit auch seine Forschungseinrichtung, die LMU, wo vor 100 Jahren der Grundstock für Haass´ Arbeit gelegt wurde. Der Münchner Arzt Alois Alzheimer, damals am Klinikum der Universität München, beschrieb 1906 in einer Veröffentlichung den Fund großer Plaques im Gehirn einer Patientin mit schwerer Demenz. Das Leiden der Frau, das wenige Jahre später Alzheimersche Erkrankung genannt wurde, trat zu dieser Zeit noch sehr selten auf. So untersuchte Alzheimer selbst nur zwei Patienten im Laufe seines Lebens. Mittlerweile aber leiden nach Schätzungen weltweit zwischen zwölf und 15 Millionen Menschen an Alzheimer, in Deutschland sind es etwa 1,2 Millionen. Dabei stiegen in den letzten Jahren die Zahlen sogar an. "Und dieser Trend verstärkt sich", berichtet Haass. "Der Hauptfaktor dabei ist die stark erhöhte Lebenserwartung in den westlichen Ländern. Wir haben Hinweise aus der Forschung, dass die Erkrankung altersabhängig ist. Damit wird sie uns also fast alle betreffen - wenn wir nur lange genug leben."

    Die Arbeit im Haass-Labor konzentriert sich vor allem auf das gefährliche Amyloid beta-Peptid oder Abeta. Dieser Proteinabschnitt akkumuliert im alternden Gehirn und lagert sich dort als Plaques, das sind unlösliche Aggregate, ab. In dieser Form ist Abeta neurotoxisch, lässt also Nervenzellen in der Umgebung absterben. Ähnliche Prozesse der Proteinaggregation und des selektiven Zelltods sind von anderen neurodegenerativen Erkrankungen bekannt. Schon 1992 gelang Haass bei seinen Untersuchungen zu diesem gefährlichen Peptid ein Durchbruch: "Wir konnten zeigen, dass Abeta konstant und während des gesamten Lebens produziert wird. Die höchsten Konzentrationen haben wir in menschlichen Neuronen gefunden, wo Abeta als Nebenprodukt eines ganz normalen Prozesses anfällt." Diese Beobachtungen haben das bis dahin vorherrschende Konzept von Abeta widerlegt und gezeigt, dass das Peptid ein normaler Anzeiger des Alterns ist.

    Haass´ Augenmerk gilt seitdem vor allem den Mechanismen der Abeta-Erzeugung. So konnte er beispielsweise nachweisen, dass der Ausgangspunkt für die Entstehung des Peptids das mit unbekannter Funktion im Körper vorkommende Protein APP ist. Dieses "Amyloid Precursor Protein" ist in der Membran der Nervenzellen eingelagert und wird von zwei Enzymen geschnitten. Eines davon, die gamma-Sekretase, schneidet APP gleich zweimal und zwar in der Zellmembran. Laut Lehrbuch sind Schnitte in einer Membran gar nicht möglich. "Mittlerweile kennt man aber schon eine ganze Reihe weiterer Substrate der gamma-Sekretase, die alle innerhalb der Membran geschnitten werden", berichtet Haass. Sein Team konnte zudem noch zeigen, dass es sich bei der gamma-Sekretase um eine bis dahin unbekannte Enzymklasse handelt. Das Enzym ist ein Komplex aus mehreren Proteinen. Besonders wichtig sind zwei davon, Presenilin 1 und 2. Sie bilden das aktive Zentrum des Enzyms und nehmen als eigentliche "Schere" die enzymatische Reaktion, also den Schnitt des APP, vor. "Es wurden bislang über 100 verschiedene Mutationen in den Presenilinen gefunden", so Haass. "Und alle sind mit dem so genannten frühen erblichen Alzheimer assoziiert, einer in jungen Jahren auftretenden Erkrankung."

    Ein Komplex aus vier verschiedenen Proteinen ist nötig, um die Funktion dieses Enzyms in Hefe zu erfüllen. "Zur Zeit untersuchen wir die Zusammensetzung des gamma-Sekretase-Komplexes und die Interaktionsstellen der verschiedenen Komponenten", so Haass. "Daneben suchen wir aber auch Mechanismen, die die Präzision der enzymatischen Schnitte durch die gamma-Sekretase beeinflussen und so zu einer verstärkten Aggregation und Ablagerung von Abeta führen könnten." Damit Abeta entsteht, muss neben der gamma-Sekretase ein weiteres Enzym, die beta-Sekretase, ebenfalls APP schneiden. Weil Abeta nur durch die gemeinsame Aktivität der beiden Proteasen entsteht, wird auch die beta-Sekretase im Haass-Labor analysiert . Die Wissenschaftler interessieren sich hier besonders für Regulationsmechanismen, die zu einer verstärkten Aktivität des Enzyms während des Alterns führen könnten. Erste, vielversprechende Anhaltspunkte wurden bereits gefunden. "Mittlerweile sind beide Sekretasen Hauptziele für medikamentöse Therapien", berichtet Haass. "Könnten sie blockiert werden, sollte schließlich die altersbezogene Neuropathologie, die durch die Ablagerung von Abeta verursacht wird, verlangsamt werden."

    Seit einiger Zeit wird im Haass-Labor auch der Zebrafisch, Danio rerio, als Modellorganismus genutzt. Eine neue, modern angelegte Aquarienanlage mit bis zu 1000 Einzelaquarien kann jetzt mehrere zehntausend Zebrafische beherbergen, was Experimente in einem weltweit einmaligen Umfang erlaubt. Das Tier ist ein hervorragendes in vivo Modellsystem, um offene Fragen in der Erforschung der Neurodegeneration nachzugehen. Ganz grundsätzlich sollen die biologischen und pathologischen Funktionen von Genen, die mit der Erkrankung assoziiert sind, analysiert werden. So ist beispielsweise sehr wenig bekannt über die "normale" Funktion von Genen wie dem für APP, auch wenn ihre Rolle in der Erkrankung bereits eingehend studiert wurde. Daneben sollen mit Hilfe des Zebrafisches Gene identifiziert werden, die das Voranschreiten der Erkrankung beeinflussen können. Unklar ist immer auch noch, warum die Proteinablagerungen überhaupt toxisch für Nervenzellen sind.

    Trotz der offenen Fragen ist die Alzheimer-Forschung aber schon sehr weit - was möglicherweise in absehbarer Zeit Früchte tragen wird. "Wir kennen jetzt alle für die Entstehung von Alzheimer nötigen Enzyme sowie alle wichtigen Gene und wissen, was sie im Menschen machen", meint Haass. "Ich selbst bin ein glühender Verfechter der Alzheimer-Impfung und Scherenblockierung. Vor zehn Jahren war ich noch fest davon überzeugt, dass die Krankheit nie besiegt werden kann, weil wir einfach die Mechanismen nicht verstanden. Die kennen wir jetzt aber im Detail, und daher rechne ich in absehbarer Zeit mit massiven Durchbrüchen bei der Behandlung von Alzheimerpatienten."

    Prof. Christian Haass wurde 1960 in Mannheim geboren. Er studierte Biologie in Heidelberg und promovierte dort auch. Es folgten Jahre als Postdoktorand und nachfolgend als Assistant Professor of Neurology an der Harvard Medical School in Boston. 1995 kehrte Haass nach Heidelberg zurück und folgte 1999 einem Ruf an die Ludwig-Maximilians-Universität München, wo er den Lehrstuhl für Stoffwechselbiochemie am Adolf-Butenandt-Institut übernahm. Haass wurde im Jahre 2000 mit dem "International Alois Alzheimer Award" ausgezeichnet und erhielt zwei Jahre später mit dem Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) den höchst dotierten Forschungspreis Deutschlands. Er ist Sprecher des Sonderforschungsbereiches (SFB) 596 "Molecular Mechanisms of Neurodegeneration" und Sprecher des DFG-Forschungsschwerpunktes "Cellular Mechanisms of Alzheimer´s Disease". (suwe)

    Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Christian Haass
    Lehrstuhl für Stoffwechselbiochemie
    Adolf-Butenandt-Institut, Ludwig-Maximilians-Universität München
    Tel.: 089/2180 75-471
    Fax: 089/2180 75-415
    E-Mail: chaass@med.uni-muenchen.de


    Weitere Informationen:

    http://haass.web.med.uni-muenchen.de


    Bilder

    Professor Christian Haass
    Professor Christian Haass

    None


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Personalia
    Deutsch


     

    Professor Christian Haass


    Zum Download

    x

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).