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07.03.2006 13:57

Schriften im Wandel der Jahrhunderte

Robert Emmerich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Julius-Maximilians-Universität Würzburg

    Für Historiker ist die Lehre von den alten Schriften, die Paläographie, eine wichtige Hilfswissenschaft. Der emeritierte Professor Peter Herde vom Institut für Geschichte der Uni Würzburg arbeitet auf diesem Gebiet seit Jahrzehnten. Eine seiner Publikationen wurde nun ins Italienische übersetzt und in einer Reihe des Vatikanischen Archivs veröffentlicht. Außerdem widmet sich erneut eine Doktorandin der Paläographie.

    Unsere heutige Schrift ist, abgesehen von den auf die römische Capitalis zurückgehenden Großbuchstaben, nicht antiken Ursprungs. Sie entstand vielmehr in den letzten Jahrzehnten des 8. Jahrhunderts in verschiedenen karolingischen kirchlichen Schreibschulen, und zwar als so genannte Minuskelschrift - also in ein Vierliniensystem passend, mit Ober- und Unterlängen.

    Diese Schrift trat einen Siegeszug durch ganz Europa an. Ausgehend von Nordfrankreich entwickelte sie sich ab dem Ende des 11. Jahrhunderts zur gotischen Schrift weiter. Dadurch wurde sie aber insgesamt schwerer lesbar - der Frühhumanist Francesco Petrarca (1304-1374) bezeichnete sie gar als "Prügel für die Augen". Um 1400 leiteten die Humanisten Coluccio Salutati, Poggio Bracciolini und Niccolò Niccoli aus Florenz darum eine Schriftreform ein, die nichts anderes war als die Rückkehr zur karolingischen Minuskel des 9. bis 12. Jahrhunderts.

    Im Bereich der Buchschriften wurde die humanistische Minuskel besonders seit den 50er-Jahren des 20. Jahrhunderts gut erforscht. Über die Umformung der gotischen Kursivschriften zur so genannten humanistischen Kursive dagegen wusste man bis vor einigen Jahrzehnten so gut wie nichts. Hier setzte Herdes Projekt ein.

    Der Professor wies nach, dass die humanistische Kursive seit circa 1420 ebenfalls von Florenz ihren Ausgang nahm. Sein Schüler Thomas Frenz, in Würzburg habilitiert und heute Professor in Passau, untersuchte dazu das Eindringen humanistischer Schriftformen in die Akten der päpstlichen Kurie im 15. Jahrhundert. Diese beiden Publikationen sind nun in einer überarbeiteten italienischen Fassung in der renommierten Reihe des Vatikanischen Archivs erschienen (Littera antiqua Bd. 12; Città del Vaticano 2005).

    In weiteren Arbeiten erforschten die Würzburger Historiker Martin Rüth (heute Direktor des Staatsarchivs Landshut) und Horst Zimmerhackl (jetzt wissenschaftlicher Geschäftsführer der "Monumenta Germaniae Historica" in München) die Verbreitung der humanistischen Kursive in der Toscana, in Umbrien und der Emilia Romagna. Gegenwärtig arbeitet die Doktorandin Sara Lichtenfels am Würzburger Institut für Geschichte über Venetien. Herde zufolge profitiert dieses Projekt sehr von der Zusammenarbeit mit den Mittelalter-Experten der Würzburger Partneruniversität in Padua.

    Die humanistische Kursive erreichte bald nach der Mitte des 15. Jahrhunderts ihre Vollendung. Sie breitete sich über Europa aus und wurde zur Grundlage sowohl des Kursivdrucks als auch unserer heutigen Handschriften. Die Nachfolger der gotischen (in Deutschland als deutsche Schrift bezeichnet) und humanistischen Schriften (hierzulande lateinische genannt) liefen noch Jahrhunderte nebeneinander her, bis die Nationalsozialisten 1941 die Druckfraktur abschafften. "Das geschah mit der absurden Begründung, dass es sich dabei um 'Schwabacher Judenlettern' handle", erklärt Herde. Die letzte "gotische" Kursive, die so genannte Sütterlin-Schrift, wurde an bayerischen Gymnasien noch bis in die 60er-Jahre des 20. Jahrhunderts als Zweitschrift geübt. Heute verwenden die Deutschen nur noch die humanistische Buchminuskel als Druckschrift und die Nachfahren der humanistischen Kursive als Handschrift.


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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