Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion hat sich die medienwissenschaftliche Theoriebildung in Russland sehr schnell entwickelt: Vor allem der Zusammenhang zwischen Medien und politischer Macht, aber auch soziologische und kunstwissenschaftliche Aspekte der medialen Repräsentation von Wirklichkeit wurden eingehend untersucht. Die entstandenen Denkmodelle russischer Intellektueller sind jedoch im westlichen Kulturraum weitgehend unbekannt geblieben. Prof. Dr. Ulrich Schmid (Seminar für Slavistik/Lotman-Institut) bietet nun im Band "Russische Medientheorien" eine wissenschaftshistorische Einleitung in die Entwicklung, dokumentiert die wichtigsten Grundlagen anhand ausgewählter Aufsätze aus der Zeit zwischen 1855 und 1979 und stellt zehn aktuelle Essays von maßgeblichen russischen Medientheoretikern vor.
Bochum, 08.03.2006
Nr. 86
Ersatzwirklichkeiten mit neuen Inhalten
RUB-Publikation: Russische Medientheorien
Zehn aktuelle Essays maßgeblicher Theoretiker
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion hat sich die medienwissenschaftliche Theoriebildung in Russland sehr schnell entwickelt: Vor allem der Zusammenhang zwischen Medien und politischer Macht, aber auch soziologische und kunstwissenschaftliche Aspekte der medialen Repräsentation von Wirklichkeit wurden eingehend untersucht. Die entstandenen Denkmodelle russischer Intellektueller sind jedoch im westlichen Kulturraum weitgehend unbekannt geblieben. Prof. Dr. Ulrich Schmid (Seminar für Slavistik/Lotman-Institut) bietet nun im Band "Russische Medientheorien" eine wissenschaftshistorische Einleitung in die Entwicklung, dokumentiert die wichtigsten Grundlagen anhand ausgewählter Aufsätze aus der Zeit zwischen 1855 und 1979 und stellt zehn aktuelle Essays von maßgeblichen russischen Medientheoretikern vor.
Medienkonzepte überdauern den politischen Wechsel
"Die heutige Situation in Russland ist durchaus mit der Lage im Europa der Zwischenkriegszeit vergleichbar", erklärt Schmid. "Die Intellektuellen sind konfrontiert mit Medienphänomenen, in denen sich verschiedene Herrschaftsdiskurse verschränken." Im postkommunistischen Russland verfügt man zudem über einen geschärften Blick für Inszenierungen der Macht. Das Sowjetimperium war nicht zuletzt auch ein gigantisches Spektakel, das den Bürgern eine hochideologisierte Ersatzwirklichkeit vorzugaukeln versuchte. Und gerade in medientheoretischer Hinsicht bedeutet das Jahr 1991 für die russische Kultur nicht ausschließlich einen Einschnitt - dasselbe gilt für das Jahr der Oktoberrevolution 1917: "Zahlreiche Medienkonzepte haben die politischen Wechsel überdauert und sind nur mit neuen ideologischen Inhalten gefüllt worden. Auch bei der institutionellen Kontrolle über die russischen Medien lassen sich viele Kontinuitäten beobachten", so Schmid.
Sprachbarrieren und kulturelle Kluft
Russische Autoren haben diese Prozesse mit kritischem Blick verfolgt und analysiert. Allerdings existieren die Medienwissenschaften noch nicht als eigene akademische Disziplin, obwohl in Russland laufend Arbeiten mit medienwissenschaftlicher Bedeutung entstehen; es gibt bislang noch nicht einmal eine russische Bezeichnung für das Fach. Die Gründe, aus denen medientheoretische Arbeiten aus Russland in Westeuropa kaum bekannt geworden sind, sind zum einen die Sprachbarriere, zum anderen ihr Bezug zu Kulturbeständen, die hier wenig bekannt sind.
Italianisierung des russischen Fernsehens
Das Buch richtet sich vor allem an Medienwissenschaftler, die sich mit kulturhistorischen Fragestellungen auseinandersetzen. Herausgearbeitet wird etwa die Kontinuität zwischen dem Medienkonzept der russischen Orthodoxie, das sich am deutlichsten in der Realpräsenz der Heiligen in der Ikone äußert, und Bildpraktiken im Sozialistischen Realismus. Besondere Aufmerksamkeit gilt schließlich den neusten Entwicklungen, so etwa dem Einsatz von "Polittechnologien" bei den postsowjetischen Präsidentschaftswahlen oder der "Italianisierung" des neuen russischen Leitmediums Fernsehen.
Titelaufnahme
Ulrich Schmid (Hg.): Russische Medientheorien. Haupt Verlag Bern 2005, ISBN 3-258-06762-7
Weitere Informationen
Prof. Dr. Ulrich Schmid, Seminar für Slavistik/Lotman-Institut der Ruhr-Universität Bochum, 44780 Bochum, GB 8/155, Tel. 0234/32-23370, E-Mail: ulrich.schmid@rub.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Medien- und Kommunikationswissenschaften
überregional
Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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