Eine Matinee des DFG Forschungszentrums Molekularphysiologie des Gehirns (CMPB) mit Kurzvorträgen, Podiumsdiskussion und Filmvorführung
Hörstörungen stellen eine der häufigsten Krankheiten in unserer Gesellschaft dar. Betroffen sind Menschen aller Altersklassen, die Ursachen sind vielfältig. Sie reichen von angeborener Hörschwäche über Schäden durch Lärmbelastung bis hin zu Degeneration des Hörapparats im Alter. Während Gehörverlust bei Erwachsenen häufig zu sozialem Rückzug führt, kann eine hochgradige Schwerhörigkeit bei Kindern die Reifung der Hörbahn im Gehirn bleibend stören. Ohne Therapie sind die betroffenen Hirnstrukturen dann nur so grob ausgebildet, dass Kinder gesprochene Sprache (Lautsprache) nicht erkennen und somit auch nicht selber erwerben können. Dank hoch entwickelter Technik kann das Cochlea-Implantat (CI) in vielen Fällen die Hörfähigkeit wiederherstellen. Das CI wird operativ in die Hörschnecke eingebettet und ist heute weltweit als Behandlungsmethode bei Taubheit oder hochgradiger Schwerhörigkeit anerkannt. Obwohl das CI technisch und klinisch die am weitesten ausgereifte Neuroprothese ist, kann der Höreindruck, den das CI vermittelt, niemals so perfekt sein wie der des gesunden Gehörs. Schließlich muss es die Arbeit von ca. 30.000 genau aufeinander abgestimmten Hörsinneszellen ersetzen. Umso faszinierender ist es, dass das menschliche Gehirn überhaupt in der Lage ist, Töne, Geräusche und sogar Sprache aus diesem reduzierten Angebot wahrzunehmen. Wie gut das Gehirn mit dieser Situation fertig wird, hängt von verschiedenen Faktoren ab. So gilt das Motto: je früher ein kindliches Gehirn mit den akustischen Eindrücken des CI konfrontiert wird, desto besser kann es sich darauf einstellen. Aber auch spät ertaubte Patienten, die schon gesprochene Sprache erwerben konnten, kommen so gut mit dem CI zurecht, dass sie häufig sogar wieder telefonieren können. Schwierig wird es dann, wenn ein Patient vor dem Spracherwerb ertaubt und erst relativ spät mit dem CI versorgt wird.
Im Rahmen der weltweiten Brain Awareness Week (13. - 19. März 2006) organisiert das DFG Forschungszentrum Molekularphysiologie des Gehirns (CMPB) am
Sonntag, den 19. März 2006, eine Matinee zu dem Thema
"Zwischen den Welten - Hören mit einem Cochlea-Implantat"
CinemaxX, Kinosaal 2, Bahnhofsallee 3
In kurzen Vorträgen und einer Podiumsdiskussion werden die Grundlagen des menschlichen Gehörs und dessen Schädigung erläutert sowie die Funktion des CI und sein Einsatz in der Therapie erklärt. Eine Betroffene schildert ihre Situation als Gehörlose mit CI und berichtet wie sie die Möglichkeiten der Integration in unsere hörend orientierte Gesellschaft erlebt. Es wird darüber diskutiert, wann die Implantation idealer Weise erfolgen sollte, um einen annährend normalen Lautspracherwerb zu gewährleisten. Was sollten Eltern beachten, bevor sie ihr Kind mit einem CI versorgen lassen? Außerdem: ist es ratsam, neben dem Erwerb der gesprochenen auch den Erwerb einer Gebärdensprache zu ermöglichen? Kann ein CI zur Einschulung in einer Regelschule verhelfen und alle Ausbildungen ermöglichen? Als zukünftige Alternative zum CI wird ebenfalls darüber gesprochen, wie weit die Forschung in Bezug auf die regenerative Medizin mit Gentechnik oder Stammzellen ist.
Im Anschluss an die Podiumsdiskussion erzählt der Film "Jenseits der Stille" die Geschichte des Mädchens Lara, die sich als hörende Tochter eines gehörlosen Ehepaares für eine Musiker-Karriere entscheidet. Der Film über Laras Leben "zwischen den Welten" wurde 1998 für den Auslands-Oscar nominiert. Die Kurzvorträge und die Podiumsdiskussion werden von Gebärdensprachdolmetschern übersetzt und der Film wird im Originalton (Deutsch) mit deutschen Untertiteln gezeigt. Der Eintritt ist frei.
Das CMPB vereint Forschungsgruppen der Georg-August-Universität, der Max-Planck-Institute für biophysikalische Chemie und für experimentelle Medizin sowie des Deutschen Primatenzentrums. Es koordiniert die experimentelle Erforschung der molekularen Grundlagen von Hirnfunktionen und deren Störungen. In seinen Veranstaltungen möchte das CMPB Themen an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Gesellschaft aufgreifen und offen diskutieren.
Wer einen Blick hinter die Kulissen der Gehörforschung werfen möchte, ist am 15. März 2006 herzlich zu kurzen Führungen in der Abteilung für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde der Universitätsklinik Göttingen eingeladen. Treffpunkt ist die Hauptpforte (Westeingang) um jeweils 10:00 und 16:00 Uhr.
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Das Cochlea-Implantat (CI)
Anders als herkömmliche Hörgeräte, die den Schall lediglich verstärken, wandelt das CI Schall in elektrische Reize um, die direkt an das Innenohr geleitet werden. Das CI überbrückt so die fehlende Funktion der Hörsinneszellen im Innenohr. Das CI wird operativ direkt in die Hörschnecke (Cochlea) eingesetzt und funktioniert nur, wenn sowohl der Hörnerv als auch die zentralen Hörareale im Gehirn intakt sind. Ein außerhalb des Kopfes getragenes Mikrofon und ein Sprachprozessor wandeln den Schall um. Dieser wird durch einen Sender, der mit Hilfe eines Magneten außen am Kopf befestigt wird, ins Innere des Kopfes weitergeleitet. Der unter der Schädeldecke implantierte Teil des CI besteht aus einem Empfänger und den Elektroden, die das akustische Signal direkt an den Hörnerv weitergeben.
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Programm
Mittwoch, 15. März 2006, 10:00 Uhr & 16:00 Uhr
Tag der offenen Tür in der Abteilung für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde der Universitätsklinik Göttingen, Treffpunkt Hauptpforte (Westeingang)
Sonntag, 19. März 2006
Matinee im CinemaxX, Hörsaal 2, Bahnhofsallee 3
Einlass ab 10:00 Uhr
10:30 Uhr - 10:45 Uhr
Begrüßung
Professor Dr. Diethelm Richter - Sprecher des DFG Forschungszentrums Molekularphysiologie des Gehirns
10:45 Uhr - 11:00 Uhr
Wie kommt der Klang in den Kopf? Neues vom Hören und Schwerhörigkeit
Professor Dr. Tobias Moser, Abteilung für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde der Universitätsklinik Göttingen
11:00 Uhr ? 11:15 Uhr
Diagnose Schwerhörigkeit - Therapie mit dem Cochlea-Implantat
Professor Dr. Thomas Lenarz, Hals-Nasen-Ohrenklinik / Hörzentrum der Medizinischen Hochschule Hannover
11:15 Uhr - 11:30 Uhr
Schwerhörigkeit bei Kindern - Sprachentwicklung mit dem Cochlea-Implantat
Professor Dr. Anke Lesinski-Schiedat, Hals-Nasen-Ohrenklinik / Hörzentrum der Medizinischen Hochschule Hannover
11:30 Uhr - 12:15 Uhr
Leben mit einem Cochlea-Implantat ? Erfahrungen, Meinungen, Perspektiven
Moderation: Angela Brünjes, Göttinger Tageblatt
12:15 Uhr - 13:00 Uhr
Pause mit Imbiss und Getränken
13:00 Uhr - 15:00 Uhr
"Jenseits der Stille", 112 min. (OmU)
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Die Referenten und Diskussionsteilnehmer
Constanze Krull ist 20 Jahre alt, ertaubte im Alter von fünf Jahren und bekam mit sechs Jahren ein Cochlea Implantat. Nach den ersten zwei Jahren auf einer Sprachheilschule wechselte sie an eine normale Grundschule. Sie hat letztes Jahr ihr Abitur gemacht und studiert seit Herbst 2005 in Magdeburg Sozialwesen. Constanze Krull spielt Tennis, taucht, spielt Klavier und Keyboard, unternimmt gerne Reisen und geht häufig ins Kino.
Thomas Lenarz ist seit 1993 Direktor der Klinik für Hals-, Nasen, Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie an der Medizinischen Hochschule Hannover, der weltweit führenden Einrichtung für Cochlea Implantationen. Hier wurden seit 1984 über 3000 Patienten (60 % Kinder) mit einem CI versorgt und rehabilitiert.
Anke Lesinski-Schiedat ist seit 2003 die ärztliche Leiterin des Hörzentrums (Dir.: T. Lenarz) an der Medizinischen Hochschule Hannover.
Tobias Moser ist seit 1998 Mitarbeiter der Abteilung für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde der Universitätsklinik Göttingen. Im Rahmen des CMPB erforscht er die molekularen und strukturellen Grundlagen der Schallkodierung im Innenohr und deren Störung bei der Schwerhörigkeit.
http://www.cmpb.de/index.php?sid=68&lng=de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Medizin
regional
Forschungs- / Wissenstransfer
Deutsch
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